Gründungsdirektor Nicolaus Schafhausen gibt sein Konzept für die
European Kunsthalle Köln bekannt, das auf folgenden vier Säulen beruht: Die Erweiterung des akademischen Horizonts durch die Anbindung an die Universität, die Evaluierung des städtischen Lebens, die Frage nach der Dynamik der sogenannten Standortfaktoren im sozioökonomischen Kontext und die "Erschließung" neuer Funktionsräume für die Kunst im urbanen Zusammenhang.
" ... (1) Hinterfragung des klassischen "Standortdenkens". Ein Symposium.
In Anlehnung an de Certeau stellt Schafhausen sein Konzept unter das Motto einer „Kunst des Handelns“ – nicht gemeint als aktivistisches Konzept, sondern als aufspürende Beschäftigung mit der Gegenwart, in der wir leben, und den Möglichkeitsfeldern, die diese Gegenwart bietet. Daraus leitet sich die Notwendigkeit einer öffentlichen Diskussion über Standortpolitik in Köln, aber auch darüber hinaus ab. Diese sollte sich allerdings nicht in einer allgemeinen Kritik an der Ökonomisierung des urbanen Raumes erschöpfen, sondern konstruktiv mit kulturpolitischen Perspektiven der Gegenwart umgehen. Ein für Ende 2005 geplantes Symposium wird diesen Fragen zu Standortpolitik und kulturellem Stadtmarketing nachgehen und auf internationaler Ebene diskutieren. Dabei grenzte sich Schafhausen auch von der Kulturpolitik in der rheinischen Nachbarstadt Düsseldorf ab. Die Kraft in Köln könne
gerade in der Entwicklung von Alternativen zu einer durch Millioneninvestitionen gestützten Kulturpolitik liegen und darüber eine kulturelle Relevanz entstehen lassen.
(2) Erschließung neuer Funktionsräume für und durch die Kunst. Eine Ausstellung.
Die Idee einer Ästhetisierung der Gesellschaft beschränkt sich nicht selten auf die künstlerische Gestaltung innerstädtischer Räume des Konsums und der Ästhetisierung der Warenwelt, bei der die Ortsspezifik der Werke zur Schaffung von singulären Orten im Interesse eines umgreifenden Stadtmarketings funktionalisiert wird.
Ein erstes Ausstellungsprojekt, das im Herbst 2006 stattfinden soll, wird diese sich verändernde urbane Struktur reflektieren und den Versuch unternehmen, „Skulptur“ im öffentlichen Raum neu zu definieren, ohne direkt interventionistisch vorzugehen. Es soll vielmehr darum gehen, neue Räume für skulpturale, installative und performative Werke zu erschließen und das Publikum - die Bürger - unmittelbar mit einzubeziehen.
(3) Förderung einer zeitgemäßen Form der Kunstgeschichtsschreibung und Kunstvermittlung. Eine Stiftungsprofessur.
Der so vertraute Begriff Europa ist heute voller geopolitischer Bedeutungen, die es produktiv zu hinterfragen gilt, gerade auch vor dem Hintergrund der Produktion und Präsentation zeitgenössischer Kunst. Das betrifft auch die Kunstgeschichtsschreibung, die mehr noch als jede Form der Musealisierung die Parameter für die zukünftige Betrachtung von Werken der Kunst aufstellt.
Auch hier ist die European Kunsthalle gefragt. Sie betrachtet Europa nicht als ihr Thema, sondern als ihren kritischen Horizont. Zeitgenössische Kunst verortet sich immer in einem Bereich, der über das Lokale hinausweist. Aus diesem Grund soll eine Stiftungsprofessur an der Universität zu Köln initiiert werden, die sich mit der europäischen Kunstgeschichte nach 1945 beschäftigt und vor allem die veränderte Perspektive auf das Europa nach dem Fall der Mauer berücksichtigt.
(4) Evaluierung urbaner Prozesse. Eine Untersuchung.
Kulturelle Institutionen gehen in den meisten Fällen noch immer von einer tiefen Verortung innerhalb einer städtischen Bürgerschaft aus. Tatsächlich sprechen jedoch alle demoskopischen Faktoren gegen ein Fortleben dieser traditionellen, einer Stadt über mehrere Generationen verbundenen Bürgerschaft. Migration, Umbau der sozialen Systeme, kollabierende städtische Etats auf der einen Seite, zunehmende Flexibilisierung der Arbeitswelt und ein Leben im urbanen Transitraum auf der anderen Seite erzeugen vielmehr eine mobile Stadtgesellschaft, die sich stetig verändert und neue Orte für Kultur und Freizeit erprobt. Die Defizite der Wissensgesellschaft sind in jeder Debatte präsent. Sie zu kompensieren, darf jedoch nicht allein Aufgabe staatlicher Institutionen sein, zumal dann nicht, wenn es um ambitionierte Vorhaben wie eine Korrektur des vermeintlichen Kanons aus der Perspektive eines veränderten Europas geht. Architekt und Architekturtheoretiker Nikolaus Hirsch, an der Architectural Association in London tätig, wird gemeinsam mit einer Gruppe seiner Studenten einen umfangreichen Evaluationsprozess der urbanen wie sozialen Struktur Kölns initiieren.
Herausforderung Europa.
Schafhausens Blick richtete sich zuletzt auf die Frage nach der aktuellen Bedeutung und Referenzgröße Europas. Was bedeutet Europa in der gegenwärtigen Situation? Wie definiert sich das Verhältnis zwischen einem lokalen Ausgangspunkt, nämlich der Stadt Köln, und einer internationalen bzw. europäischen Perspektive? Was bedeutet eine Kunsthalle, wenn diese nicht in regelmäßigen Intervallen Ausstellungen präsentiert, sondern erst einmal ganz grundsätzlich darüber nachdenkt, wie das Ausstellungsmachen in heutiger Zeit unter den Bedingungen heutiger Politik aussehen könnte? Und wie und an welchem Ort kann eine Kunsthalle in Zeiten fragmentierter, fluktuierender Öffentlichkeiten operieren? Diese Fragen werden immer wieder Reflexionspunkt der zukünftigen Tätigkeit sein. "Eine European Kunsthalle muss eine Institution sein, die von Anfang an die Zusammenarbeit mit anderen wissenschaftlichen Institutionen sucht und sich als Ort der Wissensproduktion, der Wissensakkumulation und vor allem der Wissensvermittlung versteht. Dazu soll der Kunstdiskurs der Gegenwart in den Aktivitäten der European Kunsthalle präsent sein. Eine Kunsthalle kann kein Labor für die Gegenwartskunst sein. Sie kann jedoch das aktuelle Kunstgeschehen reflektieren und Impulse an andere Institutionen geben, die sich in anderen Formaten mit diesem Kunstgeschehen auseinander setzen,“ so Schafhausen über die Funktion der neu gegründeten Institution. (Quelle / Presse Neumann + Luz)
ch
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