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Schleifen der Erkenntnis

April 2025 | Bildgenese Möbiusband, Höhlengleichnis, Foucaultsches Pendel und die Metaphern der Quantenphysik

Eingabedatum: 10.04.2025


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Von der paradoxen Form des Möbiusbandes über Platons allegorisches Höhlengleichnis bis hin zum physikalischen Beweis der Erdrotation durch das Foucaultsche Pendel und den abstrakten Bildern der Quantenphysik zeigt sich, dass die Reflexion über das Verhältnis von Wahrnehmung und Realität ein zentrales Anliegen von Künsten und Wissenschaften gleichermaßen ist.

Es ist eine bekannte Tatsache, dass die menschliche Wahrnehmung und Intuition fehlbar sind und unsere Vorstellungskraft an Grenzen stoßen kann. Unsere kognitiven Werkzeuge, geprägt durch die Evolution für das Zurechtkommen in unserer unmittelbaren Umwelt, sind nicht immer dafür ausgelegt, die tieferen oder abstrakteren Strukturen der Wirklichkeit mühelos zu erfassen. Doch die Herausforderungen an unser Verständnis kommen nicht nur von der Begrenztheit unserer Kognition. Auch die Realität selbst – oder zumindest unsere besten Modelle und Beschreibungen von ihr, sei es in der Mathematik, der Philosophie oder der Physik – weist Eigenschaften und Verhaltensweisen auf, die sich einer einfachen, intuitiven Erfassung widersetzen. Sie konfrontiert uns mit Komplexitäten und Paradoxien, die etablierte Denkmuster in Frage stellen. In diesem Text werden vier prägnante Beispiele aus unterschiedlichen Bereichen vorgestellt, die genau diese Spannung illustrieren: das mathematisch verblüffende Möbiusband, das philosophische Gedankenexperiment von Platons Höhlengleichnis, die physikalische Demonstration durch Foucaults Pendel und die fundamental kontraintuitive Welt der Quantenphysik. Sie alle laden dazu ein, auch jenseits künstlerischer Artefakte, die scheinbaren Selbstverständlichkeiten unserer Welt zu hinterfragen.




Das Möbiusband: Eine Schleife ohne Ende und Kante
Betrachten wir die vorliegende Animation: Eine Schleife dreht sich elegant im Raum. Es ist ein Möbiusband, benannt nach dem Mathematiker August Ferdinand Möbius. Was auf den ersten Blick wie ein verdrehter Ring aussieht, birgt eine topologische Überraschung: Es hat nur eine einzige Seite und eine einzige Kante. Versuchen Sie mental, eine Linie entlang der Oberfläche zu ziehen, ohne den Stift abzusetzen – Sie werden unweigerlich wieder am Ausgangspunkt ankommen, nachdem Sie die gesamte Oberfläche überstrichen haben.
Diese Eigenschaft widerspricht unserer alltäglichen Erfahrung von Objekten mit einer klaren Innen- und Außenseite, einer Ober- und Unterseite. Das Möbiusband ist ein Paradebeispiel für ein Objekt, das unsere räumliche Intuition herausfordert. Künstler wie M.C. Escher waren fasziniert von dieser Form und nutzten sie, um unmögliche Welten und endlose Zyklen darzustellen, die die Grenzen zwischen Dimensionen und Perspektiven verschwimmen lassen.
Eine weitere Besonderheit offenbart sich, wenn man das Band der Länge nach genau in der Mitte durchschneidet. Intuitiv würden wir zwei getrennte, schmälere Bänder erwarten. Doch stattdessen entsteht ein einziges, größeres Band, das doppelt so lang ist wie das ursprüngliche. Und es ist nicht mehr nur einfach verdreht: Es weist nun zwei volle Windungen (also 720 Grad) auf. Dieses Experiment demonstriert auf verblüffende Weise, wie eine einfache Handlung in einem nicht-orientierbaren Raum zu einem unerwarteten, komplexeren Ergebnis führt. Es ist eine Metapher dafür, wie die Untersuchung einer Struktur neue, ungeahnte Eigenschaften enthüllen kann.

