Im niedersächsischen Osnabrück kann seit 1998 das Felix-Nussbaum-Haus und seine Sammlung erkundet werden. Schon ein Blick auf das Luftbild legt die Vermutung nahen, dass es aus der Feder des Architekten Daniel Libeskind stammt, der in dem darauffolgenden Jahre auch das jüdische Museum in Berlin fertig stellen durfte. Ohne Zweifel spricht dieser kleine Vorläufer eine ähnliche architektonische Sprache wie sein großer Bruder in Berlin.
Der Maler Felix Nussbaum wurde 1904 in Osnabrück geboren und 1944 in Auschwitz ermordet. In der chronologischen Abfolge seiner Werke werden alle Lebensabschnitte ablesbar: Von Osnabrück, der behüteten Provinzstadt seiner Jugend, über die Erfolge der 20er Jahre als Maler in der Metropole Berlin bis zum Exil und der aussichtslosen Situation im Untergrund nach der Flucht aus einem Internierungslager. Eines seiner letzten Bilder im April 1944 hat den Titel "Triumph des Todes (Gerippe spielen zum Tanz)". Die 160 Bilder der Sammlung Felix Nussbaum haben Tagebuchcharakter, sie dokumentieren wie Kunst zu Widerstand wird und dennoch den Künstler in den Tod begleitet.
Das Gebäude ist eine Erweiterung des Kulturgeschichtlichen Museums von Osnabrück. Es besteht aus drei Teilen, die fast wie zu einem Dreieck in den Garten des Altbaus geworfen wurden. Der Eindruck des Beliebigen täuscht, weil allen Richtungen eine theoretische Konzeption zugrunde liegt. Sie beziehen sich unter anderem auf die ehemalige NSDAP-Parteizentrale oder Osnabrücks nicht mehr existierende Synagoge.
Jeder Teil des Ensembles hebt sich nicht nur durch sein Ausrichtung, sondern auch durch ein anderes Material hervor. Der Nussbaum-Gang, schmal und hoch, wird vom Eingang durchschnitten und drückt sich mit seinem Sichtbeton harsch in die Osnabrücker Architekturlandschaft.
Rechts davon, im spitzen Winkel abzweigend, befindet sich das Nussbaum-Haus. Es besitz von allen drei Gebäudeteilen das größte Volumen und wurde, von außen auffallend, mit einer Eichenholztäfelung verkleidet.
Beides, Nussbaum-Haus und Nussbaum-Gang, verbindet die Nussbaum-Brücke, der mit Zinkblech verkleideter Übergang zum Museumsaltbau.
Ziel der Architektur scheint die Verunsicherung gewesen zu sein. Es gibt keine rechten Winkel, keine horizontalen Fenster, keine bekannten und den Sehgewohnheiten entsprechenden Räume. Alles ist schief und schräg. Libeskind nennt es "Das Museum ohne Ausgang" und meint nicht nur den fehlenden realen Ausgang (der befindet sich im Kulturgeschichtlichen Museum), sondern auch den fehlenden Ausgang in der Erlebbarkeit. Wenn nichts wie gewohnt ist, muss alles neu erlebt werden, damit hat die emotionale Wahrnehmung von Architektur und ihrem Inhalt oberste Priorität.
Innenräumlich begibt sich der Besucher durch die Stationen des Nussbaumschen Lebens, indem er sich durch die drei Gebäudeteile spiralförmig nach oben bewegt. Dort entflieht oder flaniert er, je nach Einstellung, ins nebenstehende Reich der Sicherheit im Kulturgeschichtlichen Museum mit den Modellen des mittelalterlichen Osnabrücks im Maßstab 1:500.
Ob Sie nun nach Osnabrück fahren sollen? Ob sich das lohnt? In jedem Fall.
Dort steht ein fantastisches Stück Architektur, dass durch die 4 Jahre seiner Nutzung eher gewonnen, als verloren hat. Vieles von seiner artifiziellen Gartengestaltung ist verloren gegangen und nimmt der Anlage damit etwas von ihrer Überfrachtung. Die Materialien sind vergraut und haben eine leichte Patina, das steht ihnen gut. Wenn Sie nun noch resistent sind gegen Wege beschreibende Museumswärter, die sich an jeder Ecke schreiend mit Richtungsangabe beschäftigen, lassen Sie Kunst und Architektur in einem seltenen Zusammenspiel auf sich wirken.
Felix-Nussbaum-Haus mit der Sammlung der Niedersächsischen Sparkassenstiftung
Öffnungszeiten:
Dienstag – Freitag 11-18 Uhr
Samstag/Sonntag 10 -18 Uhr
Lotter Straße 2
49078 Osnabrück
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Foto: Luftaufnahme Bitter/Bredt
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Foto und Text shf
felix-nussbaum.de
shf
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Daniel Libeskind
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Galerie 15
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Galerie Alte Schule im Kulturzentrum Adlershof