Lange hat sich die neue Kanzlerin geziert, Kandidaten hin- und hergeschoben, immer die Hoffnung auf einen Kulturschaffenden als neuen Amtsträger offen gelassen und sich dann schlussendlich gewohnt pragmatisch entschieden: Der Bremer Parteisoldat Bernd Neumann wird in der Regierung Merkel den Kulturstaatsministerposten übernehmen.
Dabei mag man sich als Beteiligter in der deutschen Kulturlandschaft ähnlich fühlen, wie der Bauernverband bei Ernennung von Renate Künast als Ministerin: Neumann ist ein pragmatischer Politprofi, Rekordhalter als Bremer CDU-Landeschef mit einer Amtszeit von nunmehr 26 Jahren und mitnichten intellektueller Kulturfreund.
Gleich nach dem Abitur trug sich Neumann bei der Jungen Union ein, ist seit 1967 Mitglied des CDU-Landesvorstands in Bremen und sitzt seit 1987 im Bundestag. Fünf Jahre war er nach seinem Pädagogik-Studium als Lehrer tätig, schon bald sah er sich aber der Partei mehr verpflichtet als der Schulbank.
Freileich hat auch Neumann seine Amtberechtigung: Er ist Mitglied des Präsidiums und des Verwaltungsrats der Filmförderungsanstalt, Mitglied im Rundfunkrat von Radio Bremen und seit kurzem auch im ZDF-Fernsehrat. Zuletzt war er auch Obmann der Union im Ausschuss für Kultur und Medien. Immerhin.
Im Vergleich zu seinen Vorgängern sieht seine Vita blass aus: Der erste Kulturstaatsminister Naumann war Rowohlt-Verleger, Christina Weiss hat ein Literaturhaus geleitet und Julian Nida-Rümelin hatte zumindest Philosophie studiert und eine literarisch engagierte Gattin. Auch die zur Disposition stehenden "Geheimtipps" wie etwa Filmregisseur Volker Schlöndorff hätten dem Amt besser zu Gesicht gestanden.
Inwiefern Neumann seiner Rolle gerecht wird, wird natürlich erst in ein paar Jahren zu bewerten sein; die Ausgangslage, in der er sich als Kulturneuling in den Bereichen der Bildenden Kunst, der Literatur, der Theater und Oper befindet, lässt aber die Aussicht auf Anfangsschwierigkeiten zu.
Die Personalentscheidung von Angela Merkel erscheint nicht schlüssig. Vielleicht hat sie übersehen, welche symbolische Strahlkraft Gerhard Schröder durch Einführung und Besetzung des Kulturstaatsministerposten ausgeübt hatte. Zuletzt starteten Künstler und Galeristen noch eine Anzeigenkampagne zur Wahl Schröders als Bundeskanzler.
Dass Merkels Personalrochade noch weit bedenklicher hätte ausfallen können, tröstet ein wenig. Die heiß gehandelte Alternative Maria Böhmer (Vorsitzende der Frauen-Union), die keinerlei kulturelles Profil vorzuweisen hat, wurde mit gutem Gewissen nun als Staatsministerin für Integration und Ausländerfragen eingesetzt. Und denkt man noch ein Stückchen weiter zurück, hätte sich ja beinahe Edmund Stoiber die Kompetenzen geangelt. Insofern: Herr Neumann, wir gratulieren Ihnen ganz herzlich zur Wahl!
M.M.
Michael Marth - kultur-kanal.de
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