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Boris Lurie

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Entgrenzungen – von öffentlichen und privaten Sphären

31.7.-28.11.2021 | Kallmann-Museum, Ismaning

Wo verlaufen eigentlich die Grenzen zwischen dem privaten und öffentlichen Bereich? Dieser Frage geht die internationale Gruppenausstellung „Entgrenzungen“ nach. Anhand von 13 künstlerischen Positionen betrachtet sie öffentliche und private Sphären sowie deren unscharfe Trennlinien aus verschiedenen Blickwinkeln. So wird gefragt, wieviel Privatheit es im öffentlichen Raum gibt und wer diesen Raum überwachen darf. Untersucht wird auch, wie man sich im öffentlichen Raum verhält, wie sich öffentliche Ereignisse in das Leben des Einzelnen einschreiben und wie umgekehrt der Einzelne gesellschaftlich wirken kann. Es geht aber auch um Stereotype heimischer Behaglichkeit, um die Gefährdungen des Privatraums sowie um die gebaute Grenze zwischen der privaten Wohnung und der Straße.

Mit Arbeiten von: Peter Braunholz, Mahdi Fleifel, Korpys/Löffler, Zilla Leutenegger, Melanie Manchot,Simon Menner, Alice Musiol, Gabriele Stötzer, Clemens von Wedemeyer, Marianne Wex, Gernot Wieland, Michael Wolf, Ina Wudtke.

Gewöhnlich werden das Private und das Öffentliche als zwei Sphären dargestellt, die voneinander unterschieden sind und sich doch gegenseitig bedingen. So beginnt die Privatsphäre dort, wo die Öffentlichkeit keinen Zugriff mehr hat. Was von öffentlichem Interesse ist, kann nicht mehr als Privatangelegenheit verhandelt werden. Und es wird unterschieden zwischen einer Privatperson und einer Person des öffentlichen Lebens. Solche Sphären werden kulturell, historisch oder regional bedingt unterschiedlich konstruiert und definiert und unterliegen stetigen Veränderungen.

Die Trennungen aber erscheinen bei näherer Betrachtung als unscharf, und es fällt schwer, genaue Grenzen festzulegen, haben sich die Sphären des Privaten und Öffentlichen doch schon immer überschnitten, durchdrungen und ineinandergewirkt. Der feministische Slogan „Das Private ist politisch“ benennt prägnant, dass vermeintlich private Angelegenheiten wie Partner*innenschaft, Sexualität, Gesundheit und Familie vom öffentlichen Denken geprägt sind und deshalb auch dort verhandelt werden. In einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft zeigen sich diese Wechselbeziehungen auf weiteren Ebenen: Mit Verweis auf die öffentliche Sicherheit wird die staatliche Überwachung unser aller Leben seit etwa zwei Jahrzehnten dramatisch ausgeweitet, und in Internetökonomien wird mit Daten zu unseren privaten Interessen Wert generiert. Aktuell haben in der Corona-Pandemie zudem Fragen nach dem privaten und öffentlichen Raum noch einmal neueBedeutung gewonnen.

