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KI und Kunst: Werkzeug, Autorschaft, Betrachtende und Werk

Bilder mit System. Die Autorschaft, die KI, der Rezipienten und das Werk

Eingabedatum: 01.10.2024


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KI in der Kunst: Werkzeug, Medium oder Instanz?
In der sich rasant entwickelnden Welt der künstlichen Intelligenz (KI) stellen sich zunehmend Fragen nach der Rolle dieser Technologie in kreativen Prozessen und den damit verbundenen Implikationen für Autorschaft und geistiges Eigentum. Gerne als Werkzeug für Künstler und Künstlerinnen betrachtet, zeigt sich, dass KI weit mehr sein kann – ein Medium bzw. eine Instanz im künstlerischen Schaffensprozess.

Die Frage der Autorschaft

Bei Produkten generativer KI kann die Autorschaft theoretisch bei verschiedenen Parteien liegen: Den Programmierern der KI, der KI selbst, dem Prompter (Nutzer der KI), der KI als Prompter oder es liegt möglicherweise gar keine Autorschaft vor. Diese Vielfalt an Möglichkeiten spiegelt die Komplexität des Themas wider. Je nach Perspektive und spezifischem Kontext könnte man argumentieren, dass jede dieser Parteien einen legitimen Anspruch auf Autorschaft hat. Es ist allerdings auch als eine Gemeinschaftsaufgabe lesbar. Schöpfungshöhe bzw. Gestaltungshöhe, Werkhöhe können auch als Gradmesser einer Urheberschaft angenommen werden. (Schöpfungshöhe bezeichnet im Urheberrecht den Anteil geistiger Arbeit.)

KI: Mehr als nur ein Werkzeug

Die Betrachtung von KI als reines Werkzeug greift zu kurz. Stattdessen lässt sich KI treffender als eine Instanz oder ein Medium beschreiben: Als Instanz zeigt KI ein gewisses Maß an Eigenständigkeit, Lernfähigkeit und Komplexität, das über die Funktionalität eines einfachen Werkzeugs hinausgeht.
Als Medium fungiert KI als Vermittler zwischen menschlicher Intention und künstlerischem Output, transformiert Eingaben auf oft unvorhersehbare Weise und ermöglicht einen interaktiven, dialogischen Prozess.
Im Vergleich zu traditionellen Werkzeugen zeichnet sich KI durch Autonomie, Unvorhersehbarkeit und Mitgestaltung aus. Sie bringt eigene "Ideen" und Assoziationen in den kreativen Prozess ein, was sie zu einem neuen Phänomen in der Kunstgeschichte macht.

Der Betrachter als aktiver Teilnehmer im KI-Kunstprozess

Seit der frühen Moderne wird der Betrachter eines Kunstwerks als derjenige angesehen, der durch seine Rezeption und Interpretation das Werk "vollendet". Diese Rolle gewinnt im Kontext KI-generierter Kunst eine neue Dimension:

1. Vollendung durch Wahrnehmung: Wie bei zeitgenössischer Kunst "vollendet" der Betrachter auch KI-generierte Werke durch seine Wahrnehmung und Interpretation. Die oft abstrakten oder mehrdeutigen Outputs von KI-Systemen laden ebenfalls zur aktiven Interpretation ein.
2. Initiierung: Mit KI-Tools haben Betrachtende nun die Möglichkeit, selbst zu initiieren. Durch die Formulierung von Prompts oder die Manipulation von KI-Parametern können auch Nicht-Künstler kreative Prozesse anstoßen.
3. Kuratierung und Selektion: Der Betrachter übernimmt eine kuratorische Rolle, indem er aus einer Vielzahl von KI-generierten Optionen auswählt. Diese Selektion wird selbst zu einem kreativen Akt.
4. Interaktive Kunsterfahrungen: KI ermöglicht interaktive Kunstinstallationen, bei denen der Betrachter durch sein Verhalten oder seine Eingaben das Kunstwerk aktiv beeinflusst und mitgestaltet.
5. Personalisierung der Kunst: KI-Systeme können Kunstwerke basierend auf den Präferenzen oder biometrischen Daten generieren, was zu einer personalisierten Kunsterfahrung führen kann.
6. Demokratisierung der Kunstproduktion: Durch benutzerfreundliche KI-Tools wird die Schwelle zur Kunstproduktion gesenkt, wodurch die traditionelle Trennung zwischen Künstler und Betrachter verschwimmt.

Diese Entwicklungen werfen neue Fragen auf: - Inwieweit wird der Betrachter, der ein KI-Kunstwerk initiiert oder auswählt, zum Co-Autor? - Wie verändert sich die Definition von Kreativität, wenn KI-Tools die Kunstproduktion demokratisieren? - Welche ethischen Implikationen ergeben sich, wenn Kunst zunehmend personalisiert und algorithmisch gesteuert wird?

Die Einbeziehung des Betrachters als aktiver Teilnehmer im KI-Kunstprozess erweitert nicht nur unser Verständnis von Autorschaft, sondern fordert auch traditionelle Konzepte von Kunstproduktion und -rezeption heraus. Es entsteht ein komplexes Ökosystem, in dem Künstler, KI, und Betrachter in einem dynamischen Wechselspiel stehen.

