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Boris Lurie

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Michael Landy. Out of Order

8. Juni – 25. September 2016 | Museum Tinguely, Basel

Das Museum Tinguely Basel zeigt im Sommer 2016 die erste Retrospektive des britischen Künstlers Michael Landy überhaupt. Die Ausstellung „Michael Landy. Out of Order“ vereint Werke von 1990 bis heute und umfasst somit sein gesamtes bisheriges Oeuvre. Die Arbeiten sind Teil einer einzigen, übergreifenden Ausstellungsinstallation, die in einer "Wanderung, wie durch eine englische Landschaft" (M. Landy) entdeckt werden können.

Landys Kunst ist geprägt von einer intensiven Auseinandersetzung mit der Gesellschaft, mit der Haltung zu Konsum, zur Warenwelt, zur Vergänglichkeit
der Dinge und zum Umgang mit Besitzen und Loslassen. Mit seinen Arbeiten stellen sich (unausgesprochen) essentielle Fragen: Was macht materieller Besitz mit uns?

Was brauchen wir zum Leben? Oder auch: Wie schöpferisch ist Zerstörung? Immer wieder gelingt es dem Künstler, eingängige und überraschende künstlerische Formulierungen zu diesen Themen zu finden. Am letzten Ausstellungstag, Sonntag, 25. September, feiert das Museum Tinguely sein 20-jähriges Bestehen mit einem „Out of Order Day“ im Museum und Solitude Park.

Schon ganz am Anfang seiner Laufbahn gelingt es Landy mit der Installation Market (1990), eine Gestalt für ein Abstraktum wie die Konsumwelt zu finden. Indem er leere Marktstände zeigt, eine grosse Halle mit den mit Kunstrasen belegten stufenförmigen Ständen möbliert, auf denen das
Eigentliche, die Ware, fehlt, rückt er eben gerade diese ins Zentrum des Interesses. Michael Landy hat von 1985 bis 1988 das Goldsmith College absolviert, war 1988 Teil der Ausstellung „Freeze“ und gehört zu der goldenen Generation britischer Künstler, den so genannten "Young British Artists", die in den Neunziger Jahren mit Schock-Taktiken, dem Gebrauch von Abfall, der Inszenierung wilden Lebens und einer zugleich oppositionellen und unternehmerischen Haltung die Kunstentwicklung in Grossbritannien um 1990 prägten. Er ist im Grossbritannien Margaret Thatchers aufgewachsen, in einer zerrissenen Gesellschaft, geprägt von sozialen Konflikten, grosser Arbeitslosigkeit, Deindustrialisierung und damit einhergehend einem massiven Umbau der Arbeitswelt. Hackney im Osten Londons, damaliger Wohnort seiner Eltern, ist ein traditionell von Arbeitern geprägter Stadtteil, der von der Politik der 'eisernen Lady' und ihres Nachfolgers John Major stark betroffen war. Closing Down Sale (1992) und noch viel stärker Scrapheap Services (SHS, 1996) spiegeln die Perspektivlosigkeit wieder. Geht es bei der einen Installation um den Totalausverkauf, bei dem ‚alles raus muss‘, behandelt SHS die Restposten, die man nicht so schnell los wird. Ein spezialisiertes Unternehmen kümmert sich um die Entsorgung überzähliger, nutzlos gewordener Menschen. Michael Landy gab damit eine künstlerische Antwort auf den Zynismus der Politik. 2001 findet mit Break Down die nächste, bahnbrechende Aktion statt. In einer Gesellschaft, in der der Kontrast zwischen Arm und Reich immer stärker wird, in der die Luxusindustrie und der Kunstmarkt zu boomen beginnen (und gleichzeitig am anderen Ende der Gesellschaft die Sozialprogramme überlaufen), macht sich Michael Landy daran, sein gesamtes Hab und Gut zu zerstören.

Alles was ihm gehört, sein Saab 900, seine Kleider, sein Pass, Kunstwerke, Bücher, sein Radiowecker, seine Geburtsurkunde, sein ganzer Besitz werden in einem ehemaligen C&A-Geschäft in der Londoner Oxford-Street von einem 12-köpfigen Team fein säuberlich inventarisiert, vermessen, beschrieben, aufgelistet – und anschliessend zerstört und rezykliert. Dafür hat Landy ein Fliessband aufgebaut, über das der umgekehrte Produktions-prozess abläuft. Am Schluss besitzt er nichts mehr – und startet bei null. Mit Nourishment, einer Serie von 31 Radierungen von Kräutern, die allesamt als Pionierpflanzen gelten – die selbst in Mauerritzen und auf Asphaltflächen wachsen können – beginnt eben dieser Neu-start. Sie ist in ihrer sublimen Detailgenauigkeit Ausdruck höchster Konzentration auf den Gegen-stand der Recherche.

