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Boris Lurie

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Roberto Cuoghi

3. Dezember 2022 – 29. Mai 2023 | Fridericianum, Kassel

Roberto Cuoghi, der 1973 in Modena geboren wurde und heute in Mailand lebt, lässt sich als Künstler schwerlich einer Kategorie zuordnen. Seine Praxis umfasst nahezu das gesamte Spektrum künstlerischer Gattungen und weist dementsprechend unzählige Erscheinungsformen auf. Gleichermaßen reflektiert sie die Beschäftigung mit vielfältigen, teilweise scheinbar widersprüchlichen Themen und Fragestellungen. Diese reichen von konzeptionellen wie auch praxisbezogenen Überlegungen zur Realisierung von Kunstwerken über ein universelles Bildgedächtnis, die Popkultur, bis hin zu den Abgründen der Welt. Das Werk ist derart komplex und verworren, dass man auf den ersten Blick vermuten könnte, es wäre von mehreren Autor*innen erarbeitet. Genau dieser Umstand soll im Rahmen der Ausstellung vermittelt werden: Es werden Arbeiten aus einem Schaffenszeitraum von etwa zehn Jahren in den Fokus gerückt, die teilweise in Zusammenarbeit mit der 1965 in Châlons-en-Champagne geborenen und heute in Paris lebenden Designerin matali crasset in Szene gesetzt sind.

Den Auftakt der Ausstellung bilden im Erdgeschoss eine Auswahl von Werken der Serie Imitatio Christi, die der Künstler 2017 für die Biennale Venedig produzierte. Sie fußen einerseits auf Cuoghis intensiver Beschäftigung mit der christlichen Ikonografie, andererseits auf der kontinuierlichen Erforschung experimenteller Produktionstechniken. Hierbei nutzte er die Gussform eines hageren, bärtigen – an Christus-Darstellungen erinnernden – Mannes als Basis. Unter Verwendung von Algenextrakt und Gelatine goss er in dem Hohlkörper lebensgroße Figuren, die im Folgenden in Zeltarchitekturen mit verschiedenen klimatischen Bedingungen präsentiert wurden. Bereits nach kurzer Zeit wurden die Objekte von Schimmel und Bakterien befallen, wodurch ihre Farbigkeit, Form und Oberflächenstruktur mannigfaltigen Veränderungen unterlagen. Sobald sie für Cuoghi ein bestimmtes Stadium erreicht hatten, wurden sie zunächst in ein Kühlsystem überführt, um ihnen dann in einem Gefriertrockner Feuchtigkeit zu entziehen. Im Anschluss wurden die Objekte von Cuoghi final bearbeitet und als Wandskulpturen am Ende der laborartigen Fertigungsanlage präsentiert. In Form einer äußerst komplexen Installation lieferte der Künstler somit eine ausgesprochen eigensinnige Interpretation der Imitatio Christi, die nicht nur jahrhundertealte Bildtraditionen ins Gedächtnis ruft, sondern ebenso Assoziationen zu Science-Fiction-Filmen heraufbeschwört.

Die im Mittelsaal des ersten Obergeschosses präsentierte Arbeit Šuillakku – corral version (2008–2014) hat demgegenüber einen gänzlich anderen Ausgangspunkt. Mit der immersiven Klanginstallation, in der Töne und Geräusche räumliche Qualitäten aufweisen, versetzt Cuoghi die Rezipient*innen in das Assyrische Reich des 7. Jahrhunderts v. Chr. Es ertönt eine Art Klagelied, das sich auf den Angriff auf die Stadt Ninive, die damalige Hauptstadt des Assyrischen Reiches, und deren Zerstörung bezieht. Die über eine komplexe Audiotechnologie in den Raum schallenden Klänge wurden mit Musikinstrumenten erzeugt, die Cuoghi vor dem Hintergrund umfassender und zeitaufwendiger Recherchen anfertigte, um sie dann eigenhändig zu bespielen. Mittels der Bilder, Vorstellungen und Gefühle, die durch die Komposition hervorgerufen werden, erschafft Šuillakku – corral version eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart, lässt verschiedene Realitäten miteinander verschmelzen und verweist auf immer wiederkehrende Erfahrungen, Herausforderungen und Katastrophen der Menschheit.

