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Zum Tod von Mimmo Rotella - Kreative Schöpfung durch methodische Zerstörung


Eingabedatum: 09.02.2006

Zum Tod von Mimmo Rotella - Kreative Schöpfung durch methodische Zerstörung

bilder


Der italienische Décollagekünstler Mimmo Rotella hat sich Zeit seines Lebens der Plakatkunst verschrieben, obwohl er hin und wieder Exkursionen in andere Bereiche der Kunst unternahm. Er verstarb Anfang diesen Jahres in Mailand im Alter von 87 Jahren auf Grund einer Lungenentzündung. Sein kunsthistorischer Einfluss hat überlebt.

Rotella wurde als Domenico Rotella im Jahr 1918 in der Hauptstadt von Kalabrien in Süditalien geboren. Nachdem er die Oberschule abgeschlossen hatte, wandte er sich einem Studium an der Kunstakademie Neapel zu, musste es aber im Jahr 1941 wegen einer Tätigkeit für das Post- und Fernmeldeministerium sowie seines Militärdienstes für drei Jahre unterbrechen. Nachdem er das Studium schließlich doch beendet hatte, zog er im Jahr 1945 nach Rom, um gegenständliche Gemälde herzustellen, sowie mit expressiven abstrakten Bildern zu experimentieren. Sechs Jahre später bekam er ein Fulbright-Stipendium für die amerikanische Stadt Kansas City, welches sowohl die Studiengebühren als auch den Flug und eine Krankenversicherung beinhaltete. Dort widmete er sich der Schöpfung von Wandgemälden sowie ersten phonetischen Gedichten, die er „epostaltici“ nannte. Prägend für sein künstlerisches Wirken war aber der Kontakt zu Werken von noch heute bekannten Größen der amerikanischen Pop-Art wie Jackson Pollock oder Robert Rauschenberg. Wieder zurück in Europa, wurde Rotella in den 50er Jahren berühmt mit seinen so genannten „Manifesti lacerati“ - abgerissenen Plakaten, die ihrer Verarbeitung durch den Künstler wegen in der Tradition der Kubisten standen. Diese Decollagen, die auch Anlehnung an das Werk Kurt Schwitters fanden, wurden nun der Kern seines künstlerischen Schaffens. Zwar unabhängig davon, aber dennoch angeregt durch diese „Erfindung“ Rotellas, nutzten auch viele andere Künstler wie etwa Raymond Hains oder Wolf Vostell in ihren frühen Werken diese Technik. Rotella aber ist der einzige, der eigene Gesten und Übermalungen in seine Collagen einbrachte - Kontroversen mit den genannten Künstlern waren da vorprogrammiert.

Von „Bildung“ zu „Umgestaltung“

Zwar kreierte Rotella durch Verwendung so alltäglicher Dinge wie den in jeder Straße zu sehenden Werbebotschaften einen Gegenpol zur amerikanischen Pop-Art, fühlte sich aber dieser dennoch sehr nahe, da diese ihrer Wiedergabe der Realität auch immer einen Schuss Ironie beifügte. Der gesellschaftliche Impuls war unverkennbar: In Zeiten der aufblühenden Konsumgesellschaft kurz nach dem Krieg stand die Verwendung von eigentlich verbrauchten Materialien in krassem Gegensatz zum europäischen Wirtschaftswunder.
Zu Beginn übertrug er die Plakatabrisse noch auf Leinwand - „doppelte Décollage“ nannte er das -, riss Abschnitte ab und übermalte sie teilweise. Zunehmend klebte er auch Plakatrückseiten auf die Leinwand und erreichte damit ganz neue Effekte. Zusätzlich nutzte er neben den Abrissen oft auch Holz- und Metallteile von Plakatwänden, variierte seine Methoden mit sehr mannigfachen Materialien oder übermalte seine Werke komplett. Ebenso schuf er Assemblagen mit alltäglichen Gebrauchsgegenständen wie Seilen, Kordeln oder Flaschenverschlusskappen. Die Kunstwelt honorierte diesen Ideenreichtum mit der Auszeichnung Graziano im Jahr 1956 sowie dem Battistoni e della Pubblica Istruzione im Jahr 1957.
Zeitgleich trat Rotella in Kontakt mit der französischen Gruppe des Nouveau Réalisme um den Kritiker Pierre Restany und lernte die Kunstszene Frankreichs kennen und schätzen. Diese Gruppe hatte es sich zum Ziel gesetzt, die informelle Kunst mit neuen Ideen voranzutreiben und eine Symbiose von Alltag und Kunst herbei zu führen - ein ideales Umfeld für Rotella also. Anfang der 60er Jahre wurde er offizielles Mitglied der Gruppe und siedelte nach Paris über, um eine bessere Korrespondenz mit der Gruppe zu ermöglichen. Zudem begann er, mit emulsierten Leinwänden zu experimentieren. Gegen Ende des Jahrzehnts vollzog er eine weitere Wandlung und widmete sich nun vorrangig der Typografie sowie der künstlerischen Bearbeitung von Anzeigen in Zeitschriften. Diese Hinwendung zur „schwarzen Kunst“ - dem Druckereigewerbe - war typisch für Rotellas Gedanken, das Alte, Verbrauchte wieder zu verwenden. Speziell die Fehldrucke und Druckabschnitte, die in einer Druckerei anfallen, benutzte er, um seine Serie „Mec Art“ zu entwickeln.

Seine phonetischen Arbeiten litten aber nicht unter dem hohen künstlerischen Output, so dass er im Jahr 1976 seine erste italienische Schallplatte veröffentlichen konnte - wenn diese auch eher ein Nebenaspekt seines Wirkens war. In den 1980er Jahren, nach abermaligem Umzug nach Mailand, begann Rotella schließlich, Plakate, die in der Öffentlichkeit hingen, abzureißen, auf Leinwand und Metallplatten zu befestigen, sie teilweise mit leerem Papier zu überkleben („Blanks“) und mit Zeichen und Parolen zu beschriften.
Mimmo Rotella hielt sich im Jahr 1989 auf Einladung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) in Berlin auf, und noch in den 90ern war er in der ganzen Welt unterwegs. Seine Werke waren unter anderem im Pariser Centre Pompidou, an der Universität von Havanna, Kuba sowie dem New Yorker Guggenheim-Museum zu bewundern, wo er wieder einmal eine Auszeichnung für seine Verdienste um die Kunst erhielt. Erst in dieser Zeit fand er die Liebe und heiratete die Russin Inna Agarounova mit der er auch eine Tochter hatte.
Rotella wird ob seiner immer klaren Linie in der Plakat- und Décollagekunst noch lange im Gedächtnis der kunstinteressierten Welt bleiben.

D.S.


kultur-kanal.de





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