Bis die Zeit vergeht: Bereits der Ausstellungstitel, der eine Verszeile aus dem Song Déjà Vu der 1980er-Jahre-Band Spliff zitiert, verweist auf einen zentralen Aspekt im Werk der Künstlerin Alex Müller (*1969 in Düren; lebt und arbeitet in Berlin und in der Uckermark): das komplexe Phänomen Zeit. Immer wieder findet sie eindrückliche Bildäquivalente für die Zeit, für ihr Voranschreiten ebenso wie für ihre Relativität. Für die Kunsthalle Nürnberg hat Alex Müller aus biografischen Anspielungen, kulturellen Verweisen und kunsthistorischen Bezügen eine inhaltlich wie ästhetisch abwechslungsreiche Ausstellung in acht Kapiteln entwickelt.
Hände, Hüte, Besen und das Haus vom Nikolaus. Messer, Gabel, Löffel und die Fünf als kompakte Strichliste. Erbsen, Füße, Stiefel und grafische Muster: All diese Stellvertreter unserer Lebensrealität erhalten im Werk von Alex Müller eine spezifische Aufladung, ebenso wie jegliches Material in ihrem Œuvre zum künstlerischen Werkstoff werden kann. Die narrative Offenheit ihrer Arbeiten verstärkt die Künstlerin durch ein kluges Spiel mit den Grenzverläufen zwischen Malerei, Zeichnung, Bildhauerei, Installation, Film, Sound und Performance.
Oft erscheinen die Gemälde von Alex Müller wie Standbilder eines Filmes. Die Künstlerin hat mit ihren Bildern einen spezifischen Weg gefunden, den Augenblick festzuhalten und die Vergangenheit nicht durch einen Erzählfluss, sondern durch eine Vielzahl an prägnanten Momentaufnahmen zu visualisieren. Ihre assoziativen Werktitel haben oft einen biografischen Bezug. Hier finden sich Namen von Verwandten und Freund*innen, von Held*innen ihrer Kindheit und Jugend, Verweise auf geliebte Bücher und Filme sowie auf Ereignisse oder Emotionen aus der Vergangenheit. Geschichten werden angedeutet, aber nie vollständig erzählt. Lücken und Leerstellen laden ein, sie mit eigenen Erfahrungen und Assoziationen zu füllen.
Mit Bis die Zeit vergeht hat Alex Müller für die acht Oberlichtsäle der Kunsthalle Nürnberg eine spezifische Ausstellung entwickelt, denn die Dramaturgie der Räume scheint besonders geeignet, den komplexen Kosmos der Künstlerin zu visualisieren. Sie dienen der Künstlerin als eine Art Archiv und bieten die Möglichkeit, zu sortieren, zu gewichten und Relevantes zu thematisieren. So benennt die Künstlerin die Ausstellungsräume nach Orten und damit nach zentralen Stationen in ihrer Biografie: vom Dorf Huchem-Stammeln bei Düren über Los Angeles und Carcassonne bis zum Berliner Stadtteil Neukölln, indem die Künstlerin heute lebt. Ein zielorientiertes Durchschreiten der Räume wird von der Architektur nicht vorgegeben. Jeder der Räume der Kunsthalle Nürnberg besitzt eine neue Ausrichtung sowie charakteristische Proportion, und jeder der Räume führt uns weiter und weiter durch eine Architektur, die in die historische Stadtmauer Nürnbergs integriert ist. Gekonnt thematisiert Alex Müller diese spezifische Raumstruktur, indem sie die Ausstellungsbesucher*innen immer wieder vor Barrieren laufen lässt, alternative Laufwege definiert oder durch installative Eingriffe Umwege provoziert.
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Kuratorin: Dr. Harriet Zilch
Kunsthalle Nürnberg im KunstKulturQuartier
Lorenzer Straße 32
90402 Nürnberg
www.kunsthalle.nuernberg.de
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