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Boris Lurie

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Flashback - Museum für Gegenwartskunst, Basel (30.10.05-12.2.06)



Denken wir zurück an die 80er Jahre, so türmen sich vor unserem inneren Auge unweigerlich apokalyptische Szenarien auf: Bhopal, Schweizerhalle, Tschernobyl, Waldsterben, Ozonloch, Atombomben, AIDS, Kalter Krieg, Reagan, Thatcher, Breschnew und Kohl. Das vermeintliche Ende der Geschichte war erreicht, der Abgrund schien nahe. Denken wir an die 80er Jahre, so denken wir ebenso nostalgisch an Madonna, Michael Jackson, Freddy Mercury, Personal Computer und Fönfrisuren. Denken wir an die Kunst der 80er Jahre, so meinen noch heute viele, die Dekade sei in besonderem Masse durch die Malerei geprägt. Hat sich aber tatsächlich Ende der 70er Jahre ein Paradigmenwechsel ereignet, der es legitimieren würde, von einer Kunst der 80er Jahre zu sprechen?
Die präglobalisierte Kunstszene der 80er Jahre war übersichtlich und widerspiegelte in erster Linie die geopolitische Nachkriegsordnung, wobei sich der Kunstmarkt auf Nordamerika und Westeuropa konzentrierte, d.h. auf New York und Köln, respektive Deutschland, Italien, England und Frankreich, sowie die Niederlande und die Schweiz. Einige Jahre zuvor noch, in den 60er und 70er Jahren, dominierten, so das gängige Erklärungsmodell, Pop Art, Minimal Art und Konzeptkunst. Es erscheint aus heutiger Sicht aufschlussreich, dass sich in Westeuropa gerade innerhalb dieser internationalen Formation eine mediale und stadtgeografische Ausdifferenzierung ereignet hat. Die Künstler kamen nun aus Westberlin, Hamburg, Köln oder Düsseldorf, sowie auch hierzulande eine nationale Kunst in diesen Jahren erst zu ihrem Selbstverständnis fand. Der Emanzipationsversuch, innerhalb der engen Grenzen des Westens der Nachkriegsordnung zu entkommen, hat jedoch viele Missverständnisse mit sich gebracht und den Glauben an den Paradigmenwechsel der 80er Jahre erst noch bekräftigt.

Die Ausstellung 'Flashback - Eine Revision der Kunst der 80er Jahre' versteht sich als essayistische, offene Versuchsanordnung und will einen kritischen Blick zurück werfen, um ein Bild der 80er Jahre zu zeichnen, das in einem gewissen Sinne repräsentativ für die Kunst dieser Zeit ist, ohne dabei einem Pluralismus des 'Anything Goes' anheim zu fallen. Zweifelsohne kann und muss eine solche Sicht fragmentarisch und subjektiv bleiben, will sie nicht enzyklopädisch argumentieren. In diesem Sinne bedeutet eine Revision zweierlei: Die Kunst der 80er Jahre wird einerseits erneut gesichtet, andererseits werden Korrekturen vorgenommen und Schwerpunkte verschoben. Die filmische Montagetechnik der Rückblende, der Flashback, formuliert einen Standpunkt im Hier und Jetzt und fragt gleichzeitig nach künstlerischer Nachhaltigkeit.
Eine Ausstellung zur Kunst der 80er Jahre erscheint zum heutigen Zeitpunkt deshalb besonders sinnvoll, weil die Wirkmacht der Mechanismen, der Kunst und ihres Betriebssystems, zum Guten, wie zum Schlechten immer noch überaus präsent ist. Zum anderen ist das 25jährige Jubiläum des Museums für Gegenwartskunst Basel, das 1980 seine Tore öffnete, eigentlich Anlass genug, eine Ausstellung zur Kunst seines ersten Jahrzehnts zu konzipieren.

