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Boris Lurie

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Spezial: Wunderkammer - Zeitgenössisches Kuriositätenkabinett, Brüssel


Eingabedatum: 20.01.2012

Jan Fabre, scull, 2010,copyright Angelos, Foto: Pat Verbruggen

Ausstellungsbesprechung: Seit Jahrhunderten sind wir Menschen von allem Unbekannten und Mysteriösen fasziniert. Wunderkammern und Kuriositätenkabinetts wecken dabei unsere Neugierde und Entdeckerlust. In Europa gibt es solche Wunderkammern seit der Renaissance, meist in Naturkundemuseen. Sie sind Sammlerstuben, die Kuriositäten aus den verschiedensten Bereichen der Kunst und Wissenschaft zeigen, oft mit einem Faible für alles Fremde und Unbekannte. Merkwürdige und seltene Objekte repräsentierten damals noch weniger bekannte Teile der Erde, die es zu erkunden galt. Heute scheinen wir die Welt so gut wie nie zuvor zu kennen, doch immer noch faszinieren uns unvertraute und imaginäre Welten.

In eine andere Welt, eine kleine Wunderkammer der zeitgenössischen Kunst, lädt zur Zeit das Botanique, Kulturzentrum der Frankophonen in Brüssel, ein. In einem ehemaligen botanischen Gewächshaus angelegt, bietet das im 19. Jahrhundert erbaute Glasgebäude Konzerte im runden Innenraum an, sowie Ausstellungen, Vorträge, Tanz- und Theatervorstellungen. Noch immer befinden sich im Inneren exotische Pflanzen und Karpfen in kleinen Teichen. Im Außenbereich ist ein gepflegter botanischer Garten angelegt.
Die Ausstellung versammelt mehr als 20 in Belgien arbeitende bildende Künstler, die durch ihre Kunst imaginäre Welten erschaffen. Zusammen kreieren die Werke eine ungewöhnliche und mysteriöse Atmosphäre, irgendwo zwischen Kunst, Wissenschaft und (Aber)glauben. Die Zusammenhänge zwischen Natur und menschlicher Kreation, zwischen neuen Entdeckungen und der (Wieder-) Aneignung der Natur, verschwimmen bis zur Unkenntlichkeit.

Der Aufbau der Ausstellung erlaubt den einzelnen Werken wenig Platz für Individualität. Vielmehr wird die Vielzahl der Arbeiten auf kleinem Raum nebeneinander, übereinander, in gläsernen Vitrinen, in großen ornamentalen Wandschränken und an den Wänden bis kurz unter die Decke präsentiert. Durch diese Präsentation wird der einzelne Charakter der Werke und Künstler vernachlässigt, vielmehr verschmelzen die Arbeiten zu einem kohärenten Ganzen. Der Ausstellungsraum ist dabei eher klein, ohne Fenster und nur schwach beleuchtet; eine dunkelblaue Tapete mit barockem Muster schmückt die Wände, helle Töne erklingen im Hintergrund.

Die Zusammenhänge zwischen Künstlichem und Natürlichem werden durch tätowierte Schädel oder in roten Faden gewickelte menschliche Knochen hergestellt und hinterfragt. Mit ausgestopften Tieren und aufgespießten Schmetterlingen beschäftigt sich Pascal Bernier. Mal verbindet er Beine und Köpfe ausgestopfter Rehe und Wildschweine mit Mullbinden – „Jagdunfall“ heißen die Arbeiten passend. Mal fügt er Symbole der Luftwaffe den Mustern auf den Flügeln aufgespießter Schmetterlinge hinzu.

Mutationen und Verwandlungen irgendwo zwischen Tier und Mensch sind auf Roberto Kusterles schwarz-weiß Fotografien zu sehen. Hier werden menschliche Körperteile langsam zu Walen, Leoparden oder Schneckenhäusern. Ähnlich, jedoch subtiler, verwandelt Patrick Van Roy in seiner Fotografieserie „Inés, 20 Versions“ das Portrait einer jungen Frau. Durch digitales Einfügen von Augen oder Mündern von 11 verschiedenen Jungen scheint die Frau auf den Fotografien aus einer anderen Welt zu kommen. Direkt mit dem menschlichen Körper beschäftigt sich Alessandro Filippini: Seit den 1970ern sammelt er seine Finger- und Fußnägel. In der Ausstellung präsentiert er sie in einem großen Reagenzglas – mit viel Platz nach oben.

Die mystische Atmosphäre der Ausstellung wird weiter gesteigert durch die „Soundscape“ – eine aus 13 Stücken bestehende Playlist, ausgesucht von Axel Pleeck und François Dubuisson. Rock, Pop und Elektro sind neben klassischen Stücken vertreten, von Depeche Mode bis (zu den in Belgien sehr beliebten) Einstürzenden Neubauten.
Inwiefern das Konzept des Kuriositätenkabinetts sich für eine Ausstellung zeitgenössischer belgischer Künstler eignet, lässt sich diskutieren. Der Besucher ist schnell dazu verleitet, sich dem kindlichen Spaß des Entdeckens und Gruselns hinzugeben, wobei die einzelnen Werke und Konzepte natürlich an Bedeutung verlieren. Spaß macht das Eintauchen in die fremden Welten in der ungewöhnlichen Ausstellungshalle aber allemal.

Wunderkammer – Zeitgenössiches Kuriositätenkabinett
Botanique – Kulturzentrum der französischen Gemeinde
Boulevard du Jardin Botanique 29 -31
1000 Brüssel
Ausstellungsdauer: 08.12.2011 – 29.01.2012
Öffnungszeiten: Mi – So 12 – 20 Uhr

Teresa Reichert





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