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Boris Lurie

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echt jetzt

26.11.23 – 3.3.24 | Kunstmuseum Heidenheim

Die Fähigkeit der bildenden Künste, die Natur so exakt zu imitieren, dass die Unterscheidung zwischen Fiktion und Realität verschwimmt, war ein beständiges Ideal innerhalb der Kunstgeschichte. Im 20. Jahrhundert verlor das Trompe-l'œil jedoch an Strahlkraft und wurde zunehmend als Effekthascherei diskreditiert.
Aktuell lässt sich eine Rückkehr zum Illusionismus in der Kunst, aber auch in den sozialen Medien, verzeichnen. Die Ausstellung echt jetzt spürt diesem Phänomen nach. Am Beispiel von rund 70 Gemälden, Skulpturen, Zeichnungen und Schmuckstücken von 16 Kunstschaffenden zeigt sie, wie diese das traditionsreiche Thema für die Gegenwart neu definieren.

Dass die malerische und bildhauerische Augentäuschung wiederkehrt, mag zunächst überraschen. Schließlich stehen zeitintensive handwerkliche Techniken gewissermaßen im Widerspruch zur aktuellen Zeit, in der durch digitale Medien die Kunstproduktion schneller, anders und neuer ginge. Doch vielleicht liegt genau darin das Verständnis für das Comeback: Denn in Zeiten von KI, Photoshop und digitalen Filtern scheint die Erfahrung des Alltäglichen schwerwiegende Risse zu erhalten. Was ist überhaupt noch echt? Welchen Bildern können wir noch trauen? Diese Unsicherheiten werden verstärkt durch eine Änderung des Zeitgefühls. Trends wechseln in nie gekannter Schnelligkeit, Apps und soziale Netzwerke fesseln unseren Blick an Bildschirme, lassen die Zeit vergessen und ersetzen die Realität durch Abbildungen.
Das Trompe-l’œil bietet in diesem Zusammenhang zwei reizvolle Perspektiven: Zum einen muss auch die Malerei neue Mittel finden, um in der aktuellen Ökonomie der Aufmerksamkeit zu bestehen. Das bereits in der Antike funktionierte Prinzip der Augentäuschung erweist sich auch heute noch als tragfähig. Sich von handwerklichem Können hinters Licht führen zu lassen, in der Regel mit der beruhigenden Gewissheit, dass es sich um Artefakte handelt, begeistert das Publikum damals wie heute.
Zum anderen mag auch die Tatsache, dass die Welt zunehmend digitaler wird, die Sehnsucht nach dem Handgemachten stärken. Die meisten der ausgestellten Werke thematisieren die Malerei als solche. Die Augentäuschung ist hierbei oftmals Mittel zum Zweck, die zwar einen Überraschungseffekt bietet, letztlich aber doch darüber hinausgeht.

Dieser Aspekt zeigt sich vor allem an den Motiven, die in aller Regel wenig spektakulär sind. Dean Annunziata etwa imitiert Rohspanplatten, Tom Früchtl malt Dreck und Gebrauchsspuren, Lieven Hendriks scheinbar aus Papier ausgeschnittene Formen, Lennart Rieder Oberflächen von Textilien und Jochen Mühlenbrink Verpackungsmaterialien. Diese Motive verweisen auf nichts, sind keine Symbole oder Allegorien. Sie sind Malerei, die durch die Imitation einlädt, genauer hinzusehen und die Malerei als solche zu erleben. Dieser Umstand verdeutlicht, dass die Rückkehr des Gegenstands keine Anbiederung ist, sondern eine eigene Strategie, das Sehen vom Gegenständlichen zu lösen. Das mag widersprüchlich klingen, zeigt sich aber etwa bei Annunziatas Rohspanbildern. Würden wir diese bloß als Nachahmung betrachten, wäre das ziemlich banal. Aus der Nähe offenbaren sich jedoch Farbklänge, Punkte und Strukturen, die eine Aufmerksamkeit fordern, wie wir sie einem abstrakten Gemälde gegenüberbringen würden.

Ein zweiter Themenschwerpunkt der Ausstellung ist der der Vergänglichkeit. Sabine Großs bildhauerische Arbeiten spielen mit der Stabilität und Dauerhaftigkeit der Minimal Art und hinterfragen diese. Stefan Bircheneder entführt das Publikum in leerstehende Fabriken oder Zeugnisse hinterlassener Arbeitsmittel, etwa Umkleidekabinen oder Duschen. Auch Ymer Shaqiris kleinformatige Acrylbilder erzählen vom Zerfall von Häusern und Wänden.

Enge Überschneidungen hat dieser Bereich mit der Faszination für das Alltägliche, meist Unspektakuläre. Jessi Strixner etwa schnitzt bereits getragene Kleidungsstücke und impliziert so eine Bedeutung in die täglichen Objekte. Toninho Dingl zeigt einen gemalten und nachgebauten Süßigkeitenautomaten oder vergrößert Striche auf Bierdeckeln, was durchaus eine humorvolle Annäherung an die Thematik ist. Auch die Schmuckdesignerin Julia Obermaier widmet sich alltäglichen Motiven, etwa Radiergummis oder Bonbons, die sie aus Gold, Edelsteinen und Silber nachbaut.

Ein letztes Thema ist das der Verschränkung von digitalen und malerischen Mitteln. Hier stehen sich Thorben Eggers und Johannes Bendzulla gegenüber. Eggers malt Landschaften, in denen abstrakte Gebilde fliegen, die sich aus Fingerbewegungen auf dem Smartphonedisplay ableiten. Bendzulla arbeitet hingegen gänzlich digital, imitiert dabei aber Stilmittel der Malerei.

Parallel ist die Ausstellung "Benjamin Moravec. Die Ränder der Fiktion" zu sehen.

KUNSTMUSEUM HEIDENHEIM
Marienstr. 4
89518 Heidenheim
kunstmuseum-heidenheim.de

Presse





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