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Boris Lurie

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Gesamtkunstwerk: New Art from Germany in der Saatchi Galerie, London



Isa Genzken, Blick in die Ausstellungsräume

Ausstellungsrückblick: Gesamtkunstwerk: New Art from Germany in der Saatchi Galerie, London

Beim Betreten des eindrucksvollen Gebäudes der Saatchi Galerie in der Nähe des schicken Londoner Sloane Squares erinnerte ich mich sofort an diesen Geruch. Seit der Eröffnung des neuen Standortes der Galerie im Oktober 2008 riecht es im ersten Ausstellungsraum merkwürdig süßlich-sauer. Der Geruch stammt von Liu Weis „Love it! Bite it!“, einer Installation, die aus Hundekauknochen Städtelandschaften darstellt. Sie war in der ersten Ausstellung in den neuen Räumen zu sehen, die sich neuer Kunst aus China widmete. Die Kritiken gingen weit auseinander. Mit durchschnittlich 5200 Besuchern am Tag war diese Ausstellung nach Jahren ohne festen Standort für Saatchi auf jeden Fall ein voller Erfolg. In den darauffolgenden Ausstellungen widmete sich der wohl berühmteste englische Kunstsammler dem Nahen Osten, den USA, Indien und seinem heimischen England. Und dann: New Art from Germany.

24 Künstler, teils Deutsche, teils in Deutschland arbeitende ausländische Künstler, wurden in dem vierstöckigen Gebäude ausgestellt. Skulpturen, Gemälde und Druckgrafik überwogen, ein paar wenige Fotografien waren dabei, kein Video, keine neuen Medien. Auch die verwendeten Materialien, die besonders in der chinesischen Ausstellung so herausstachen – Räucherstäbchenasche, Wachs oder eben Hundekauknochen – waren bei den ausgewählten deutschen Künstlern eher traditionell: Öl, Leinwand, Holz, aber auch viele, in minimalistische Skulpturen verwandelte, Alltagsgegenstände. So lässt zum Beispiel die aus Norwegen stammende Ida Ekblad Wellblechplatten und Zaunstäbe in Zement ein. Isa Genzken hingegen benutzt in ihren bunten Skulpturen Gebrauchsgegenstände von Tennisschlägern bis Rollstühlen.

Die sehr großen, hellen Räume der Galerie mit einer Gesamtfläche von 4500 qm boten viel Platz für die Entfaltung der vorwiegend großformatigen Werke. Manche der Ausstellungsräume waren einem Künstler gewidmet, vorwiegend teilten sich jedoch zwei bis drei sich gut ergänzende Künstler den Platz. So beispielsweise Jutta Koether mit ihren bunten, abstrakten Ölgemälden und Alexandra Bircken mit ihren fragilen Skulpturen. Bircken benutzt metallene Spannrahmen, denen sie natürliche Materialien wie Holz, aber auch Wolle oder Schaumstoff mit Stahldrähten anhängt. Viele der ausgestellten Werke sind, vielleicht gerade durch den Gebrauch der eher klassischen Materialien, ästhetisch sehr ansprechend. Gert und Uwe Tobias großformatige bunte Holzschnitte überzeugten mich durch ihre gedeckten Farben und geometrischen Formen, die an Fabelwesen aus meinen Kinderbüchern erinnerten.

Aber etwas fehlte mir. Vielleicht waren es die raumfüllenden Installationen oder die politisch kritischen Werke in den vorherigen Ausstellungen. Vielleicht waren es die Fotografien und Videos, die die Ausstellung sinnvoll ergänzt hätten. Vielleicht war es auch einfach das Gefühl, das diese ausgewählten Werke quasi repräsentativ für die derzeitige Kunstszene eines ganzen Landes stehen sollen.
Dieses Konzept, Kunst aufgrund ihres Entstehungsortes in einer Ausstellung zusammenzustellen, ist nicht grundsätzlich schlecht, bietet es doch die Möglichkeit, sich einen Überblick zu verschaffen. Und gerade bei Kunst aus Regionen wie China oder dem Nahen Osten ist eine Ausstellung dieser Größenordnung eine Riesenchance besonders für junge Künstler.

Doch das Problem ist, dass es sich bei einer solchen Herangehensweise um eine subjektive Auswahl handelt. Welcher Künstler der jeweiligen Regionen gerade neu, interessant und sehenswert ist – entscheidet Saatchi. Und das, was Saatchi aussucht, wurde „bekanntermaßen“ lange Zeit Trend und wird immer noch von vielen gesehen und teuer verkauft.

Für mich schleicht sich bei der maßgebenden Rolle Saatchis ein ungutes Gefühl ein. Die Ausstellung hielt nicht unbedingt, was der Titel Gesamtkunstwerk: New Art from Germany“ verspricht.

Zu Saatchis Galeriekonzept gehört übrigens, dass der Eintritt frei ist und vielfältiges Informationsmaterial zur Verfügung gestellt wird, wobei die Schilder an den Wänden nur das Wichtigste verraten: Künstler, Titel, Jahr und Material. So ließ sich die Ausstellung ganz frei von aufgedrückten Interpretationsversuchen erleben. Interessant war außerdem, dass die Kunstwerke nicht abgesperrt waren und selbst Fotografie erlaubt wurde. Dies kommt mir in diesem kameraüberwachten London, wo Lautsprecheransagen mich daran erinnern, das Ende der Rolltreppe nicht zu verpassen, sehr frei vor.

Schade war eigentlich nur, dass bei Richard Wilsons toller Installation „20:50“, die permanent im Untergeschoss der Galerie untergebracht ist, dem Besucher aber im spannendsten Moment der Zutritt verweigert wird. Vor Jahren, noch in Saatchis altem Gebäude, konnte ich durch den dafür vorgesehenen Einschnitt in diese Installation hineinlaufen. Erst in diesem Augenblick wurde mir bewusst, dass die spiegelglatte Oberfläche aus Erdöl besteht und ich mich gerade in einer Art See aus Öl befinde. Jetzt kann man das Ganze nur aus sicherer Entfernung betrachten – und riechen. Rückblickend vermittelte so der Ausstellungsbesuch, wenn auch nicht unbedingt eine objektive Übersicht der neuen Kunst aus Deutschland, doch wurde er durchaus olfaktorisch zum Erlebnis.

Fotos: Teresa Reichert

Gesamtkunstwerk: New Art from Germany, 18.11.2011 - 15.04.2012
Öffnungszeiten: täglich 10 – 18 Uhr, Eintritt frei
Saatchi Gallery
Duke of York HQ
Kings Road
London SW3 4RY
www.saatchi-gallery.co.uk

Teresa Reichert





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