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Boris Lurie

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Craigie Horsfield - Slow Time and the Present



Craigie Horsfield, Standbild/film still, Arbeitsmaterial zur geplanten Arbeit für die Ausstellung in der Kunsthalle Basel 2012

Die Ausstellung Slow Time and the Present geht von der Vorstellung aus, dass die Vergangenheit, wie wir sie begreifen, Teil der Gegenwart ist ‒ einer Gegenwart mit einer Ausdehnung. In dieser tiefen oder tiefgreifenden Gegenwart, macht unser Denken der Vergangenheit jenen Teil unserer Erfahrung aus, für den keine andere Quelle verfügbar ist. Die scheinbare Andersartigkeit der Vergangenheit, ihre Unzugänglichkeit für uns, ihre Fremdheit wie auch ihre Vertrautheit sind nicht Aspekte einer Vergangenheit, die anderswo und entfernt von uns existierte, sondern einer Gegenwart, die komplex und oft undurchsichtig ist. Der Titel Slow Time and the Present bezieht sich auf einen Sinn für die Dauer unserer Aufmerksamkeit und für ein anderes Leben als das des hektischen und oftmals entfesselten Ansturms der Alltagserfahrung, der uns von einer bewusst gelebten Gegenwart entfernt. Er bezieht sich auf die Vorstellung einer Gegenwart, in der wir wahrhaft beheimatet sein können, einer erweiterten oder tiefen Gegenwart.

Vor rund zwanzig Jahren wurden die Vorstellungen der „langsamen Zeit“, mit denen ich mich seit dem Ende der sechziger Jahre beschäftigt hatte, erstmals mit früheren Arbeiten von Historikern wie Fernand Braudel (1902–1985) in Zusammenhang gebracht. Gemeinsam mit anderen hatte Braudel ein Theoriegebäude entwickelt, das unter dem Begriff der „langsamen Geschichte“ bekannt wurde. Diese Konzeption von Geschichte enthielt sich einer Darstellung der Vergangenheit als Chronik grosser Ereignisse und Herrscher und setzte ihr die Alltagsgeschichte entgegen, die sie mittels Aufzeichnungen von kleinen Gemeinschaften und deren Institutionen, wie etwa Rechtsurkunden, Petitionen, Abschriften von Zeugenaussagen und Dokumenten aus den Archiven der Kirchengerichtshöfe, nachzeichnete. im Zentrum dieses neuen Begriffs der Geschichte stand die Auffassung, dass Gesellschaften und Kulturen sich kaum infolge bedeutsamer Ereignisse veränderten, dass es darüber hinaus sogar einen gewissen Widerstand gegen die weitreichenden Konsequenzen solcher Ereignisse gäbe. die „langsame Geschichte“ wandte sich der Beobachtung und Beschreibung von Gewohnheiten, Bräuchen und den wiederholten ritualen des Alltags zu. sie richtete ihre Aufmerksamkeit vor­ zugsweise auf die kleinen, graduellen Veränderungen im Laufe der Zeit so­ wie auf eine langsam vonstatten gehende Entwicklung von Kultur und Gesellschaft. auch wenn sicherlich Verbindungen zwischen meiner Arbeit und der „langsamen Geschichte“ bestanden, insbesondere bei den sozialen Projekten, mit denen ich mich beschäftige, und der Politik, die mein Vorhaben zu großen Teilen beeinflusst hat, unterschieden sich die Vorstellungen einer „langsamen Zeit“, die ich entwickelt hatte, radikal von denen der „langsamen Geschichte“. Die „langsame Zeit“ betrifft zuallererst die Gegenwart.

Die Arbeiten in der Ausstellung beziehen sich auf Vorstellungen der Relation, des Gesprächs und der Kunst als gemeinschaftlich erzeugter sozialer Konstruktion. Der englische Begriff relation vereint zwei Bedeutungen, die sich parallel durch die Ausstellung ziehen. Zunächst bezeichnet er die Art und Weise, wie wir uns zueinander stellen und uns wechselseitig Realität verleihen. Darüber hinaus bedeutet relation auch die Mitteilung oder die Teilhabe an einer Beschreibung der Welt, unser Sprechen über und zueinander über unsere Erfahrungen und Wahrnehmungen. In diesem Sinne kann relation als ein Geschichtenerzählen verstanden werden, das als gemeinsames Denken begriffen und erfahren wird.

Wir erschaffen die Kunst gemeinschaftlich durch unsere Interpretation, unsere Aufmerksamkeit, unser Erkennen sowie durch die Arten der Übersetzung unserer Erfahrung. Wir sind es, die die Ergebnisse hervorbringen, in denen sich die Bedeutung von Kunst realisiert. Wir als Publikum, als Betrachter oder Leser, schaffen das Werk in und durch unsere Gegenwart, jene Gegenwart, von der sowohl die Vergangenheit wie die Zukunft, Folge und Wirkung, abhängen. Das Werk ereignet sich in unserem gemeinsamen Nachdenken, in unseren Gesprächen und im Herstellen einer relation, die über den Raum des Museums hinausgeht.

Die stoffliche Substanz ist nur einer von vielen Bestandteilen von Kunst. Dies mag als Beschreibung einer Ausstellung von Dingen mit einer starken physischen Präsenz – Wandteppiche, Fresken und Drucke - zunächst sonderbar erscheinen. Zwischen dem konzeptuellen Spiel der Repräsentation und der nachdrücklichen Stofflichkeit der Materialien und Oberflächen besteht eine Spannung, die mit der immateriellen Flüchtigkeit des Bewusstseins in seiner Beschreibung - oder Erzählung - der phänomenalen, physischen Welt, der Welt, mit der wir uns gemeinsam mit anderen auseinandersetzen, korrespondieren soll. Und in unserer Hinwendung zum Werk stellen wir Assoziationen mit Dingen her, die wir aus unserer Erfahrung kennen, mit Gegenständen, Ereignissen oder Beziehungen, die wir wiedererkennen, und können uns unseres gemeinsamen Denkens mit anderen bewusst werden. Es mag den Anschein haben, als seien diese Beobachtungen eher Gegenstand der Philosophie als der Kunst, doch versuchen sie die Grundlage dessen zu beschreiben, was Kunst sein kann. (Craigie Horsfield, 2012)

Öffnungszeiten: Di/Mi/Fr 11-18 Uhr · Do 11-20.30 Uhr · Sa/So 11-17 Uhr

Kunsthalle Basel
Steinenberg 7
CH-4051 Basel
Tel +41 61 206 99 00
kunsthallebasel.ch

Medienmitteilung





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