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zwischen zwei toden - ZKM І Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe (12.05.-19.08.2007)


Eingabedatum: 16.05.2007

zwischen zwei toden - ZKM І Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe (12.05.-19.08.2007)

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zwischen zwei toden / between two deaths
im ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe

Sind wir nicht alle permanent überfordert? Fühlen wir uns nicht dann und wann verloren und suchen nach Halt, Regeln und Orientierung? Fragen wir uns nicht hin und wieder, wer wir eigentlich wirklich sind und was uns als Individuum ausmacht? Die von Ellen Blumenstein und Felix Ensslin kuratierte Ausstellung >zwischen zwei toden/ between two deaths< im ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe zumindest konstatiert eine solche Krise des Subjekts, versucht jedoch gleichzeitig Wege aus der beanstandeten "Erschöpfung des Selbst" (Alain Ehrenberg) aufzuzeigen.

Der Diskurs, um den sich die Schau dreht, ist vor allem ein psychoanalytischer. So ist der Ausstellungstitel dem Vokabular des Franzosen Jaques Lacan entlehnt und soll den Zustand zwischen dem symbolischen Tod und dem physischen Tod des Individuums bezeichnen. Symbolisch sterben heißt, sich nicht mehr in der Gesellschaft verorten zu können, heißt ein Verlust an Identifikationsmöglichkeit überhaupt zu erleiden. Anders gesagt: der symbolische Tod bezeichnet das Herausfallen aus intakten Strukturen und Gesetzmäßigkeiten verbunden mit dem Moment des Zusammenbruchs des Individuums. Was Lacan noch für den einzelnen Patienten festgestellt hatte, wird in der Ausstellung auf die gesamte (westliche) Bevölkerung angewandt. Demnach sind frühere Bezugssysteme wie Familie, Religion oder Arbeit keine verläßlichen Konstanten mehr, nichts ist mehr vorhersehbar, man lebt in einem permanenten Zustand der Unsicherheit. Daraus, so Blumenstein und Ensslin, resultieren Depression und Melancholie als Massendiagnose.

An diesem Punkt kommt die Kunst ins Spiel. Sie nämlich soll uns retten, uns den Ausweg aus dieser Misere zeigen und demonstrieren, wie produktiv mit diesem Zustand und den Ängsten umgegangen werden kann. Es wurden also hohe Erwartungen an die 30 Künstler geknüpft, die teilweise sogar neue Arbeiten für die Ausstellungen produziert haben. So z.B. Barnaby Furnas, der sein riesengroßes Gemälde >Flood (Blood)< im ZKM selbst geschaffen hatte. >Flood (Blood)< erinnert an Hermann Nitschs Schüttbilder, oder aber an die großen malerischen Gesten der abstrakten Expressionisten, ist aber durchaus gegenständlich gemeint. Die roten Fluten nämlich verweisen auf das Rote Meer, das Moses auf der Flucht in das verheißene Land durchteilt haben soll, um zum Ziel zu gelangen. Ebenso wie die biblische Metapher kann auch Furnas` Werk als Hinweis darauf verstanden werden, daß scheinbar Unmögliches möglich werden kann.

Eine weitere Arbeit, die extra für die Ausstellung hergestellt wurde, bezieht sich konkret auf den Ausstellungsort. Die Isländerin Elín Hansdóttir hat mit >Drift< den historischen Treppenaufgang der ehemaligen Munitionsfabrik zu einem surrealen, verdrehten Gang mit schiefen Wänden umgewandelt, der in eine Sackgasse mündet und von einem unangenehmen, immer tiefer werdenden Ton beschallt wird. Hier gilt es, die beklemmende Wirkung des Raumes zu überwinden.

Eher dokumentarisch sind Walead Beshtys Photoreihe >Passages in American Metropolis< und Dan Grahams Video >Death by Chocolate: West Edmonton Shopping Mall (1986-2005), die sich beide mit den Shopping Malls und der Jagd auf vielversprechende Konsumgüter als neuen Lebensmittelpunkt auseinandergesetzt haben. Auch der Themenkomplex Familie, bzw. das was daraus geworden ist, kommt nicht zu kurz. In >Sisters, Saints, and Sibyls< gewährt Nan Goldin recht intime Einblicke in die eigene Biographie, in Luis Gisperts und Jeffrey Reeds >Stereomongrel< rennt ein unglückliches Mittelklasse-Mädchen gemischt- ethnischer Herkunft ziellos durch die Straßen einer Großstadt, und Ryan Trecartins Videoarbeiten zeugen vom Dasein in einer freakigen Kommune als eigens gelebte Alternative zur herkömmlichen Familie.

>zwischen zwei toden/ between two deaths< ist eine Ausstellung mit Tiefgang. Sie glänzt sowohl durch die Auswahl der vielfach noch unbekannten künstlerischen Positionen als auch durch den Versuch, einen für unsere Gesellschaft relevanten Diskurs aufzuarbeiten. Doch wie so oft bei thematischen Ausstellungen läuft man Gefahr, bei dem komplexen theoretischen Überbau den unbefangenen Blick auf die Kunst selbst zu opfern.

Abbildungen:
- Ausstellungsansicht
- Brock Enright >Wellwater<, 2006, Digitalvideo auf DVD, 3,25 Minuten, Edition von 3 + 2 ap; zur Verfügung gestellt vom Künstler und der Perry Rubenstein Gallery, New York.

zwischen zwei toden / between two deaths
12.05.-19.08.2007

ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe
Lorenzstraße 19
76135 Karlsruhe
zkm.de/zwischenzweitoden

Stefanie Ippendorf





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