Die Arbeit LAŠ (2018), die in den an den Mittelsaal angrenzenden Seitenflügeln installiert ist, schließt unmittelbar an Šuillakku – corral version an. So basiert die Arbeit auf einem Extrakt der früheren Klangkomposition, die von Cuoghi unter Einsatz verschiedener Techniken bearbeitet wurde. In den Ausstellungsräumen entfaltet LAŠ die Qualität eines großen, nur schwer definierbaren Getöses, das unter anderem mechanisch, animalisch oder musikalisch anmutet – vielleicht Unheil ankündigt, vielleicht aber auch ein positives Ereignis verspricht. Durch die Nutzung eines aus einer Vielzahl von Komponenten bestehenden Soundsystems wird der Eindruck erweckt, dass sich die Klangsequenz wie ein rauschender Luftzug durch die Räume bewegt. Das Getöse scheint sich also aus größerer Distanz zu nähern, um sich dann wieder auf die gleiche Weise zu entfernen. Anders als Šuillakku – corral version besetzt LAŠ die Räumlichkeiten nicht als alleinige Arbeit. Vielmehr begleitet und ergänzt sie in den beiden Seitenflügeln Skulpturengruppen, die inhaltlich auf gänzlich andere Themen verweisen.

Neben weiteren noch nie öffentlich präsentierten Skulpturen des Werkkomplexes Imitatio Christi, die in eine von matali crasset speziell für den Anlass entwickelte Ausstellungsarchitektur eingebettet sind, werden Arbeiten aus der Serie Putiferio (2016–2019) präsentiert. Letztere entstanden, nachdem Cuoghi im Zuge der Vorbereitungen seiner Schau in dem auf der griechischen Insel Hydra gelegenen Projekteraum Slaughterhouse voluminöse Wespennester an den dortigen Wänden entdeckte. Die Form und Funktion dieser Bauten führte Cuoghi zu dem Plan, Öfen zu produzieren, um in ihnen aus Keramik geformte Krebstiere zu brennen. Auf diese Weise sollten imaginierte Vertreter*innen der ungemein großen, kaum erforschten, aber stetig schrumpfenden Unterwasserwelt auf das Festland gelangen. In der Folge entstanden Papieröfen sowie improvisierte, Versuchsanordnungen gleichende Feuerstellen, in denen anlässlich des Ausstellungseröffnung im Slaughterhouse im Juni 2016 die Meerestiere durch die Einwirkung großer Hitze in eine feste Form gebracht wurden. Der zeitlichen Verortung kam in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu, da während des Ereignisses – ohne dass es Cuoghi wusste – zum ersten Mal seit nahezu einem halben Jahrhundert die Sommersonnenwende mit einem Vollmond zusammentraf.

Erläutert werden die Keramiken der Putiferio-Serie durch eine Vielzahl von Filmen, die am Ende der beiden Seitenflügel in Form von raumgreifenden Installationen präsentiert sind und die performative Produktion der Skulpturen im Kontext der Insel gewissermaßen dokumentieren. Sie wurden von unterschiedlichen Akteur*innen produziert, denen jeweils identisches Filmmaterial mit dem konzeptuellen Auftrag zur Verfügung gestellt wurde, eigene Interpretationen der Veranstaltung zu liefern. Das Resultat sind ausgesprochen dynamische Filme, die, untermalt von unterschiedlichen Klängen, zwischen Musik- und Modeclips pendeln und damit auf die Mechanismen und Modi der Populärkultur verweisen.

Wie sich im Fridericianum durch die Gegenüberstellung der verschiedenen Werkgruppen nachvollziehen lässt, ist Cuoghis Praxis von der steten Suche nach neuen, andersartigen Inhalten, Problematiken, Arbeitsweisen und Ausdrucksformen geprägt. Aufgrund ihrer Vielfalt, Unermüdlichkeit und Intensität nimmt sie im internationalen Kunstkontext eine absolute Sonderstellung ein und bietet mit ihrer kontinuierlichen Untergrabung der Konventionen ein ungemein großes Potenzial für neue Perspektiven.

fridericianum.org

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