Platons Höhlengleichnis: Schatten an der Wand
Die Idee, dass unsere wahrgenommene Realität nur ein Abbild oder ein Schatten einer tieferen Wahrheit sein könnte, ist Jahrtausende alt. Platons Höhlengleichnis aus seinem Werk "Politeia" ist wohl die berühmteste Ausformulierung dieses Gedankens. Gefangene, seit ihrer Geburt in einer Höhle gefesselt, sehen nur die Schatten von Objekten, die hinter ihnen vorbeigetragen werden, projiziert durch das Licht eines Feuers. Sie halten diese Schatten für die einzige Realität. Befreit sich ein Gefangener und gelangt ans Tageslicht, erkennt er die wahre Natur der Dinge, doch die gleißende Sonne blendet ihn zunächst. Kehrt er zurück, um die anderen zu aufzuklären, wird ihm kaum Glauben geschenkt – seine Mitgefangenen sind in ihrer Schattenwelt verhaftet.
Das Höhlengleichnis ist eine tiefgreifende Metapher für die Grenzen menschlicher Erkenntnis und die Schwierigkeit, etablierte Vorstellungen zu überwinden. Ähnlich wie das Möbiusband uns zwingt, unsere Vorstellung von "Seite" und "Kante" zu revidieren, fordert uns Platon auf, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass unsere gesamte erfahrbare Welt nur ein Teil einer umfassenderen, schwer zugänglichen Realität ist.

Foucaultsches Pendel: Der unsichtbare Tanz der Erde
Im Jahr 1851 demonstrierte Léon Foucault im Pariser Panthéon auf eindrucksvolle Weise die Erdrotation. Ein schweres Pendel, an einem langen Seil aufgehängt, schwang hin und her. Über Stunden hinweg schien sich die Schwingungsebene des Pendels langsam zu drehen. Doch der Clou war: Nicht das Pendel änderte seine Richtung, sondern der Boden – die Erde selbst – drehte sich unter der konstant schwingenden Ebene des Pendels hinweg.
Das Foucaultsche Pendel macht eine fundamentale, aber im Alltag kaum wahrnehmbare Bewegung unseres Planeten sichtbar. Es enthüllt eine "unsichtbare" Kraft oder vielmehr einen Bezugsrahmen, der unsere lokale Wahrnehmung übersteigt. Ähnlich wie die Gefangenen in Platons Höhle, die nur die Schatten sehen, nehmen wir die Erdrotation normalerweise nicht direkt wahr. Das Pendel dient als Instrument, das uns über unsere unmittelbare, scheinbar statische Umgebung hinausblicken lässt und eine größere, dynamische Realität offenbart – eine Realität, die durch Beobachtung und wissenschaftliches Denken erschlossen wird, nicht durch alltägliche Intuition.

Quantenphysik: Die ultimative Herausforderung der Anschauung
Die Quantenphysik, die die Welt im Allerkleinsten beschreibt, treibt das Infragestellen unserer klassischen Intuition auf die Spitze. Konzepte wie Superposition (ein Teilchen kann an mehreren Orten gleichzeitig sein oder mehrere Zustände innehaben, bis es gemessen wird) oder Verschränkung (zwei Teilchen bleiben auf "spukhafte" Weise verbunden, egal wie weit sie voneinander entfernt sind) entziehen sich jeder direkten Anschauung in unserer makroskopischen Welt.
Es ist wichtig zu betonen, dass die Phänomene der Quantenwelt sich nicht eindeutig in unsere Alltagserfahrung übersetzen lassen. Wir können sie mathematisch präzise beschreiben und ihre Auswirkungen experimentell nachweisen, aber ihre Darstellung in der Makrowelt muss zwangsläufig auf Metaphern und Analogien zurückgreifen. Diese Metaphern – wie Schrödingers Katze, die gleichzeitig lebendig und tot ist – sind Denkwerkzeuge, die uns helfen, uns dem Unvorstellbaren anzunähern. Sie sind wie die Schatten in Platons Höhle oder die überraschenden Eigenschaften des Möbiusbandes: Hinweise auf eine Realität, die nach fundamental anderen Regeln funktioniert als die uns vertraute. Die Quantenphysik zeigt uns vielleicht die ultimative Grenze dessen, was wir uns intuitiv vorstellen können.

