Wer sein Interesse für russische Kunst erweitern oder vertiefen möchte, hatte bereits durch großen Ausstellungen wie bspw. "Berlin-Moskau/Moskau-Berlin" in diesem und letzten Jahr wiederholt gute Gelegenheiten: Jetzt bietet sich erneut eine Möglichkeit, russische Kunst - dieses Mal unter dem Schwerpunkt "Non-Konformisten" - zu sehen.
"Hinter dem Schlagwort „Non-Konformismus“ verbergen sich zahlreiche Stilrichtungen, die allesamt den Pluralismus einer „Anti-Kunst“ in dem Sinne zusammenfassen, als dass sie jenseits der offiziellen Staatskunst, dem „Sozialistischen Realismus“, zumindest existierten: inoffiziell versteht sich. Die sog. „Tauwetter-Periode“ unter Brescheniew, nach dem Parteitag der KPdSU 1956, hatte ein solches künstlerisches Handeln überhaupt erst ermöglicht, da zu Lebzeiten Lenins allein der Gedanke an eine Kunst jenseits offizieller Vorgaben überhaupt nicht vorstellbar und zudem höchst riskant war. So trat ab Mitte der 50er Jahre im Verborgenen eine neue Künstlergeneration an, die sich damals mit allen denkbaren Spielarten der modernen Kunst auseinandersetzte. In den kleineren, inoffiziellen Kreisen, die zum Teil die Künstler selber bildeten und in denen man über diese Kunst Bescheid wusste, wurde vor allem der Mut bewundert, den die Künstler aufbrachten, um ihren eigenen Weg zu gehen.
Zu der Kernzelle der Non-Konformisten zählt der sog. Lianosovo-Kreis, der sich um Krasnopewzew, Wladimir Nemuchin, Oskar Rabin, Lidija Masterkowa in dem kleinen russischen Dorf Lianosovo ab Mitte der 50er Jahre regelmäßig zusammenfand. In diesem – wie auch in vergleichbaren anderen Kreisen – fanden nicht nur Maler oder Zeichner zusammen, sondern auch Literaten, Philosophen, Physiker etc. Als man 1974 erstmals eine Ausstellung dieser Künstler (gleichsam von innen heraus) organisieren wollte, bot die offizielle Parteilinie nur eine Ausstellung im Freien, im Park ... in Moskau an. Selbst ohne Möglichkeiten der Werbung standen die Menschen bereits früh morgens Schlange und wollten sich informieren. Da dies den Offiziellen suspekt wurde, rückte man mit Bulldozern gegen die Staffelei und Kunstwerke vor. Diese sog. „Bulldozer-Ausstellung“ gilt bis heute in den Kreisen als legendär und hat in den Köpfen der entscheidenden Künstlern ein Weiterarbeiten nur beflügeln können. Wladimir Nemuchin sollte fortan derjenige sein, der zwischen der offiziellen Linie und den Interessen der Künstler aufgrund seines hohen diplomatischen Geschicks vermitteln sollte. Er gilt als zentrale Vaterfigur dieser Bewegung.
Ab Mitte der 80er Jahre, als man die Non-Konformisten im Westen „entdeckte“, wurde zunächst die als Kunst von Dissidenten gewertete künstlerische Aussage als grundsätzlich positiv gewertet, ohne dass man bereit war, sich über die ästhetische Relevanz und ihren gesellschaftspolitischen Kontext intensiver auseinander zu setzten. Aus sowjetischer Sicht erfolgte eine erste wichtige Bestandsaufnahme und ein offizielles Heraustreten aus dem Dunst des Verborgenen mit der von den Non-Konformisten selbst initiierten Ausstellung „Drugoe iskusstvo“ (Die andere Kunst), die 1991 in Moskau stattfand. - In der Zwischenzeit haben zahlreiche Museen sich wissenschaftlich dieses Themas angenommen, das längst noch nicht erschöpft ist. Nicht zuletzt beheimatet die berühmte Sammlung von Peter und Irene Ludwig einen der umfangreichsten Überblicke über dieses sehr spannende, stilistisch jedoch sehr disparate Thema.
Die Ausstellung im Ludwig Museum in Koblenz zeigt eine bislang nicht gezeigte Privatsammlung aus Deutschland. Diese verdankt sich im Wesentlichen der engen Freundschaft des Sammlers mit dem Künstler Wladimir Nemuchin, der zu weiten Teilen die Sammlung aufgebaut hat und durch seine zahlreichen Kontakte zu den Künstlern der Zeit - bereits seit der Frühphase der non-konformistischen Bewegung – eine einzigartig dichte und qualitativ hochrangige Zusammenstellung künstlerischer Stile erreicht hat. Neben den Anfängen, die auch in dieser Sammlung sich überblicksartig zusammenfügen und hier absolute Highlights der wichtigsten Künstler dieser Ära dokumentieren, wie z.B. Julo Sooster, Oskar Rabin, Wladimir Nemuchin, Lydia Masterowa u.a., sind zudem all jene versammelt, die mit ihren unterschiedlichsten Zielsetzungen das breite Gefüge der gesellschaftlichen, politischen und intellektuellen Empfindungen in ihren Werken spiegeln, wie z.B. Anatoli Brussilowski, Erik Bulatow, Wladimir Jakowlew, Wladimir Jankilewski, Ernst Neiswestny, Marlen Schpindler, Edik Steinberg, Anatoli Swerew, Wladimir Weisberg, um nur einige zu nennen. Die Sammlung beschränkt sich nicht nur auf die Kernzeit der Non-Konformisten, die durch Perestroika und Glasnost ihren politischen Widerstand verloren, sondern dokumentiert das lebendige Sammeln, das mehr an den Künstlerpersönlichkeiten selbst orientiert ist und deshalb auch aktuelle Werke einbezieht. Die Arbeiten von Ilya Kabakow mögen hier beispielhaft benannt sein. (Gezeigt werden insgesamt ca. 140 Arbeiten). . . ." (Quelle: Ludwig Museum / Presse)
Ausstellungsdauer: 25.04. - 31.04.2004
Öffnungszeiten: Dienstag – Samstag 10:30 – 17:00 Uhr | Sonn- und Feiertags 11:00 – 18:00 Uhr
Ludwig Museum im Deutschherrenhaus | Danziger Freiheit 1 | 56068 Koblenz | Tel: 0261-304040
ludwigmuseum.org
ch
Kataloge/Medien zum Thema:
Ilya Kabakov
GalerieETAGE im Museum Reinickendorf
Schloss Biesdorf
Galerie 15
Freundeskreis Willy-Brandt-Haus e.V.
Galerie im Saalbau