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Hartwig Piepenbrock, ein Interview mit dem Sammler (Jan 03)


Eingabedatum: 15.01.2003

Hartwig Piepenbrock, ein Interview mit dem Sammler  (Jan 03)

bilder


Der Unternehmer und Kunstsammler Hartwig Piepenbrock gründete 1988, anläßlich des 75jährigen Firmen-Jubiläums, die nach ihm benannte Kulturstiftung, deren Engagement sich u.a. auf den höchstdotierten Skulpturen Preis in Europa - den "Piepenbrock Preis für Skulptur" -, den "Piepenbrock Nachwuchspreis für Bildhauerei" (beide werden in Berlin verliehen) und auf Aktivitäten an der Universität Osnabrück erstreckt.

piepenbr

Im folgenden lesen Sie ein Interview, in dem der Sammler Auskunft über seine Interessen und Intentionen im Hinblick auf Kunstsammeln gibt:

Carola Hartlieb: Herr Prof. Piepenbrock, Sie haben einmal in einem Interview gesagt, dass Sie als Jugendlicher lieber Kunstbücher durchblättert als bspw. Karl May gelesen haben. Hatten Sie jemals den Wunsch, selbst Künstler zu werden?

Hartwig Piepenbrock: An meinem früheren Gymnasium gab es zwar einen Kunsterzieher, mit dem wir zu damaliger Zeit gezeichnet, aus Ton modelliert oder Linoldrucke gemacht haben, der uns sozusagen langsam an die Kunst heranführte. Aber die Idee, daraus einen Beruf zu machen und selbst Künstler zu werden, ist mir nie gekommen.
Ich habe allerdings schon einmal versucht, nachdem ich keinen vernünftigen Couchtisch zu kaufen bekam, einen Tisch selbst zu entwerfen, bestehend aus zwei Würfeln und einer Glasplatte (ein Würfel ist in der Diagonale, der andere ist auf gleicher Höhe geschnitten), aber das war es dann auch schon.

C.H.: Der Sammler Heiner Pietzsch verglich seine Kunst-Sammelleidenschaft einmal mit einer Drogensucht, er sagte: Sammeln ist wie eine Rauschgiftabhängigkeit – nur nicht so schädlich für die Gesundheit? Gibt es da Parallelen zu Ihrer Haltung gegenüber dem Kunstsammeln?

H.P.: Als Sammler ist man immer auf der Suche nach etwas Neuem, auch danach, eine Sammlung zu komplettieren und auszugestalten. Das heißt, Sie versuchen innerhalb eines Künstler-Oevres, Vollständigkeit zu erreichen. Oder aber Sie versuchen, eine Vielzahl an Werken verschiedener Künstler aus einer Kunstrichtung zusammenzutragen.
Eine Droge ist Sammeln aber in diesem Sinne für mich nicht. Ich muß mich als Privatmann genau so verhalten wie ein Museumsdirektor, der über einen gewissen Etat für einen bestimmten Zeitraum verfügt. Der Etat wird von vornherein festgelegt und muß vernünftig eingesetzt werden. Es erscheint mir unangemessen, heute bereits den Etat für 2004 oder 2005 zu verbrauchen. Sammeln würde für mich dann keinen Spaß mehr machen.

C.H.: Sie haben ursprünglich damit angefangen, Expressionisten zu sammeln ...

H.P.: Ja, sie wurden nur relativ schnell sehr teuer. Danach gab es eine kurze Zwischenstation bei den "Neuen Wilden", bevor ich schließlich mein Interesse für die informelle Malerei entdeckte. Das kam durch eine Begegnung mit Bernard Schultze sowie durch Bekanntschaften mit Emil Schumacher und Fred Thieler. Alle drei sind verstärkt in meiner Sammlung vertreten.
Eine Erweiterung meiner Sammelinteressen ergab sich 1989, allerdings noch vor der Maueröffnung. Im Martin-Gropius-Bau fand eine Ausstellung statt. Dort besuchte ich die große Retrospektive von Bernhard Heisig. Heisigs Triptychon "Zeit der Haie" zog mich besonders in seinen Bann, so dass ich es später ankaufte und meine Sammlung im Hinblick auf die ostdeutsche Kunst ausbaute. Dementsprechend läßt sich an meiner Sammlung eine spannende Beziehung zwischen informeller Malerei aus dem Westen und postexpressionistischer Malerei aus dem Osten ablesen. Das ist mittlerweile auch der Sammlungsbereich, der mich mit am meisten interessiert und den ich weiter pflegen möchte.