Natürlich lässt sich Kunst nicht in Dekaden ordnen und so will 'Flashback' unter Mitberücksichtigung der lokalen Perspektive in erster Linie eine konzise Bestandesaufnahme einer damals neuen Künstlergeneration sein, auf keinen Fall aber die Behauptung eines autonomen Zeitkosmos. Die Ausstellung 'Flashback' möchte indes eine Re-Perspektivierung vornehmen: So muss zuallererst eine vielfach kolportierte Lagebestimmung radikal in Frage gestellt werden, denn gab es tatsächlich eine nennenswerte und hegemoniale Konzeptkunst in Westeuropa der späten 70er Jahre, gegen die man eine neue Bewegung wie die 'Transavanguardia' und die 'Neuen Wilden' aus der Taufe heben musste? Das Phänomen der figurativen Malerei, die erst in Italien, dann in Berlin, Köln und Hamburg, aber auch in Basel für Aufsehen sorgte, hielt in vielen Fällen nicht sehr lange an. Der Mythos der Vorherrschaft einer subjektzentrierten, antikonzeptuellen Bauchmalerei hält sich dennoch bis heute hartnäckig im Bewusstsein vieler. Auf der gegnerischen Seite steht ein Heer amerikanischer Kritiker, deren Abscheu gegenüber einer als regressiv empfundenen Malerei nicht grösser sein könnte. So wurde die Formel Neoexpressionisten versus Konzeptualisten diskursprägend, wenngleich durch eben diese Opposition der figurativen Malerei eine aus heutiger Sicht unverständliche Macht eingeräumt wurde. Wohl deshalb erreichte die Polemik damals ihren Höhepunkt, so dass ausnahmslos alle Malerei, ob neoexpressiv, figurativ oder abstrakt, suspekt erschien. Douglas Crimps mittlerweile legendäre Ausstellung im alternativen Artists Space 1977 in New York benannte mit der 'Pictures'-Generation das Gegenmodell. Diese Künstlerinnen und Künstler bedienten sich zumeist der Fotografie, um mittels Aneignungen und Inszenierungen unterschiedlichste Schichten massenmedialer Stereotypen freizulegen und damit einen kritischen Umgang mit der eigenen Lebenswirklichkeit zu formulieren. Es gibt hiernach kein Bild ohne ein Vor-Bild. Fest steht, dass die binäre Formel zu kurz greift, nationale Phänomene suggeriert und New York, als bis heute einziges Kunstzentrum Nordamerikas, Westeuropa entgegensetzt. In diesem Sinne plädiert die Ausstellung 'Flashback' dafür, das Konzeptuelle ohne das heroisch Expressive zu denken und sowohl den Dekadenbruch Ende der 70er Jahre, als auch die Uneindeutigkeiten, Unschärfen und Kontinuitäten der Kunst zu erfassen. Dies bedeutet, dass Konzeptualität, aber ebenso Pop, nie aufgegeben, sondern vielmehr von den siebziger über die achtziger bis in die neunziger Jahre umformuliert wurden und dass es Zeit geworden ist, von der Legende der Rückwärtsgewandtheit der 80er endlich Abschied zu nehmen. Die Kunst in den 80er Jahren war denn auch äusserst vielfältig, man denke nur an die aufkommende Becher-Schule, an Neo-Geo, Simulationismus, an feministische und aktionistische Strategien, die so genannten Modellbauer und all die anderen diskutierten Kunstlabels. Die Ausstellung 'Flashback' reinszeniert jedoch keine unverbindliche Vielheit, sondern versucht im Gegenteil vielstimmig eine Fokussierung auf heute noch virulente und relevante künstlerische Positionen vorzunehmen.
Um der flüchtigen Wirklichkeit eines Jahrzehnts annähernd gerecht zu werden, ist für den Katalog ein ausführliches Roundtable-Gespräch mit Exponenten der 80er Jahre entstanden, wie auch ein hochkarätiges Rahmenprogramm die Ausstellung begleiten wird.

Beteiligte Künstler:
John Armleder, Scott Burton, Werner Büttner, Miriam Cahn, Francesco Clemente, James Coleman, Walter Dahn, Helmut Federle, Eric Fischl, Fischli/Weiss, Günther Förg, Katharina Fritsch, Robert Gober, Jack Goldstein, Group Material, Peter Halley, Georg Herold, Jenny Holzer, Ilya Kabakov, Mike Kelley, Martin Kippenberger, Jeff Koons, Louise Lawler, Sherrie Levine, Robert Longo, Robert Mapplethorpe, Allan McCollum, Reinhard Mucha, Cady Noland, Albert Oehlen, Richard Prince, Charles Ray, Tim Rollins + K.O.S., Thomas Ruff, David Salle, Jean-Frédéric Schnyder, Thomas Schütte, Cindy Sherman , Haim Steinbach, Rosemarie Trockel, Jeff Wall, Franz West, Krzysztof Wodiczko.(Presse | Museum für Gegenwartskuns, Basel)

Abbildung: Robert Longo, Untitled (from "Men In The Cities"), 1981, Collection Metro Pictures


Öffnungszeiten: Di-So 11-17 h

Kunstmuseum Basel, Museum für Gegenwartskunst
mit Emanuel Hoffmann-Stiftung
St. Alban-Rheinweg 60
CH-4010 Basel
Tel. +41 (0) 61 206 62 62

www.kunstmuseumbasel.ch


ch





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