Die Documenta-Künstlerin Andrea Büttner (*1972) setzt sich in ihrem künstlerischen Werk mit dem Thema Armut auseinander. Für das MMK Zollamt konzipierte die Teilnehmerin der Documenta 13 eine multimediale Rauminstallation, in deren Mittelpunkt eine zwanzig Meter lange Tafel steht.
Das Motiv der gedeckten Tafel erinnert an Refektorien, Kantinen und Armenspeisungen, wie den „Pranzo di Natale“ in Santa Maria di Trastevere in Rom. Die Tafel ist jedoch nicht nur als Esstisch zu verstehen, sondern auch als Bild- und Informationsträger. In diesem Sinn verwendet die Künstlerin den Tisch als Display und arrangiert darauf sorgsam ausgewählte Fotografien und Texte, in denen beispielsweise tradierte Vorstellungen von „arm“ und „reich“ neu verhandelt und Bedingungen von künstlerischer Produktion thematisiert werden.
Büttners Interesse gilt hierbei besonders den sogenannten „little works“, kleinen zunächst unscheinbaren Arbeiten. In einer Vitrine werden bemalte Kieselsteine von verschiedenen Künstlern gezeigt, unter anderem der Nachguss einer Kieselsteinplastik von Kurt Schwitters, die 1944/47 im Exil entstand und ein bemalter Kieselstein von Salvador Dali. Hinter der schlichten Form und Gestaltung verbirgt sich das politische Potential seiner Entstehung, ohne dies explizit zu thematisiert. „Andrea Büttner, deren Werk ich sehr schätze, steht mit ihrem konzeptionellen Ansatz in der Tradition von Künstlern wie Martin Kippenberger oder Rosemarie Trockel. Durch die präzise Materialwahl und die spezielle Präsentationsweise ihrer Arbeiten auf der langen Tafel erzeugt sie gezielt Schnittstellen zwischen sozialen Fragen und kunsthistorischen Diskursen,“ so Dr. Susanne Gaensheimer, Direktorin des MMK.
Ein zentrales Element der Ausstellung ist ein Abendessen mit Tischreden, das an einem Abend an der langen Tafel in Form eines Gastmahls stattfindet. Für dieses Essen hat Andrea Büttner die Künstlerin und Food-Aktivistin Claire Pentecost eingeladen, um, bezugnehmend auf die kunsthistorische Bedeutung der „Eat Art“ der 1960er Jahre, ein thematisches Menü zu Vorstellungen von „arm“ und „reich“ zu konzipieren. Diese Ansätze werden auch von den Rednern des Abends, dem Medientheoretiker und Philosophen Franco Bifo Berardi, der Literaturwissenschaftlerin Liliane Weissberg, der künstlerischen Leiterin der Documenta 13 Carolyn Christov-Bakargiev und der Künstlerin Lise Soskolne von W.A.G.E. (Working Artists and the Greater Economy) aufgenommen und weitergedacht. Ihre Tischreden über Geld und Poesie, über Armutsvorstellungen im Judentum und Christentum sowie über Entlohnung von künstlerischer Arbeit und Verteilungskonflikte von Nahrungsmitteln werden anschließend als Soundinstallation in die Ausstellung integriert. Dieses Abendessen ist Teil einer Veranstaltungsreihe, die in Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Museum Frankfurt am Main anlässlich der Ausstellung „Juden. Geld. Eine Vorstellung.“ stattfinden wird.
Ergänzt wird die Rauminstallation im MMK Zollamt durch Druckgrafiken von Andrea Büttner und ihre Videoarbeit „Minerva“, die sie 2011 in Texas entwickelte. Der Titel entspricht nicht nur dem tatsächlichen Namen der Protagonistin, einer amerikanischen Supermarktkassiererin, sondern spielt auch auf die römische Göttin des Handels an. Zudem entstanden für die Ausstellung zwei neue „fabric paintings“, vergleichbar mit den Arbeiten der Künstlerin auf der Documenta 13, die aus Stoff für Arbeitsuniformen gefertigt sind. Mit der robusten Materialität und der spezifisch blauen Farbigkeit verbindet Büttner in ihren Bildern einen sozialhistorischen Kontext mit dem kunsthistorischen Diskurs um monochrome Malerei.
MMK Museum für Moderne Kunst
Domstr. 10
60311 Frankfurt am Main
Tel.0049 (0)69 212 37761
mmk-frankfurt.de
pm
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