1977 wurde Michael Landys Vater, ein einfacher Arbeiter, bei einem schweren Arbeitsunfall verschüttet, der ihn als "total wreck case" für den Rest seines Lebens arbeitsunfähig machte. Landys sehr persönliche und beklemmende Auseinandersetzung damit manifestiert sich in der Arbeit Semi- Detached (2004), wo er im Rahmen einer Präsentation in der Tate Gallery das Haus seiner Eltern im Ausstellungsraum 1:1 nachbaut, ihr Zuhause filmt, und die versehrten Gliedmassen des Vaters sowie Gegenstände aus seinem Besitz zeichnet. Welcome to my World! Präzise Zeich-nungen von Kämmen, Beschriftungen von Videokassetten, lebensnahe und -grosse Zeichnungen der Füsse und Hände seines Vaters erkunden das Vertraute und gleichzeitig Fremde. Dem schliesst sich die Selbsterkundung an, mit Left-sided Orchitectomy, bei der der Körper des Künstlers selbst zum Thema wird.

Tinguely, dessen Ausstellung 1982 in der Tate den damals zwanzigjährigen Textilstudenten Landy tief beeindruckt hatte, ist ihm eine künstlerische Leitfigur geblieben. 2006 beginnt Michael Landy sich intensiv mit dessen Homage to New York (1960) auseinander zu setzen, bei der Tinguely im Garten des Museum of Modern Art eine Maschine gebaut und sie anschliessend vor geladenem Publikum sich selbst zerstören liess. Es entstehen Zeichnungen, teils monumentalen Ausmasses, nach den Fotografien der Aktion. Mit Korrekturflüssigkeit, Leim, Bleiche und auch mit Tusche setzt Landy die Fotos in vollkommen schwarz-weisse, fast stilisierte Bilder um.

Gleichzeitig wächst bei ihm der Wunsch, Tinguelys Homage to New York als H.2.N.Y. neu zu bauen und die Aktionen als 'reenactment' neu aufzuführen. Die akribische und langandauernde Auseinandersetzung mit einem Thema bleibt eine Konstante im Werk Michael Landys. Nach den Zeichnungen von H.2.N.Y. (2006) entstehen Porträts, die Michael Landy von Freunden, Unbekannten und seiner Familie zeichnet, erschafft eine Credit Card Destroying Machine (2010) und kommt so wieder zu seinem zentralen Thema des Konsumismus, das auch bei Art Bin (2010) im Zentrum steht. Besucher werden aufgerufen, nicht nur Kreditkarten zu schreddern, sondern Kunstwerke, die nicht mehr gebraucht werden, zu entsorgen.

Los zu lassen!
Als Landy 2010-2013 Artist in Residence der Londoner National Gallery ist, entstehen – inspiriert von barocken Gemälden mit Märtyrern – Zeichnungen und Skulpturen namens Saints Alive. Es sind maschinell reanimierte Heilige, deren Tod in den Skulpturen neu inszeniert wird. Die Ausstellung in der National Gallery ist für alle Beteiligten eine Herausforderung – und markiert doch eine ausserordentlich gelungene Aktualisierung von Themen, die im musealen Rahmen in ihrer Sublimierung fast nur noch ästhetisch gelesen werden können. Breaking News, eine Werkgruppe von 2015/2016, ist einerseits eine neuerliche direkte Auseinandersetzung mit unserer Zeit, der Politik, den Ereignissen, die uns bewegen, und andererseits ein Rückblick Landys auf sein Werk.

Das Museum Tinguely zeigt fast alle Werkgruppen, die seit 1990 entstanden sind, vollständig oder mit ausgewählten Werken. Es ist eine Schau, die vom Künstler mit den Kuratoren des Museums eingerichtet wird, und die ein starkes Kapitel Kunst unserer Zeit präsentiert.


Presse





Kataloge/Medien zum Thema: Michael Landy



Michael Landy:


- art berlin 2017

- art cologne 2015

- artbasel2021

- Frieze LA 2019

- Frieze London 2016

- Frieze London 2022

- Frieze London 2022

- MoMA Collection

- Riga Biennial 2018

- Tate Post War Collection London

- Thomas Dane Gallery

- Under Destruction, Basel - Museum Tinguely, Basel


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