22. August bis 14. September 2008

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Boris Lurie

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Anzeige: Pèlerinages. Kunstfest Weimar: Wozu braucht Carl August einen Goethe?


Eingabedatum: 26.10.2007

Anzeige: Pèlerinages. Kunstfest Weimar: Wozu braucht Carl August einen Goethe?

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"pèlerinages" Kunstfest Weimar 2008
22. August bis 14. September 2008


"WOZU BRAUCHT CARL AUGUST EINEN GOETHE?
Fürstliche Sehnsucht nach Individualismus"
Herbert Lachmayer, Kurator
Donhauser & Martin, Ausstellungsarchitektur

Ausstellungseröffnung: 24. August 2008,
11.00 Uhr, Stadtschloß
Ausstellungsdauer: 24.8.-2.11.2008,
Öffnungszeiten: Die - So 10 - 18 Uhr

In Kooperation mit der Klassik Stiftung Weimar und, als Partner, mit dem DaPonte Institut Wien

Gefördert vom Beauftragten der deutschen Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages, vom österreichischen Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, von der Hypo-Kulturstiftung, der Rudolf-August Oetker Stiftung, der Ernst von Siemens Kunststiftung und der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius

mit freundlicher Unterstützung der Vorwerk & Co. Teppichwerke GmbH & Co. KG, Samsung Electronics und dem zkm Karlsruhe

Kultur ist ein Umweg, der sich lohnt – auch für das fürstliche Haus Sachsen-Weimar-Eisenach. Schon Luther verhalf den Vorfahren von Carl August zu geistig-spiritueller Deutungsmacht - und damit zu politischem Einfluss. Die junge Anna Amalia sah sich Mitte des 18. Jahrhunderts vor das Problem schwindender Macht und ökonomischer Schwierigkeiten gestellt - Neubelebung brauchte die Dynastie, vor allem für den Erbprinzen Carl August. Auf den Wert von Bildung und die Kraft des Geistes vertrauend, inszenierten sie und ihr Sohn einen „geistigen Aufbruch“, aus dem sich die Klassik letztendlich entwickelt hat: für sie selbst, für den aufgeklärten Adel und für wahlverwandte Freunde in einem supra-nationalen Europa. Mächtige Höfe wie Paris, Wien oder Berlin gaben zwar den Ton an - dennoch versuchten kleine Duodezfürstentümer einmal mehr dem Allmachtsanspruch eines fürstlichen Weltverständnisses zu genügen. So waren es beispielsweise die Künste, Philosophie, Wissenschaft und Theater, in denen sich dieser Kosmos verwirklichen ließ - auch über die engen territorialen Grenzen hinaus.

Die Weimarer Klassik wirkte nach außen wie nach innen - ging es doch Anna Amalia auch darum, mit Wieland, Goethe und Herder Lebensbegleiter für Carl August an den Hof zu binden. Entgegen der oft leerlaufenden Prunkentfaltung großer Höfe stand künstlerisch-geistige Verfeinerung als permanente Inszenierung im Zentrum des Begehrens. Im arkadischen Szenario konnte man sich auch als Genien begegnen und Mythologie psychologisch lebendig werden lassen. Geschmacksintelligenz war gefragt, um in erweiterten Erfahrungshorizonten die Sinnlichkeit einer „schönen Seele“ in all ihren Facetten entfalten zu können. So mochte auch die libidinöse Atmosphäre der geist-erzeugenden Genies das Herz der Fürstin erfreut und ihre Sinne belebt haben – mit erotischem Erstaunen und extravaganter Einbildungskraft setzte man zum Höhenflug an.

