Sie kommt aus Düsseldorf, studierte dort bei Markus Lüpertz und arbeitet bis heute in der Stadt am Rhein. Ihre realistischen Gemälde sind nicht nur raumfüllend, sondern verzaubernd geheimnisvoll und führen in einen ganz eigenen mit lauter historischen, literarischen und wissenschaftlichen Zitaten und Personen versetzten Bildkosmos.
Er ist in Leipzig geboren, wuchs in Sul bei Leipzig auf, studierte an der HGB Leipzig Malerei und ist doch kein typisches Kind der Leipziger Schule. Seine Bilder sind nicht aus figuralen Wirklichkeitsfragmenten collagiert, sondern werden von akribisch aufgetragenen Schriftreihen dominiert.
Sie ist Andrea Lehmann, er ist Paule Hammer. Beide zeigt Gil Bronner gerade in den Räumen seiner Sammlung Philara in Düsseldorfer Reisholz.
Ebenso wie Lehmann und Hammer, sind auch die Ausstellungsräume in der ehemaligen Leitz-Fabrik noch recht jung. Gil Bronner, Sohn des Architekten und Kunstsammlers Dan Georg Bronner, hatte das Gebäude 2007 komplett sanieren und zum Atelier- und Ausstellungsbau umfunktionieren lassen. Von den 76 Atelierräumen, werden 63 von der Stadt verwaltet, die restlichen 13 vermietet Bronner selbst an Künstler. Neben seiner eigenen Kollektion zeitgenössischer Kunst, der Sammlung Philara, in deren Räume Bronner zweimal jährlich Wechselausstellungen zeigt, haben sich in der Walzwerkstraße 14 noch die Projekträume pilot projekt für kunst e.V., WalzWerk0 und liaison controverse niedergelassen. Zusammen haben sie es sich zur Aufgabe gemacht, die Kunstszene in Düsseldorf gehörig aufzumischen und sich für junge Kunstschaffende einzusetzen.
So auch für Andrea Lehmann. Ihre malerische Installation >Greeneland< füllt den kompletten Raum im Untergeschoß aus. Die großformatigen Leinwände bilden die Wände einer bühnenbildhaften Architektur, welche den Ausstellungsraum in zwei kleinere Segmente unterteilt. Vereinzelt hängt etwas kleinformatige “Flachware“ an den Wänden, und es stehen lebensgroße Papppferde herum. >Greeneland< versetzt den Besucher in das 19. Jahrhundert. Die großen Gemälde zeigen perspektivisch verzerrte, gut bürgerliche Interieurs, in denen sich bisweilen rätselhafte Szenen abspielen: hier liegt eine langhaarige Frau mit weißem Kleid und geöffneten Augen schneewittchenhaft in einem gläsernen Sarg - dort versucht sich eine weitere junge Langhaarige an einem seltsamen Saiteninstrument, das sich letztlich als Euphonia, d.h. als Sprechmaschine, entpuppt. Aber nicht nur die Gegenstände auf Lehmanns Bildern sind mysteriös. Es sind vor allem die düster, melancholisch blickenden jungen Frauen, die irritieren: bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass es sich bei den langhaarigen Brünetten, die mal sitzend, mal liegend, mal nur als Oberkörper im Raum schwebend abgebildet sind, um ein und dieselbe Person handeln muß. Dieser Veracht bestätigt sich bei einem Blick auf die kleinen Modelle im hinteren Bereich der Ausstellung. Hier nämlich gewährt uns die Künstlerin einen Einblick in ihre Arbeitsweise und zeigt, dass ihre Malerei auf einer photographischen Collage basiert. In der kleinen Kammer im Mittelteil von >Greeneland< legt Lehmann weitere Inspirationsquellen offen. Wie in einem kleinen, chaotischen Archiv sind hier Photos, Zeitungsschnipsel und Ausrucke aus dem Internet an die grün bemalten Wände gepinnt.
Genau wie Andrea Lehmann hat sich auch Paule Hammer in der Sammlung Philara “ausgetobt“: in der Mitte des Raums streckt eine trashige, große, leuchtende Krake ihre wabernden Papiertentakel aus und die Wände sind komplett mit Schwarz-Weiß-Photokopien aus Hammers „aufgepimptem Notizbuch eines Reisenden“, der >Weltenzyklopädie<, zugepflastert. Scheinbar persönliche Geschichten, Gedanken über das Wesen der Kunst, eigene Collagen sowie Photos von E.T., Pin-Up-Girls, der mittelalterlichen Skulptur Uta von Bingens oder aber Pablos Picassos illustrieren das breit gefächerte, postmoderne Bezugsfeld aus dem Paule Hammer schöpft. Nicht jedoch das Bild, sondern die Schrift steht momentan im Vordergrund seines künstlerischen Schaffens. So zeigen die bunten Gemälde säuberlich aufgetragene Textreihen und scheinen zumindest formal wie eine Symbiose der Arbeiten Joe Colemans und Jonathan Meeses. Inhaltlich kommen die Text-Gemälde Paule Hammers einem gründlichen Brainstorming gleich. Auf dem einen Bild wurden die Pros und Kontras zur Abschaffung der Gesetze niedergeschrieben, ein Gemälde hält Assoziationen und Geschichten über Häuser bereit und auf >Weltenzyklöpädia. Nichts erklären, sich auf Nichts festlegen< hat Paule Hammer dem Fußball-Kaiser Franz Beckenbauer ironische Kommentare zum Thema >Erfolg< in den Mund gelegt: „...wollen wir erfolgreich sein in unserer kleinen Kopfwelt, in der wir sowieso die Geilsten sind? Oder wollen wir in der Welt Erfolg haben, in der es auch die anderen gibt, die sich selbst eine Meinung darüber bilden, wer hier der Geilste ist“.
Zwar könnten die Mittel kaum unterschiedlicher sein, doch erzählen sowohl Andrea Lehman als auch Paule Hammer mit ihren Werken Geschichten der besonderen Art und verkörpern damit zwei spannende Tendenzen der aktuellen Malerei, die man auf jeden Fall im Original bestaunt haben sollte!
Abb.:
Ausstellungsansicht von Paule Hammers >Weltenzyklopädie II<
Ausstellungsansicht von Andrea Lehmanns >Greeneland<
Andrea Lehmann, Modell
Andrea Lehmann >Greeneland<
und Paule Hammer >Weltenzyklopädie II<
17.4. – 22.05.2009
Philara - Sammlung zeitgenössischer Kunst
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40599 Düsseldorf
philara.de
Stefanie Ippendorf
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