Die Ausstellung „Entgrenzungen“ stellt künstlerische Positionen vor, die diese Sphären befragen. Melanie Manchots „Kiss“ bringt die Spannung zwischen öffentlichem Raum und sehr privaten, zwischenmenschlichen Handlungen zum Ausdruck. Michael Wolfs Fotografien, die verpixelte Porträts und unvorhergesehene Ereignisse aus Google Street View zeigen, beschäftigen sich mit der Frage, inwieweit private Ereignisse durch die fortschreitende Ausweitung der fotografischen Erfassung des gesamten öffentlichen Raums überhaupt noch privat bleiben können. Die Arbeiten des Künstlerduos Korpys / Löffler wiederum offenbaren, wie sehr unsere Wahrnehmung öffentlicher und politischer Ereignisse von medialen Inszenierungen geprägt ist. Da die Arbeit zudem damit spielt, dass wir eine Perspektive einnehmen, aus der wir Beamt*innen beobachten, deren Aufgabe es ist, unter anderem uns zu beobachten, wirft sie spannende Fragen nach dem Verhältnis von Überwacher*innen und Überwachten auf. Simon Menners Fotografien aus den Stasi-Archiven zeigen, dass in einem Überwachungsstaat das Private praktisch aufgehoben wird, während das Video „mass“ von Clemens von Wedemeyer historische Bilder von Massenaufläufen aneinanderfügt und überblendet, bis die Masse sich schließlich in einem grauen Rauschen auflöst. Die Arbeit verdeutlicht eindrucksvoll, dass die Reduktion der Öffentlichkeit auf das Bild einer grauen und gleichförmigen Masse gerade ein wesentliches Charakteristikum von Öffentlichkeit unterschlägt, nämlich das Zusammenkommen von vielen Individuen. Dem öffentlichen Raum nähert Gabriele Stötzer sich auf andere Weise. In ihrem Film „Veitstanz/Feixtanz“ können wir 13 jungen Menschen dabei zusehen, wie sie auf Hügeln, in Hinterhöfen, auf Fußballfeldern oder in Straßen ekstatische Bewegungen vollziehen, die gleichermaßen tänzerisch wie unvorhersehbar erscheinen. Die Szenen wurden im öffentlichen Raum des repressiven Systems der DDR gedreht, der gerade nicht von Rede- und Meinungsfreiheit geprägt ist – und in dem man dennoch feixend der Repression ins Gesicht lachen kann. In der Videoarbeit „I signed the petition“ von Mahdi Fleifel werden wir Zeuge eines Gesprächs zwischen Freunden. Einer der beiden äußert seine Angst vor den Folgen einer von ihm unterzeichneten Petition, in der gefordert wird, dass die Band Radiohead Konzerte in Israel boykottieren soll. Wir erleben eine turbulente Gefühlsreise, die von der Sorge um politische Konsequenzen für die Unterschrift einer Privatperson bis hin zu der beunruhigenden Feststellung reicht, dass eben diese Privatperson politisch irrelevant ist. Einer Vermengung politischer und biografischer Ereignisse begegnen wir auch in der Installation „Ink in Milk“ von Gernot Wieland. Sie reflektiert darüber, wie vermeintlich verlässliche persönliche Erinnerungen Konstruktion und Verfälschung unterliegen.

Die Serie „Topophilia“ von Peter Braunholz stellt mit den leeren Straßen und verschlossenen Häusern geradezu paradigmatisch eine Situation vor, die während Corona mit dem Rückzug ins Private, in die eigenen vier Wände Normalität wurde. Auf humorvolle Weise beschäftigt sich Alice Musiol mit der privaten Reihenhaussiedlung, die sie aus Toastbrot errichtet. Die vielen kleinen Häuschen transportieren eine bestimmte Vorstellung privaten Glücks, besitzen in ihrer normierten Gleichförmigkeit und Enge aber auch eine bedrohliche und unheimliche Ausstrahlung. Zilla Leuteneggers Rauminstallation eines Schlafzimmers stellt auf poetische Weise die private Wohnung als einen Ort des Rückzugs, des Lebens und Genusses, der Kontemplation, aber auch der Einsamkeit dar. Der Gefährdung dieses Raums widmet sich Ina Wudtke, deren Papierarbeit „Entmietung“ Wudtkes juristischen Kampf um den Erhalt ihrer Wohnung zu einer niedrigen Miete in Berlin verarbeitet. Die Arbeit untersucht, wie in einem von Privateigentum bestimmten Wohnungsmarkt das öffentliche Interesse, dass jede Person einen privaten Rückzugs- und Erholungsraum hat, immer wieder aufs Spiel gesetzt wird.

Marianne Wex' Arbeit "Let's Take Back our Space" untersucht durch Straßenfotografien, Werbebilder und historische Referenzbilder, wie gesellschaftliche Machtverhältnisse in den vermeintlich unabhängigen privaten Körper eingeschrieben sind. Die Arbeit setzt sich künstlerisch mit den Kerngedanken der zweiten Welle der Frauenbewegung auseinander und zeigt dabei die gesellschaftlichen Konstruktionsprozesse unseres privaten und öffentlichen Auftretens als prinzipiell veränderbar auf.

Kuratiert von Rasmus Kleine und Luca Daberto
Die Ausstellung ist Teil der Ausstellungsreihe „hell dunkel“ der „Landpartie – Museen rund um München“.

Kallmann-Museum, Ismaning
Schloßstr. 3b | 85737 Ismaning
www.kallmann-museum.de

Presse





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