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Boris Lurie

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Spezial: Alina Szapocznikow im WIELS, Brüssel



Alina Szapocznikow, Petit Dessert I (Small Dessert I), 1970-1971. Kravis Collection © The Estate of Alina Szapocznikow - Piotr Stanislawski, Photo Roland Schmid

Im Rahmen der polnischen EU-Präsidentschaft ist in den eindrucksvollen Ausstellungsräumen des WIELS, das sich in einer alten Brauerei am Südbahnhof in Brüssel befindet, eine Retrospektive der polnischen Künstlerin Alina Szapocznikow (1926 – 1973) zu sehen. Das Kunstzentrum, das 2007 eröffnet wurde, bezeichnet sich als internationales Labor für zeitgenössische Kunst. In den letzten Jahren gab es u.a. Ausstellungen von Francis Alÿs, Felix Gonzales Torres und Simon Starling.

In der aktuellen Ausstellung "Sculpture Undone" mit Arbeiten von Alina Szapocznikow werden die Gefühle, Erfahrungen und Grenzen der menschlichen Körper erforscht und dargestellt. Sie selbst sagte: „Ich bin davon überzeugt, dass unter allen Erscheinungsformen der Vergänglichkeit der menschliche Körper der sensibelste ist. Er ist eine einzige Quelle jeglicher Freude, jeglicher Schmerzen und jeglicher Wahrheit.“

Über 100 ihrer Skulpturen und Zeichnungen sind auf drei Etagen verteilt in der Ausstellung zu sehen. An den Wänden hängen Bleistift- und Tuschezeichnungen, die sie über die Jahre teils als eigenständige Werke, teils als Skizzen für Skulpturen anfertigte. In diesen Werken schafft es die Künstlerin, mit nur wenigen weichen Strichen Körper anzudeuten. Auch viele ihrer frühen Bronzeskulpturen stellen weibliche Körper dar; teils figurativ, wie in dem Selbstportrait „Naga (Nackt)“ (1961), teils in abstrakten und fließenden Formen, wie in „Exhumed (Ausgegraben)“ (1957). Diese Arbeit erinnert stark an einen durch Krieg und Folter verstümmelten Körper und verarbeitet, wie viele ihrer Arbeiten, schlimme persönliche Erfahrungen der Künstlerin: Die jüdische Bildhauerin wurde während des zweiten Weltkriegs in verschiedenen Konzentrationslagern, darunter Bergen-Belsen und Auschwitz, eingesperrt. Sie überlebte dank der Tätigkeit ihrer Mutter als Ärztin und ihrer eigenen Funktion als deren Assistentin.

Szapocznikows Leben, geprägt durch Leiden und politische Zensur, doch auch durch Erfolg und Lebensmut, endete frühzeitig: Mit nur 47 Jahren starb die Künstlerin an Brustkrebs. Eine Auseinandersetzung mit Tod und Leid ist in vielen ihrer Skulpturen zu sehen, so in ihren späten Werken, in denen sie mit Polyesterschaumstoff experimentiert. Aus Kunstharz gefertigte Busen und Beine werden wie in „Headless Torso“ (1968) von schwarzem Schaum umgeben und scheinen fast in ihm zu versinken. In anderen Werken wurden während des Arbeitsprozesses Gesichter aus Polyesterschaum und Kunstharz vor dem Trocknen an die Wände gehängt, wodurch sie sich zu unmenschlichen Grimassen verzerrten. Wie Schrumpfköpfe liegen 15 verkrümmte Gesichter auf Geröll; „Tumors personified“ (1971), nannte Szapocznikow diese eher makabere Installation. Ähnlich beklemmend ist „Alina’s Funeral“ (1970), welches die eigene Beerdigung der Künstlerin durch die Einarbeitung ihrer Fotografien und Kleidungsstücke in die aus Kunstharz geformten Körperteile darstellt.

Ihr späteres Werk unterscheidet sich stark von den Bronzeskulpturen der frühen Jahre. Hier wird der menschliche, vor allem weibliche Körper auf andere Weise dargestellt: Bunte, aus Kunstharz gegossene Münder und Brüste werden, vom Rest des Körpers getrennt und teils von innen durch Glühbirnen beleuchtet, wie in modernen Designläden präsentiert. Dieses Objekthafte des weiblichen Körpers erinnert an das Werk der Surrealisten, an Hans Bellmer oder Man Ray. Im Gegensatz zu jenen stellt Szapocznikow jedoch die Körperteile sehr real und wenig idealisiert dar, wie in ihrer Gipsplastik „Small Bellies“ (1968), die den Ausschnitt eines Bauches, samt Nabel und Speckfalten, zeigt. Auch die sinnlichen weiblichen Münder in der Serie „Dessert I-V“ (1971), die, wie bereit zum Verspeisen auf Dessertschälchen serviert werden, wirken zwar einerseits fragmentiert und sexualisiert, andererseits erscheinen sie durch die Benutzung ihres eigenen Körpers als Vorlage, echt und verletzlich.

Der Aufstieg in die letzte, etwas versteckte Etage des Museums lohnt sich schon wegen der weitreichenden Aussicht über die Stadt. Dort oben werden Fotografien, Zeitungsartikel und ein Video-Interview präsentiert. Besonders in diesen Dokumenten kommt der bemerkenswerte Lebensmut der Künstlerin zur Geltung, der es schaffte, einem noch so schweren Leben zu trotzen. Szapocznikow hinterlässt ein spannendes und facettenreiches Werk.

Die Ausstellung wird nächstes Jahr auch im MOMA in New York zu sehen sein.

Alina Szapocznikow – „Sculpture Undone, 1955 – 1972“

Öffnungszeiten: Mi – So 11-18 Uhr

WIELS Contemporary Art Centre
Avenue Van Volxemlaan 354
1190 Brüssel, Belgien
wiels.org

Teresa Reichert





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Alina Szapocznikow:


- Art Basel 2013

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