Pipilotti Rist, Das Zimmer, 1994, Audiovisuelle Installation (Installationsansicht, Kunstmuseum St. Gallen), Friedrich Christian Flick Collection, Hamburger Bahnhof, Berlin
© Courtesy Pipilotti Rist und Hauser & Wirth, Photo: Stefan Rohner
Seit fast 150 Jahren fasziniert eine der herausragenden literarischen Erfindungen Kinder wie Erwachsene gleichermaßen: Lewis Carrolls Geschichte von der kleinen Alice im Wunderland. Die Abenteuer des Mädchens im rätselhaften Kaninchenbau und hinter den Spiegeln verzauberten schon kurz nach ihrem Erscheinen Königin Viktoria von England wie Oscar Wilde gleichermaßen. Bis heute ziehen sie im Kino ein Millionenpublikum in ihren Bann. Nun wird Alice und den mannigfachen künstlerischen Reaktionen, die sie entfachte, erstmals eine Ausstellung gewidmet. Die Schau Alice im Wunderland der Kunst in der Hamburger Kunsthalle umfasst etwa 200 Werke aus 150 Jahren Kunstgeschichte, darunter Gemälde, Skulpturen, Buchillustrationen, Photographien, Zeichnungen, Filme und Rauminstallationen. Das breite Spektrum an Medien eröffnet dem Besucher die unterschiedlichsten Zugangsmöglichkeiten und verwandelt die Ausstellung selbst in ein anregendes Wunderland.
In den künstlerischen Reflexionen wird besonders deutlich, wie sehr hinter der scheinbar einfachen Kindererzählung ein komplexes Puzzle von Bezügen zur Geistesgeschichte, Logik und Philosophie steckt. Zugleich ist die Erzählung höchst unterhaltsam, bietet Platz für das Absurde, den Nonsens, die A-Logik und ist gewürzt mit Witz und Ironie. Die phantasievolle Traumwelt stellt so in einer spielerischen Form existentielle Fragen: über Individualität und Selbsterkenntnis, Raum und Zeit, das Verhältnis von literarischer Fiktion und empirischer Realität sowie über die Funktion und Macht der Sprache. Alice ist damit selbst zu einer Metapher für künstlerisches Engagement und Sinnsuche geworden.
Seit dem Manuskript, das Lewis Carroll 1864 dem historischen Vorbild – der damals 10-jährigen Alice Liddell – zum Geburtstag schenkte, ist die Visualisierung ein integraler Bestandteil der Erzählung. Mit den epochalen ersten Illustrationen von John Tenniel entstand ein bildnerischer Kosmos, der bis heute ein Eigenleben führt: Alice und die Bewohner des Wunderlandes, die Grinsekatze, HumptyDumpty, das weiße Kaninchen und der verrückte Hutmacher haben sich ins kollektive Gedächtnis eingeprägt. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts haben Künstler ihre eigenen Formen für die scheinbar absurde Welt gefunden, die nur von einem höchst neugierigen und unerschrockenen kleinen Mädchen entdeckt werden kann.
Die Ausstellung beginnt mit Werken von Lewis Carroll (mit bürgerlichem Namen Charles Lutwidge Dodgson, 1832-1898), dem Mathematikprofessor, Schriftsteller, Photographen und Kunstsammler. Sie setzt sich fort mit wegweisenden Illustrationen, dokumentiert ebenso Theaterinszenierungen wie auch Filme. Von ersten freien bildkünstlerischen Werken des späten 19. Jahrhunderts ausgehend, hat sie einen Schwerpunkt im Surrealismus. Denn besonders Max Ernst, René Magritte, Salvador Dalí und andere fühlten sich durch Alice bestärkt in ihrer Suche nach dem Phantastischen. Sie setzt sich fort mit Künstlern der 60er und 70er Jahre, die sich mit ihrem Streben nach Bewusstseinserweiterung wie auch mit ihrem neuen Verständnis der Wechselbeziehung von Sprache und Bild auf Lewis Carroll bezogen. Schließlich zeigen Arbeiten zeitgenössischer Künstler von Stephan Huber, Markus Lüpertz bis Anna Gaskell, Kiki Smith und Pipilotti Rist, dass die Faszination an Alice bis heute ungebrochen ist.
Beteiligte Künstler: John Armstrong, Stephan Balkenhol, Alexander Bassano, Yifat Bezalel, Peter Blake, Mel Bochner, Thorsten Brinkmann, AA Bronson, Marcel Broodthaers, Julia Margaret Cameron, Lewis Carroll/alias Charles Lutwidge Dodgson, Salvador Dalí, Jan Dibbets, Walt Disney, Oscar Domínguez Max Ernst, Valie Export, Leonor Fini, Terry Fox, Harry Furniss, Anna Gaskell, Douglas Gordon, Dan Graham, Rodney Graham, Hanna Haaslahti, Cecil Hepworth, Susanna Hesselberg, Gary Hill, Stephan Huber, Arthur Hughes, William Holman Hunt, Pierre Huyghe, John Isaacs, Oskar Kokoschka, Joseph Kosuth, Yayoi Kusama, Paul Laffoley, Torsten Lauschmann, Annie Leibovitz, George Dunlop Leslie, Thomas Locher, René Magritte, Charles Handel Rand Marriott, Duane Michals, John Everett Millais, Paul Nash, Kenton Nelson, Richard Oelze, Philippe Parreno, Claudia Pegel, Adrian Piper, Liliana Porter, William Blake Richmond, Pipilotti Rist, Tim Rollins und K.O.S., Dante Gabriel Rossetti, Tony Sarg, Rüdiger Schöttle, Kiki Smith, Robert Smithson, Monika Sosnowska, Percy Stow, Annelies Strba, Michelle Stuart, Jan Svankmajer, Samantha Sweeting, Dorothea Tanning, Sir John Tenniel, Diana Thater, Luc Tuymans, Veronika Veit, Charles Francis Annesley Voysey, John Wesley, Francesca Woodman, Bill Woodrow, W.W. Young, unbekannter Künstler/britische Schule
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr
Donnerstag 10 bis 21 Uhr, vor Feiertagen 10 bis 18 Uhr
Montag geschlossen
HAMBURGER KUNSTHALLE
Glockengießerwall
20095 Hamburg
hamburger-kunsthalle.de
Medienmitteilung
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