Daran mag sich Carl Alexander Ende des 19. Jahrhunderts erinnert haben, als er im 80. Lebensjahr, kurz nach dem Tode seiner Gattin Sophie, den Zeitenbogen vom 18. Jahrhundert bis zu seinem eigenen "Fin de Siècle" Revue passieren ließ - für sich und die Nachwelt. Als eleganter Connaisseur und als der wohl ausgeprägteste Intellektuelle seiner Dynastie mochte er zeitlebens darunter gelitten haben, daß ihn die Familie, allen voran Mutter Maria Pawlowna, ins "Korsett" von Großvater Carl August hineinzuschnüren versuchte - entsprach er doch in seinem Selbstverständnis keinesfalls dem Klischee des militärischen wie politischen Machtmenschen. Carl Alexander fühlte sich am Frauenplan "zu Hause", verbrachte mit Goethes Enkeln seine Kindheit und hatte feinsinnige Lebensziele. Spätestens nach 1840 herrschte in Weimar Depression - hatte man doch nach und nach begriffen, dass ein Goethe nie mehr zurückkommen würde. Nun ging es dem Hause Weimar-Eisenach vor allem darum, den "Geist der Klassik" zu bewahren - den Versuchen, ihn lebendig zu machen oder gar zu erneuern, war trotz melancholischer Intensität kaum Erfolg beschieden. Die Klassiker waren weder durch Liszt, Hebbel noch Wagner und andere zu ersetzen, wie es Großfürstin Maria Pawlowna nur all zu gerne erlebt hätte. Übrig blieb, die "Mumie" sozusagen "neu zu wickeln". Die dynastische Innovation von Carl Alexander und Sophie scheiterte, indem sie in der Geste des historisierenden Bewahrens stecken blieb. Selbst die Errichtung des "Goethe- und Schiller-Archivs“ stand im Zeichen neo-absolutistischer Reminiszenz: In den Schauräumen sollte der fürstliche Klassikkult zelebriert werden, hinter dem historistischen Fassadenantlitz des "Petit Trianon", im Versailles Ludwigs XV.

Carl Alexanders komplexe Persönlichkeit ist im bewahrenden Bemühen nicht ausreichend zu beschreiben - mag ihm doch am Weimarer Depressionsschock nach Goethes Tod klar geworden sein, dass sich die "geistige Explosion" der Klassik nicht programmatisch wiederholen läßt. Vielleicht hätte er sich um Nietzsche bemühen müssen, um mit dem Geist der Klassik "in seiner Gegenwart anzukommen". Die Sensibilisierungspraxis einer kultivierten Ambiguität hat ihn zum "Großen Melancholiker" reifen lassen - genußfähig für das Ausklingen der Klassik im Selbstgefühl einer verblassenden Spätromantik. Sein Leben spannt einen breiten Bogen von Klassik, Klassizismus bis hin zur art nouveau eines Henry van de Velde - reicht von einer fast privat erlebten Antike Italiens hin zur stürmischen Geist-Zweisamkeit mit Hans Christian Andersen. Als Fürst des ausgehenden 19. Jahrhunderts verband er Rokoko-Reminiszenzen mit dem Eskapismus eines Flaneurs und Dandys, voll Verachtung gegenüber den auch ästhetisch "plumpen" Preußen, die ihm politisch übel mitspielten. Unter diesen hatte auch seine Schwester Augusta als Königin in Berlin besonders zu leiden.
Der Epilog zu unserem Remake der fiktiven Ausstellung Carl Alexanders von 1898 verläuft sich in einer "Hall of Fame" berühmter "Goethe-Imitatoren" wie Gerhart Hauptmann, der im Hotel Adlon Hof hält, Thomas Mann, Marcel Reich-Ranicki, Peter Hacks, bis hin zur letzten lebenden Goethe-Inkarnation Martin Walser.

Herbert Lachmayer
Wien, am 5. Juli 2008

Abbildung: Johann Heinrich Meyer, Zeus und Ganymed, Aquarell, nach 1794, Klassik Stiftung Weimar

Pèlerinages. Kunstfest Weimar
Stadtschloß, Burgplatz 4, 99423 Weimar
Die - So 10-18 Uhr

Führungen jeden So 11 Uhr. Anmeldung von Gruppen und Führungen unter 03643-545403

klassik-stiftung.de
24.08. - 2.11.2008

kunstfest-weimar.de





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