Die Kunst des Perspektivwechsels
Vom verdrehten Band über philosophische Gleichnisse und physikalische Demonstrationen bis hin zu den Rätseln der Quantenwelt – all diese Beispiele eint ein zentrales Thema: Sie fordern unsere Wahrnehmung heraus und offenbaren die Grenzen unserer Intuition. Sie zeigen, dass die Realität oft komplexer, seltsamer und faszinierender ist, als sie auf den ersten Blick erscheint. Das Möbiusband lehrt uns, über einfache Dualitäten hinauszudenken. Platons Höhle mahnt zur Skepsis gegenüber dem Augenscheinlichen. Foucaults Pendel enthüllt die verborgene Dynamik unseres Standpunkts. Und die Quantenphysik konfrontiert uns mit einer fundamentalen Andersartigkeit der Wirklichkeit im Kleinsten, die wir nur noch in Bildern und Metaphern fassen können.
Diese "Schleifen der Erkenntnis" sind nicht nur wissenschaftliche oder philosophische Kuriositäten. Sie sind auch Quellen künstlerischer Inspiration und Motoren des intellektuellen Fortschritts, die uns daran erinnern, stets bereit zu sein, unsere Perspektive zu wechseln und das scheinbar Unmögliche zu denken.

Hier der Link zum Möbiusband auf art-in.de.

Hier der Code zum interaktiven animierten Möbiusband:


JS Elemente unten einfügen:
"three": "https://cdn.jsdelivr.net/npm/three@0.163.0/build/three.module.js", "three/addons/": "https://cdn.jsdelivr.net/npm/three@0.163.0/examples/jsm/"

<!DOCTYPE html>
<html lang="de">
<head>
<meta charset="UTF-8">
<meta name="viewport" content="width=device-width, initial-scale=1.0">
<title>Möbius-Schleife Animation</title>
<style>
/* Grundlegendes CSS, um Ränder zu entfernen und Canvas/Renderer den Vollbildmodus zu ermöglichen */
body { margin: 0; overflow: hidden; background-color: #111; }
canvas { display: block; }
</style>
</head>
<body>
<script type="importmap">
{
"imports": {


Hier bitte js einfügen!!!!

}
}
</script>

<script type="module">
// Importieren der notwendigen Three.js Komponenten
import * as THREE from 'three';
// Importieren der OrbitControls für die Kamerasteuerung
import { OrbitControls } from 'three/addons/controls/OrbitControls.js';
// Importieren der ParametricGeometry für die Erstellung der Möbius-Schleife
import { ParametricGeometry } from 'three/addons/geometries/ParametricGeometry.js';

// === Globale Variablen ===
let scene, camera, renderer;
let mobiusStrip; // Das Mesh-Objekt für unsere Schleife
let controls; // Für die Kamerasteuerung

// === Initialisierungsfunktion ===
function init() {
// 1. Szene erstellen
scene = new THREE.Scene();
scene.background = new THREE.Color(0x1a1a1a); // Dunkelgrauer Hintergrund

// 2. Kamera erstellen
// PerspectiveCamera( Sichtfeldwinkel, Seitenverhältnis, Nahe Clipping-Ebene, Ferne Clipping-Ebene )
camera = new THREE.PerspectiveCamera(75, window.innerWidth / window.innerHeight, 0.1, 1000);
camera.position.z = 5; // Kamera etwas zurücksetzen

