In diesem Jahr wäre Karl Marx 200 Jahre alt geworden und – anders als noch vor einigen Jahren – wird wieder viel über den bedeutenden Ökonomen und Philosophen und seine Ideen gesprochen. Es scheint, dass die Analyse von Marx´ Hauptwerk „Das Kapital“ keineswegs abgeschlossen ist, beschreibt Marx doch die Ungleichheit zwischen arm und reich als ein von Menschen gemachtes Verhältnis, welches in den letzten Jahrzehnten – im Zeitalter der Globalisierung – dramatisch zugenommen hat. Dabei bestimmt das „Kapital“ nicht nur die Wege in Wirtschaft und Politik, sondern beeinflusst auch soziale, kulturelle, wissenschaftliche und ökologische Entwicklungen. Die Möglichkeiten, sich diesem grenzüberschreitenden Modus zu entziehen, scheinen gering und fristen – angesichts der hieraus resultierenden Verwerfungen – in den aktuellen Diskursen noch immer ein Schattendasein.
Am 15. April 1841 wurde Karl Marx an der Universität Jena mit einer Arbeit zur Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie zum Doktor der Philosophie promoviert. Dieses wissenschaftshistorische Ereignis ist uns Anlass, um mit zwölf künstlerischen Positionen an den 200. Geburtstag von Karl Marx zu erinnern. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen jedoch keine faktischen, historischen Verortungen, sondern künstlerische Interventionen, die sich am Zustand unserer Gesellschaft reiben und auf diesen reagieren.
So verschieden die Sichtweisen auf den Kapitalismus auch sein mögen, die von Marx eingeleitete Kritik an der politischen Ökonomie hat weder an Dringlichkeit noch an Tragweite verloren. Hinzu kommt eine Perspektive, die Karl Marx zwar angerissen hat, die jedoch in ihrer komplexen Dramatik kaum vorhersehbar war: die Endlichkeit all jener Ressourcen, die ein friedliches und gutes Leben auf diesem Planeten ermöglichen. Dass davon nicht nur die Art unseres Wirtschaftens, sondern auch alle politischen, sozialen und kulturellen Bereiche betroffen sein werden, ist hinlänglich bekannt. Trotz dieser verbreiteten Einsichten konnten neue gesellschaftstheoretische Ideen kaum an Raum gewinnen. Damit ist unser „Utopia“ wieder zu einem „Land ohne Ort“ geworden, ebenso fern wie zu Zeiten von Thomas Morus und gespickt mit den immer gleichen Wünschen nach einem gerechten und sicheren Leben in einem Land mit einem Maximum an Gleichheit und einer Gemeinschaft ohne Ausbeutung. Auch wenn das Scheitern der kommunistischen Weltgesellschaft lange Schatten nach sich zieht, so bleibt die Entwicklung von Utopien existenziell für jede nur denkbare friedvolle Zukunft der Menschheit. Genau hier setzt die ungarische Philosophin Ágnes Heller an und verlangt einen realistischeren Blick auf unsere Geschichte, auf genau jene gescheiterten Ansätze, die regelmäßig in totalitären Strukturen geendet sind. Mit Querverweisen auf George Orwell („1984“), Aldous Huxley („Schöne neue Welt“) und Michel Houllebecq („Unterwerfung“) beschreibt Heller eine Welt ohne Happy End, die zugleich das Ergebnis eines Lernprozesses ist, denn „ein gerechter Staat würde ein Staat sein, wo niemand sagt, dass es ungerecht ist. […] Ich sage nicht nur, dass ein gerechter Staat nicht möglich ist, ich sage eher, dass es nicht wünschenswert ist.“
Anhand verschiedener künstlerischer Interventionen zeigt die Ausstellung Arbeiten von KünstlerInnen, die sich kritisch mit unserer ökonomischen und sozialen Gegenwart und deren ideellen Hintergründen auseinandersetzen. Dabei koexistieren Optimismus und Pessimismus in einem ähnlich fragilen Zusammenhang, wie das für das Gleichgewicht zwischen Utopie und Dystopie der Fall ist. Krisen und Kriege, Armut und Migration, technologische Entwicklungen und ökologische Veränderungen sind nur einige jener Faktoren, die das Gleichgewicht vergangener Jahrzehnte, die Verheißungen der Moderne bedrohen und Veränderungen ankündigen, die uns alle betreffen werden. Utopische und dystopische Erzählungen sind typisch für Zeiten des Umbruchs, und die Reflexionen der KünstlerInnen dieser Ausstellung können dazu beitragen, Widersprüche aufzuzeigen und Wege zu neuen Sichtweisen zu öffnen.
Die KünstlerInnen sind: İnci Eviner, Felix M. Furtwängler, Susann Maria Hempel, Sven Johne, Sebastian Jung, Tilman Knop, Christin Lahr, Elodie Pong, Gunter Reski, Julian Röder, Henrik Schrat und Nasan Tur.
Symposium
Von Gespenstern und geteilten Himmeln
Ideen einer gerechten Gesellschaft nach Marx
Jena, 3.-6. Mai 2018
marx-jena.de
Kunstsammlung Jena
Städtische Museen Jena
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