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Boris Lurie

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Henrike Naumann - "Generation Loss" – zwei Installationen und eine Photoserie

5.11. 2013 - 17.1. 2014 | FAK - Der Kunstverein in Zwickau
Eingabedatum: 08.11.2013

Der Zwickauer Kunstverein Freunde Aktueller Kunst zeigt mit der Ausstellung "Generation Loss" von Henrike Naumann (*1984) die preisgekrönte Videoinstallation "Triangular Stories" (2012) und die Nachfolge-Installation "Unbetitelt" (2013). Beide Arbeiten können im Bereich der deutschsprachigen Kulturlandschaft als derzeit prägnanteste künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema NSU und Rechtsradikalismus gelten.

Es sind der Standort Zwickau, Naumanns Heimatstadt, und der 2. Jahrestag – 4.11. 2011 –
der von Beate Zschäpe ausgelösten Wohnhausexplosion im Zwickauer Stadtteil Weißenborn, die Naumanns Installationen als politisch aktuell, brisant und gegenwartsbewusst qualifizieren. Für die Künstlerin war es ein persönlicher und diffiziler künstlerischer Einschnitt gerade auch, weil sie sich an jenem November-Freitag zufällig bei ihrer Familie in Zwickau aufhielt.
"Seit dem 4. November 2011 wissen wir von der Existenz des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU). Dies war ein gravierender Einschnitt in die Beziehung zu meiner Heimatstadt Zwickau." (Henrike Naumann)

Kann Kunst überhaupt ein "Phänomen" wie das "Ungeheuerliche" vergegenständlichen, in Bilder und Worte transformieren, die in der Lage sind, ein Abbild, einen Kommentar, eine Deutung zu entwerfen? Es ist und bleibt kompliziert.
Die junge Video- und Installationskünstlerin Henrike Naumann hat an der HfBK Dresden und der Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" in Potsdam-Babelsberg studiert. Seit 2008 lebt und arbeitet sie in Berlin.
Sie hat für "ihr" Thema eine souveräne künstlerische Lösung gefunden, deren schlüssige Vielschichtigkeit die Ausstellung "Generation Loss" auf sinnlicher und intellektueller Ebene stabilisiert.
Sicher wird Zwickau, wo das Terrortrio des NSU jahrelang "beheimatet" war und von aus es seine mörderischen Feldzüge geplant und durchgeführt hat, auf unabsehbare Zeit mit diesem rechtsradikalen Extrem leidvoll verbunden bleiben. Dies ist ein Zustand, den man nicht nur mit Entsetzen hinnehmen muß, sondern "positiv" gewendet, mit dem man geradezu als Grundlage und Appell für ein weiteres, aktives Verstehen rechtsradikalen Verhaltens operieren kann. Unser Kunstverein ist der Auffassung, dass man nichts, gerade auch im kulturellen Kontext unversucht lassen darf, um nicht nur innerhalb der Stadt auf den Punkt zu diskutieren (wie während der anstehenden Veranstaltungsreihe Novembertage), sondern auch nachdrückliche Signale eines geschärften Problembewusstseins nach "draußen" zu schicken. Genau diese Ambivalenz steht auch im Mittelpunkt von Henrike Naumanns künstlerischem Interesse, weshalb es nahe liegt, dass sich Künstlerin und Kunstverein zu dem anstehenden Projekt zusammenschließen.


Henrike Naumann schreibt:

"Das Erlebnis wurde prägend für meine Arbeit – hatte ich wirklich zeitgleich über Jahre mit Rechtsterroristen in meiner Heimatstadt gelebt? Und wie konnten sich drei Jugendliche, aufgewachsen wie ich in den neuen Bundesländern, schon in jungen Jahren einer so mörderischen Ideologie verschreiben?
Die konzeptionelle und ästhetische Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Themen und ein experimentelles Medienverständnis prägen meine Arbeit. Der Rechtsextremismus in meiner alten Heimat ist ein Thema, das mich nicht loslässt.
Mein Bild von Deutschland hat sich verändert, viele Dinge sind in mein Bewusstsein gekommen, die ich über Jahre hinweg verdrängt hatte. Seit dem 4. November 2011 gehe ich in meiner künstlerischen Auseinandersetzung zwei Fragen nach: Wie konnte Rechtsterrorismus in Deutschland entstehen? Wurden diese Entwicklungen durch Politik und Akzeptanz in der Bevölkerung befähigt?"

Nach Ausstellungen in der ganzen Republik und diversen Preisen ist Triangular Stories im Rahmen der Novembertage nun endlich in meiner Heimatstadt Zwickau zu sehen - erstmals mit der Installation "Unbetitelt" und der Photoserie "Where were you in '92?"