// 3. Renderer erstellen
renderer = new THREE.WebGLRenderer({ antialias: true }); // Antialiasing für glattere Kanten
renderer.setSize(window.innerWidth, window.innerHeight); // Renderer auf Fenstergröße setzen
renderer.setPixelRatio(window.devicePixelRatio); // Für schärfere Darstellung auf HiDPI-Displays
document.body.appendChild(renderer.domElement); // Renderer-Canvas zum HTML-Body hinzufügen

// 4. Lichter hinzufügen
const ambientLight = new THREE.AmbientLight(0xcccccc, 0.5); // Umgebungslicht für Grundhelligkeit
scene.add(ambientLight);
const directionalLight = new THREE.DirectionalLight(0xffffff, 0.8); // Gerichtetes Licht für Schatten und Highlights
directionalLight.position.set(1, 1, 1).normalize();
scene.add(directionalLight);

// 5. Möbius-Schleife erstellen
// Parametrische Funktion für die Möbius-Schleife
// u: läuft entlang der Länge der Schleife (0 bis 2*PI)
// v: läuft über die Breite der Schleife (-0.5 bis 0.5 für Breite 1)
// target: das Vektorobjekt, in das die Koordinaten geschrieben werden
const mobiusFunction = function (u, v, target) {
const R = 1.5; // Radius des Hauptrings
const W = 1; // Breite der Schleife (v läuft von -W/2 bis W/2)
u = u * 2 * Math.PI; // u von 0..1 auf 0..2*PI skalieren
v = v * W - W / 2; // v von 0..1 auf -W/2..W/2 skalieren

const x = (R + v * Math.cos(u / 2)) * Math.cos(u);
const y = (R + v * Math.cos(u / 2)) * Math.sin(u);
const z = v * Math.sin(u / 2);

target.set(x, y, z); // Koordinaten im Zielvektor setzen
};

// Erstellen der Geometrie mit der Funktion
// ParametricGeometry( funktion, anzahlSegmenteU, anzahlSegmenteV )
const geometry = new ParametricGeometry(mobiusFunction, 100, 20); // Mehr Segmente für glattere Kurven

// Erstellen des Materials
const material = new THREE.MeshStandardMaterial({
color: 0x049ef4, // Helle blaue Farbe
side: THREE.DoubleSide, // Wichtig: Beide Seiten rendern, da Möbius nur eine hat
metalness: 0.3, // Etwas metallisch
roughness: 0.6 // Etwas rau
});

// Erstellen des Mesh (Geometrie + Material)
mobiusStrip = new THREE.Mesh(geometry, material);
scene.add(mobiusStrip); // Schleife zur Szene hinzufügen

// 6. OrbitControls hinzufügen (Maussteuerung)
controls = new OrbitControls(camera, renderer.domElement);
controls.enableDamping = true; // Fügt eine sanfte Verzögerung hinzu
controls.dampingFactor = 0.05;
controls.screenSpacePanning = false; // Verhindert seltsames Panning
controls.minDistance = 2; // Minimaler Zoom-Abstand
controls.maxDistance = 15; // Maximaler Zoom-Abstand

// 7. Event Listener für Fenstergrößenänderung
window.addEventListener('resize', onWindowResize, false);

// 8. Animationsloop starten
animate();
}

// === Animationsloop ===
function animate() {
// Nächsten Frame anfordern
requestAnimationFrame(animate);

// Schleife langsam drehen
if (mobiusStrip) {
mobiusStrip.rotation.x += 0.003;
mobiusStrip.rotation.y += 0.005;
}

// OrbitControls aktualisieren (für Damping notwendig)
controls.update();

// Szene rendern
renderer.render(scene, camera);
}

// === Funktion für Fenstergrößenänderung ===
function onWindowResize() {
// Kamera-Seitenverhältnis aktualisieren
camera.aspect = window.innerWidth / window.innerHeight;
camera.updateProjectionMatrix(); // Wichtig nach Änderung der Kamera-Parameter

// Renderer-Größe aktualisieren
renderer.setSize(window.innerWidth, window.innerHeight);
}

// === Start ===
init();

</script>
</body>
</html>



ct

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