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Ute Friederike Jürß

Die Zeit hält den Atem an

22. 01. - 19. 02. 2017 | ERNST BARLACH HAUS, Hamburg

Ute Friederike Jürß (*1962) stellt zwei großformatige Videoprojektionen und eine neue, in Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller Feridun Zaimoglu realisierte Audioarbeit vor: Die Zeit hält den Atem an (2005), Der Denunziant (2008) und Pause oder Geschichten, über die man nicht spricht (2016) erkunden im Dialog mit der Sammlung des Ernst Barlach Hauses gesellschaftliche und zwischenmenschliche Spannungsfelder. Ute Friederike Jürß schreibt über ihre Arbeiten:

In einer Turnhalle sind sechzig Personen versammelt. In Decken gehüllt, gleich einem Schutzmantel, der vorübergehend Wärme und Geborgenheit zu spenden scheint, kauern die Versammelten nahezu regungslos ein jeder auf seinem zugewiesenen Platz – ausharrend und still. Offensichtlich handelt es sich bei dieser zufällig geeinten Gruppe um eine Notgemeinschaft.
Ein Rhythmuswechsel hat stattgefunden, dem ein unerwähnt bleibendes Ereignis vorangegangen zu sein scheint. Als hätte ein unsichtbarer Kran die Versammelten ausweglos in eine neue zeitliche Dimension gehoben – ausgesetzt einer dem Alltag fernen Zeitrechnung. Als Folge bleibt eine nicht kalkulierbare Zwischen-Raum-Situation.

Dieses kollektive Ausgeliefertsein verwischt scheinbar die persönlichen Grenzen. Wahrgenommen wird die Gruppe. Gewohnte Selbstdarstellungen treten in den Hintergrund, werden unwichtig – und dennoch leuchtet jeder Einzelne in den charakteristischen Zügen des jedwed eigenen puren ›Seins‹ daraus hervor – eingehüllt in blanke Passivität.
Die Betrachter der Installation nähern sich der im disziplinierten Warten verharrenden Zufallsgemeinschaft auf der Suche nach Entschlüsselung. Bereits Erlebtes, im Gedächtnis Verschüttetes wird herausgehoben, um es mit der abgebildeten Situation in Einklang zu bringen, und wenn es sich auch nur um massenmedial vermittelte Bilderfluten handelt, die von der Erinnerung freigegeben werden. Gedankliche Rückschlüsse und Spekulationen der Ausstellungsbesucherinnen und -besucher sind das niemals einzufangende, unvorhersehbare, stille und offene Ergebnis der Installation.

Vierzehn Herren befinden sich in einem Raum. Jeder hält ein Weinglas in der Hand. Man flaniert, kleine Gruppen bilden sich, lösen sich auf. Eine Situation ähnlich einer Cocktailparty, hier jedoch ohne vernehmbaren Text, still. Die akustische Ebene ist ausgeblendet. Jeder beobachtet jeden. Keiner kennt den anderen näher, alle scheinen voneinander zu wissen. Etwas steht im Raum, bleibt verborgen, wird offensichtlich hinter vorgehaltener Hand verhandelt.

Aus zwei unterschiedlichen Perspektiven, im Neunzig-Grad-Winkel zueinander, nehmen die beiden Kameras Überwachungsstandorte ein. Es entstehen Schwarzweißfotos, Stills, die den Moment bannen, um damit den oder die jeweils Abgebildeten zu fixieren. Ein Moment (eine Person) wird unter die Lupe genommen.

Die beiden parallel projizierten Bildströme bilden gemeinsam zeitgleich die im Raum stattfindende Situation ab, lösen sich für kurze Phasen voneinander, um sich anschließend wieder zu verbinden. Augenblicke laden sich auf und gewinnen an interpretatorischem Gewicht – manipulieren. Der potentielle Denunziant formt die innere Haltung und die Sichtweise der Betrachterinnen und Betrachter.

Fiktive Texte. Nichts ist real, und alles scheint dennoch direkt der Realität entstiegen, mit Phantasie überhöht und dadurch so nah an der Wirklichkeit. Von Feridun Zaimoglu geschrieben und eingesprochen, bilden drei akustische Miniaturen den Ausgangspunkt für drei Textklangräume. Im Atrium des Ernst Barlach Hauses können Besucherinnen und Besucher diese Räume über Kopfhörer ›betreten‹: Einladungen in drei Welten zwischen Zäsuren, Wortgrenzen und Atempausen.

Die vorgestellten Figuren sind die unauffällig Unterschiedenen, die dezent Aussortierten, die bei laufendem Betrieb aus dem Geschehen retuschierten Systempausen. In inhaltlicher Großaufnahme werden Augen- (Ohren-) blicke vorgestellt: kleine, detailliert beschriebene Momente aus Lebensgeschichten, über die man nicht spricht. Verhaltensspitzen, surreale Alltäglichkeiten. Überhörtes Übersehener.

ERNST BARLACH HAUS – Stiftung Hermann F. Reemtsma, Jenischpark, Baron-Voght-Straße 50a, 22609 Hamburg

barlach-haus.de

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