"Triangular Stories"

"Triangular Stories" (2012) ist eine begehbare Videoinstallation, die sich anhand des Mediums Homevideo spezifisch dem Ursprung des NSU zu Beginn der 90er Jahre in Ostdeutschland nähert und letztlich exemplarisch der Entstehung von Rechtsterrorismus in Deutschland auf die Spur kommt.
Zwei inszenierte Homevideos, zeitlich verlegt in das Jahr 1992, eines aus der Jugend von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt in ganz realen, aber doch seltsam realitätsfernen Plattenbauten von Jena, und eines von drei Teenagern, die auf der Partyinsel Ibiza kaum erwarten können, das erste Mal Ecstasy zu nehmen – Ausschnitte also aus sehr verschiedenen Lebensrealitäten. Wo hört die Unschuld von drei randalierenden Jugendlichen auf? Und wo beginnt die Verantwortung eines hedonistischen Partyvolkes?
Bislang war "Triangular Stories" auf zahlreichen Festivals und Ausstellungen zu sehen, unter anderem in Berlin, Kassel, Dresden und Osnabrück. 2013 folgte die Nominierung für den "Lichter Art Award Frankfurt" und die Auszeichnung mit dem "Expanded Media Award für Medien im Raum" beim Stuttgarter Filmwinter.


"Unbetitelt"

Die Folgearbeit "Unbetitelt" erweitert den Fokus hin zur Neuen Rechten. Die Generation '92 ist erwachsen geworden, definiert sich vordergründig durch Familie und Eigenheim. Springerstiefel und Bomberjacke gibt es nicht mehr als eindeutiges Erkennungszeichen. Wie präsentiert sich die rechte Szene heute, mit welchem faschistischen oder faschistoiden Selbstverständnis agiert sie mitten in unserer Gesellschaft? Wie sieht das „gemäßigte“ Umfeld aus, in dem Rechtsterrorismus wachsen und gedeihen kann? Basierend auf Facebook-Recherchen entsteht ein verstörendes Bild des deutschen Durchschnittswohnzimmers.
"Unbetitelt – Eine begehbare Rauminstallation (2013) – in vier Räumen erschließt sich zwischen Buche und Chrom eine neue Perspektive aus und auf Deutschland. Spaß, Spießigkeit, spontane Aggressivität und ein latenter, multipler Haß kennzeichnen die Vorhölle rechtsradikalen Denkens.


"Where were you in '92?" Eine Photoserie (1992/2012)
Privatphotos aus Ost und West, verbunden durch das Jahr 1992, ermöglichen einen sehr persönlichen Blick auf das Heranwachsen in Deutschland kurz nach der Vereinigung.


Zum Begriff "Generation Loss":

In der Videotechnik spricht man beim Kopieren von Videokassetten von verschiedenen Generationen des Originals. Der Qualitäts- und Informationsverlust von Generation zu Generation wird in der Videotechnik als Generation Loss bezeichnet. Für Henrike Naumann wird er zum Schlüssel zum Verständnis der Entwicklung des Neofaschismus in Deutschlands. Es geht nicht nur um bekannte Positionen wie „Opa war in Ordnung“, sondern um die Weitergabe rechten Gedankenguts durch ältere Geschwister und Freunde in der Szene.

Biographie:

Henrike Naumann wird 1984 in Zwickau in der damaligen DDR geboren. Zur Wiedervereinigung ist sie 6 Jahre alt. Als Jugendliche erlebt sie den Rechtsextremismus als Jugendkultur in Ostdeutschland, wogegen sie sich durch die Leitung eines offenen Jugendtreffs engagiert.
Nach dem Abitur 2003 verlässt sie Zwickau, um an verschiedenen Theatern und Galerien zu assistieren. Ab 2006 Bühnen- und Kostümbildstudium an der Hochschule für Bildende Künste Dresden, dort die Erkenntnis: Film.
Es folgt die Ausstattung diverser Kurzfilme und ab 2008 ein Szenenbildstudium an der Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" in Potsdam-Babelsberg. Ab 2010 eigene Regiearbeiten und Installationen. 2012 entsteht die Diplomarbeit "Triangular Stories".


FAK - DER Kunstverein in Zwickau
Ausstellungen: Hölderlinstraße 4, D - 08056 Zwickau


freunde-aktueller-kunst.de

PM





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- Busan Biennale 2018

- Gallery Weekend Berlin 2019

- Kyiv Biennial 2023

- Riga Biennial 2018


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