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Boris Lurie

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"I want to see how you see". Julia Stoschek Collection, Deichtorhallen, Hamburg


Eingabedatum: 30.07.2010

"I want to see how you see". Julia Stoschek Collection, Deichtorhallen, Hamburg

bilder


Einmal die Welt mit anderen Augen sehen, davon träumt vermutlich nicht nur Pippilotti Rist. Ihr Video „I want to see how you see“, dem die Ausstellung in den Hamburger Deichtorhallen ihren Titel verdankt, ist eine psychedelisch anmutende Kamerafahrt mit rauschhaften Bildern und einer nervtötenden Melodie, die sich durch den ganzen Ausstellungsraum loopt. Im wahrsten Sinne des Wortes gibt sie damit den Ton an und auch wenn man die Welt nicht unbedingt so sehen möchte wie die Schweizer Künstlerin, wirft Rist die für die Sammlungspräsentation wegweisende Frage: Wie haltbar ist die Behauptung der Abbildbarkeit von Realität in der Kunst? Die erste umfassende Präsentation von Julia Stoscheks Sammlung außerhalb ihrer Dependance in Düsseldorf lädt ein, die Welt aus vielfältigen künstlerischen Blickwinkeln zu entdecken.

Julia Stoschek, geboren 1975, kann als eine der wichtigsten Sammlerinnen zeitgenössischer Video-Kunst in Deutschland gelten. Ihre rund 400 Werke umfassende Sammlung mit dem Schwerpunkt auf Videokunst, Fotografie und Installation befindet sich in Düsseldorf, wo sie in wechselnden Ausstellungen der Öffentlichkeit zugänglich ist.

„Wanderlust“, das Musikvideo der isländischen Künstlerin Björk, lädt ein zu einer Reise in ein Zeichentrick-Wunderland. Auf dem Rücken eines Fabelwesens reitet die Kamera einen reißenden Fluss entlang, die vom Museum bereitgestellte 3D-Brille intensiviert die Eindrücke. Da bleiben alle Besucher gerne bis zum Ende des Videos sitzen und auch wenn sich die Frage aufdrängt, ob es sich hier vielleicht nicht doch eher um Unterhaltung denn Kunst handelt, geht Björks Ansatz.

Ein paar Schritte weiter sorgt der deutsche Künstler Wolfgang Tillmanns für das totale Kontrastprogramm. Sein Video „Peas“ zeigt nichts weiter als einen Topf mit sprudelndem Wasser, in dem Erbsen kochen. Dass es sich dabei keineswegs um eine objektiv wiedergegebene Realität handelt beweisen spätestens die immer deutlicher werdenden Hintergrundgeräusche einer Predigt. Sätze wie „You are never in danger!“ zeugen von einem eindeutig manipulativen Charakter und entlarven Tillmanns Arbeit als nur scheinbar der Wirklichkeit entlehnt.

So gesehen auch bei Andreas Gursky, der hier mit seiner fotografischen Arbeit „Rhein II“ vertreten ist. Wer mit der Arbeitsweise des 1955 in Leipzig geborenen Künstlers vertraut ist, weiß, dass Gursky seine Fotos mehrfach in aufwendiger Form bearbeitet, um seine eigene perfekte Version der Realität zu erschaffen.

Thomas Demand hingegen bastelt sich seine Wirklichkeit auf eine andere Art zusammen. Ganz klassisch, mit Schere und Papier, baut er aus der Erinnerung Szenerien nach, die das kollektive (deutsche) Gedächtnis geprägt haben, um sie im Anschluss zu fotografieren und das Original zu zerstören. Seine Arbeit „Badezimmer“ aus dem Jahr 1997 spielt auf den niemals aufgeklärten Tod des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel an, dessen Leiche in einem Hotelbadezimmer gefunden wurde. Das entscheidende Detail – der tote Körper – fehlt. Die als authentisch ausgegebene Erinnerung liefert nur ein bruchstückhaftes Abziehbild.

Mehrfach in der Sammlung vertreten sind feministische Positionen, aus den Anfängen der Videokunst (Martha Rosler, Steina Vasulka, Hannah Wilke und andere), ebenso wie zeitgenössische Arbeiten. Alex McQuilkin etwa thematisiert in ihrer Videoarbeit „Fucked“ die Rolle der Frau zwischen Subjekt- und Objekthaftigkeit und verzerrt mit ihrer Besetzung des vermeintlich männlichen Parts, der in Wahrheit von einer Frau gespielt wird, ein weiteres Mal die von der Kamera eingefangene Realität.

Der Verdacht der Selbstinszenierung, der sich beim Betrachten des Ausstellungsplakats, das die Sammlerin im Halbprofil und mit adretter Kapitänsmütze zeigt, bestätigt sich nicht. Selbst das Porträt von Thomas Ruff „Porträt 2009 (J. Stoschek)“ drängt sich dem Betrachter keineswegs auf, hält sich im Gegenteil sowohl was seine Hängung als auch seinen reduzierten, für den Künstler typischen Stil betrifft, dezent zurück.
Klug platzierte Wandtexte geben einen kompakten Überblick über die ausgestellten Künstler und deren Werke. Darüber hinaus empfiehlt sich ein Blick in den gelungenen Ausstellungskatalog.

Am Ende des Rundgangs stößt man auf einen etwas anderen Entwurf der Realität: Paul Chan läutet mit „Happiness (Finally) After 35,000 Years of Civilization (after Henry Darger and Charles Fourier)“ die digitale Endzeit ein. Die in ihrer Ästhetik an Second-Life erinnernde Evolutionsgeschichte, die in einer konsequenten Zerstörung mit apokalyptischem Ausmaß endet, lässt den Betrachter verstört zurück.

Wie wollen wir die Wirklichkeit sehen? Welchen Beitrag dazu leisten Künstler und Kunstwerk? Und wie leicht ist die Konstruktion vermeintlicher medialer Objektivität zu entlarven? Am Ende erinnert man sich an Pippilotti Rists lautstarken Wunsch nach einem Perspektivwechsel. Eine Ausstellung wie diese ist schon mal ein guter Anfang. Man wünscht Julia Stoschek für ihre Tätigkeit als Sammlerin weiterhin soviel Gespür für gute Arbeiten und vielversprechende Künstlerpositionen.

Abbildung:
- Björk (Encyclopedia Pictura): Wanderlust (3-D), 2008. Stereoskopische, digitale Videoinstallation. 7:27 min., Farbe, Ton, Edition 6. Courtesy of One Little Indian
- Lynda Benglis. “Female Sensibility,” 1973. Courtesy Electronic Arts Intermix (EAI), New York. Credit is a condition of use for each image. The full credit line as worded below must appear directly under the reproduction, on the page facing, or on the reverse. eai.org

Ausstellungsdauer: 16. April bis 25. Juli 2010

Deichtorhallen
Deichtorstrasse 1-2
20095 Hamburg

deichtorhallen.de

Eva Biringer





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