C.H.: Wie gehen Sie als Sammler damit um, wenn sich der Kauf bestimmter Werke (bspw. die der Neuen Wilden) aus der Kunstmarktperspektive als wirtschaftlicher Mißerfolg erwiesen hat ?

H.P.: Ich kaufe ja Bilder nicht wie Aktien, sondern weil sie mir gefallen. Ob sie dann teurer werden oder weniger wertbeständig sind, interessiert mich sekundär. Aber, natürlich investiert niemand gern in ein teures Bild, das nachher nur einen Bruchteil seines ursprünglichen Wertes hat. In erster Linie kaufe ich Kunst, die bereits einen gewissen Marktwert besitzt und Qualität verkörpert, wie bspw. die Werke von Horst Antes, Walter Stöhrer, Max Uhlig oder Harald Metzkes.
Allerdings nehme ich auch weniger bekannte Namen in meine Sammlung auf, das heißt, ich experimentiere in überschaubaren Grenzen, so etwa im Rahmen des Kunstförderpreises am Fachbereich Bildende Kunst/Kunstpädagogik an der Universität Osnabrück. Seit 1994 vergeben wir den Preis dort jedes Jahr an junge Studierende und kaufen Arbeiten an. Nach fünf Jahren Förderung haben wir erstmals eine Ausstellung mit den angekauften Werken gemacht, was natürlich mehr als bloße Dokumentation war. Nach zehn Jahren soll erneut eine Ausstellung mit den Studierenden in Osnabrück eröffnet werden. So können wir über einen bestimmten Zeitraum darstellen, wie sich das Kunstschaffen am Fachbereich entwickelt.

C.H.: Gibt es etwas an junger Kunst, dass Ihnen besonders zusagt?

H.P.: Zweifellos gibt es junge Kunst, die mich begeistert. Junge Kunst ist natürlich oft sehr großflächig, so dass es manchmal schwierig ist, alles, was man kaufen möchte, auch unterzubringen. Ich sammle nun mal nicht für ein Archiv; ich sammle aktiv, um Kunst an den Wänden entweder hier im privaten Bereich oder in meinem Unternehmen auszustellen.
Weniger interessant ist für mich bspw. junge Kunst im Kontext von Videoinstallationen. Doch im Gegensatz zu einem Museumsdirektor kann ich mich in diesem Fall von meinem subjektiven Empfinden leiten lassen.

C.H. Was denken Sie als erfolgreicher Unternehmer, welche gesellschaftliche Verantwortung ein Unternehmer hierzulande gegenüber der Kultur trägt?

H.P.: Wenn Unternehmer finanziell über die Möglichkeit verfügen für Kultur "Geld locker zu machen", sollten sie dies unbedingt tun. Die Bittgesuche, die täglich über meinen Schreibtisch wandern, sind gewaltig, so dass man Zeichen setzen muß und lieber "klotzen" als ständig nur "kleckern" sollte. Es kann natürlich nicht alles in die bildende Kunst fließen, jedem ist freigestellt, welches Profil er sich geben will, jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten. Aber selbstverständlich ist es nicht die Aufgabe eines Unternehmers, für den Staat einzuspringen, wenn der kein Geld mehr hat.

C.H.: Manche Kulturinstitutionen, Kritiker und auch Künstler fürchten den stärker werdenden Einfluß der Privaten. Ist diese Furcht aus Ihrer Sicht gerechtfertigt?

H.P.: Kunst und Gesellschaft sind so vielfältig angelegt, dass ich mir eine Manipulation besonders in bezug auf Kunst nicht vorstellen kann. Selbst, wenn die Deutsche Bank nur einen bestimmten Künstler oder eine bestimmte Kunstrichtung fördern würde, nimmt der Markt dies zwar wahr, aber er wird nicht ernsthaft davon beeinflußt. Diese Problemstellung sehe ich als überspitzt und überzogen an.
Natürlich kann man sagen, wenn ein Sammler seine Sammlung einem Museum übergibt und die Übergabe mit bestimmten Auflagen versieht, sie z. B. ständig zu zeigen, oder das Museum gar noch mit seinem Namen ausstaffiert, könnte das den musealen Bereich belasten. Aber dafür sind die Museumsexperten ja ausgebildet, um u.a. zu erkennen und zu unterscheiden, was Scharlatanerie und was Qualität ist.