Das Werk

Ästhetische Fiktion vs. Simulation der ästhetischen Fiktion
Ein weiterer wichtiger Aspekt in der Betrachtung von KI-generierter Kunst ist der Unterschied zwischen der ästhetischen Fiktion traditioneller Kunstwerke und der Simulation dieser Fiktion durch KI. Dieser Vergleich offenbart grundlegende Fragen zur Natur von Kunst und ihrer Wahrnehmung: Ästhetische Fiktion in traditioneller Kunst: Intentionalität: Traditionelle Kunstwerke entstehen aus einer bewussten künstlerischen Intention heraus. Der Künstler schafft eine ästhetische Fiktion als Ausdruck seiner Ideen, Gefühle oder Weltanschauung. Authentizität: Die ästhetische Fiktion wird als authentischer Ausdruck menschlicher Kreativität und Erfahrung wahrgenommen. Kultureller Kontext: Kunstwerke sind in einem spezifischen kulturellen, historischen und persönlichen Kontext verankert, der ihre Interpretation beeinflusst. Mehrdeutigkeit: Die Interpretation des Kunstwerks bleibt offen und kann sich je nach Betrachtung und Kontext wandeln.

Simulation der ästhetischen Fiktion durch KI:
Datenbasierte Generierung: KI-Kunstwerke entstehen durch die Verarbeitung und Rekombination vorhandener Daten, ohne ein inhärentes Verständnis für Ästhetik oder Bedeutung. Imitation vs. Kreation: KI simuliert den kreativen Prozess, indem sie Muster und Stile aus existierenden Kunstwerken extrahiert und neu kombiniert. Fehlende Intentionalität: KI-Systeme haben keine eigene Intention oder emotionale Verbindung zu ihren Kreationen.

Philosophische Implikationen:
Wesen der Kreativität: Stellt die Fähigkeit von KI, überzeugende Kunstwerke zu generieren, unser Verständnis von Kreativität in Frage? Authentizität und Wert: Wie beeinflusst das Wissen um den KI-Ursprung eines Kunstwerks dessen Wahrnehmung und Wertschätzung?

Bedeutung und Interpretation: Können KI-generierte Werke nicht simulierte Bedeutung tragen?

Neue Formen der ästhetischen Erfahrung:
Mensch-KI-Kollaboration: Die Zusammenarbeit zwischen menschlichen Künstlern und KI kann zu neuartigen ästhetischen Fiktionen führen, die Elemente beider Welten vereinen. Prozessorientierte Ästhetik: Der Prozess der KI-Generierung selbst kann als ästhetisches Element betrachtet werden, was zu neuen Formen der konzeptuellen Kunst führt.
Interaktive ästhetische Fiktionen: KI ermöglicht die Schaffung dynamischer, sich verändernder Kunstwerke, die traditionelle Vorstellungen von der Stabilität eines Kunstwerks herausfordern. Die Unterscheidung zwischen ästhetischer Fiktion und ihrer Simulation durch KI wirft grundlegende Fragen über das Wesen der Kunst, die Rolle des Künstlers und die Natur der ästhetischen Erfahrung auf. Es fordert uns heraus, unsere Konzepte von Originalität, Authentizität und künstlerischem Wert zu überdenken und möglicherweise zu erweitern.
Während KI-generierte Kunst zweifellos faszinierende neue Möglichkeiten eröffnet, bleibt die Frage, ob und wie sie die tiefe emotionale und intellektuelle Resonanz traditioneller Kunst erreichen kann. Gleichzeitig bietet sie die Chance, völlig neue Formen der ästhetischen Erfahrung zu erkunden, die die Grenzen dessen, was wir als Kunst betrachten, erweitern.

Die Zukunft: KI als evolvierende Kraft in der Kunst
Mit der Weiterentwicklung von KI-Systemen könnte sich unser Verständnis von Autorschaft und künstlerischem Schaffen grundlegend verändern. Faktoren wie zunehmende Autonomie, verbessertes Kontextverständnis und möglicherweise sogar die Entwicklung von KI-Bewusstsein könnten die Debatte in neue Richtungen lenken.
Komplexere KI-Architekturen, kontinuierliche Lernfähigkeit und engere Mensch-KI-Kollaborationen könnten zu völlig neuen Modellen der Autorschaft führen. Es ist denkbar, dass wir in Zukunft neue Kategorien oder Konzepte entwickeln müssen, um die Beiträge von KI-Systemen zur kreativen Arbeit angemessen zu erfassen.

Fazit
Die Rolle von KI in der Kunst lässt sich am treffendsten als eine Art "aktives Medium" oder "intelligenter Co-Creator" beschreiben – ein System, das sowohl Werkzeugcharakter als auch eigene Handlungsfähigkeit besitzt und dabei als Vermittler kreativer Prozesse fungiert. Gleichzeitig ermöglicht KI eine nie dagewesene Einbindung der Betrachtung in den künstlerischen Schaffensprozess.

Die Grenzen zwischen Kunstschaffenden, Werk, KI und Betrachtenden verschwimmen zunehmend, was zu einem dynamischen und interaktiven Kunstökosystem führt. Dies eröffnet spannende Möglichkeiten für neue Formen der Kunstproduktion und -rezeption, wirft aber auch komplexe Fragen bezüglich Urheberschaft, Authentizität und dem Wesen der Kreativität auf.

Während die Technologie voranschreitet, wird es entscheidend sein, einen rechtlichen und ethischen Rahmen zu schaffen, der die einzigartigen Beiträge aller Beteiligten – von KI-Entwicklern über Künstler bis hin zu aktiven Betrachtern – anerkennt und gleichzeitig die Integrität des künstlerischen Schaffens schützt. Die Zukunft der Kunst im KI-Zeitalter verspricht, ebenso faszinierend wie komplex zu werden, mit einem erweiterten Verständnis davon, was es bedeutet, Kunst zu schaffen, zu erleben und zu definieren.

Angeregt durch einen Beitrag von: Dr. Jürgen Riethmüller
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Generative KI und die Künste: Eine kulturtheoretische Perspektive. Von Dr. Jürgen Riethmüller.

ct

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