C.H.: Eine andere Tendenz besteht im Rückzug des Staates aus seiner Verantwortung gegenüber dem Kulturbereich und der Hoffnung, dass die Wirtschaft diese Aufgabe übernehmen wird. Empfinden Sie diese Tendenz als berechtigt, bzw. was wären Ihre Forderungen an die Politik bspw. in bezug auf das Stiftungsrecht?

H.P.: Das Stiftungsrecht als solches muß erweitert werden, damit vernünftige, steuerliche Voraussetzungen entstehen. Wenn ich mich an die Diskussionen von Herrn Eichel erinnere, der die Spenden als nicht mehr abzugsfähig für Unternehmen machen wollte, wäre das eine Katastrophe sowohl für künstlerische als auch für soziale Zwecke gewesen. Es müssen einfach großzügigere Rahmenbedingungen geschaffen werden: so darf es z. B. nicht zu Diskussionen mit der Finanzverwaltung kommen, bestimmte Veranstaltungen, die für die Kunst gemacht wurden, als abzugsfähige Ausgabe in Frage zu stellen. Solche Diskussionen verderben einem natürlich die Freude. Aus diesem Grund müßte sicher gestellt sein, dass im Umgang mit Stiftungen, Spenden usw. anders verfahren wird als das momentan der Fall ist.

C.H.: Zum Abschluß möchte ich Sie noch zur Zukunft Ihres kulturellen Engagements befragen: Wie sieht die Zukunft der Kulturstiftung Hartwig Piepenbrock aus?

H.P.: Die Stiftung wurde ja angesichts unseres 75jährigen Geschäftsjubiläums ins Leben gerufen. Sie hat die Aufgabe bestimmte Funktionen im kulturellen Bereich zu begleiten, ursprünglich mit sehr starkem Osnabrückbezug aufgrund der Unternehmensansiedlung, was sich bspw. gegenüber der Universität Osnabrück sehr deutlich zeigt. Dort fördern wir u.a. am Lehrstuhl für Alte Geschichte eine Bibliothek für Wissenschaft und Forschung und außerdem die Aktivitäten um die Varusschlacht, die 2009 ihr 2000jähriges Jubiläum begeht.
Natürlich ist es auch Aufgabe der Stiftung, den Förderpreis zu begleiten, aber die finanziellen Bedingungen stellt die Unternehmensgruppe. Der Stiftung fehlen hierfür die Mittel, sie verfügt über eine Kapital von 500.000 Euro, das heißt bei einer Verzinsung von 5% sind das jährlich 25.000 Euro, mit denen sich natürlich keine Riesensprünge machen lassen. Doch sobald die steuerlichen Voraussetzungen geschaffen werden, soll die Stiftung weiter ausgebaut werden, vorausgesetzt die wirtschaftliche Lage läßt es zu.

C.H.: Und die Zukunft Ihrer Sammlung und des Piepenbrock Preises für Skulptur?

H.P.: Die Sammlung soll weiter ausgebaut werden, vielleicht in Zukunft mit einigen Umschichtungen und der Skulpturenpreis soll fortgesetzt werde. Im Augenblick ist die Stimmung natürlich im Hinblick auf die wirtschaftliche Landschaft nicht sonderlich gut, um Kunst zu kaufen.
Bezüglich des Skulpturenpreises haben wir mit den Staatlichen Museen zu Berlin eine Vereinbarung über 5 Vergabe-Sessionen getroffen. Drei Mal wurde er bisher in Berlin vergeben, das erste Mal an Ulrich Rückriem, das zweite Mal an Eduardo Chillida und das letzte Mal an Anthony Cragg. Die beiden nächsten Veranstaltungen sind bereits festgelegt, und da die Zusammenarbeit mit dem Hamburger Bahnhof sehr gut funktioniert, sehe ich keine Veranlassung, an diesem Zustand etwas zu verändern.

Herr Prof. Piepenbrock wir danken Ihnen für das Gespräch.


ch





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