Am 18. September 2005 werden in Deutschland die vorgezogenen Bundestags-Neuwahlen stattfinden. Im Juli stellten die Bundestagsparteien ihre Wahlprogramme - von der Union schon vollmundig als "Regierungsprogramm" tituliert - der Öffentlichkeit vor.
Zwar ist man sich bei der Frage nach der Aufnahme der Kultur als Staatsziel ins Grundgesetz überparteilich weitgehend einig, in den restlichen Punkten herrscht jedoch einige Diskrepanz.
Die SPD macht schon im ersten Absatz ihres Wahlprogramms deutlich, dass sowohl die Kunst als auch die Künstler Freiheit, Schutz und Förderung benötigen, daher soll die Künstlersozialversicherung weiter gestärkt werden. Ebenso soll die kulturelle Bildung in den Schulen verstärkt gefördert werden, um jedem Kind die Möglichkeit zu geben, sich mit der deutschen Kultur auseinandersetzen zu können. Die außerschulische Kulturvermittlung wird nicht zur Sprache gebracht, ebenso wenig ein Statement zur Auswärtigen Kulturpolitik, die in Zeiten von Beutekunststreitereien immer mehr ins Licht der Öffentlichkeit gerät.
Auch der Koalitionspartner Bündnis90/Die Grünen bekennt sich zur Stärkung der sozialen Lage der Künstler. Die steuer- und rechtlichen Bedingungen benötigen dringend einige Verbesserungen, verlautete es aus dem Wahlprogramm. Auch die kommunale Finanzierung für Kulturprojekte solle nicht weiter gekürzt werden, um die Vielfalt des kulturellen Lebens weiterhin zu gewährleisten.
Im Gegensatz zur SPD allerdings zählt man die Auswärtige Kulturpolitik zu den wichtigsten Mitteln der Völkerverständigung, darum soll der Etat nicht weiter gekürzt werden - ein deutlicher Rückzug der Grünen, hieß es doch vor ein paar Wochen noch, die Gelder sollen erhöht werden.
Der kleinere der beiden Regierungsherausforderer, die FDP, wirbt in seinem Programm dafür, die kulturelle Bildung adäquat zu fördern - ob nur in den Schulen oder auch im privaten Raum, wird außen vor gelassen. Auch die FDP stellt sich auf Seiten der Künstlersozialversicherung, da diese "ein wichtiges Instrument der Kulturförderung und der sozialen Sicherung der Künstler" sei. Mit den Grünen ist man sich indes einig, dass die Auswärtige Kulturpolitik wieder gestärkt und der Etat den Anforderungen "angepasst" werden soll, nachdem diese "unter rot-grüner Regierung stark zurückgefahren" worden sei.
Der derzeit wohl gefährlichste Wahlgegner der SPD, die Union von CDU und CSU, spricht zwar auch von der Förderung von Rahmenbedingungen der Kultur, bleibt aber bei ihren Aussagen im Vagen. Sie zählt zwar die Eckpunkte wie etwa Auswärtige Kulturpolitik, Künstlersozialversicherung und Urheberrecht auf, enthält sich aber der Meinung, ob das Staatsziel Kultur im Grundgesetz verankert werden soll, da man dies noch prüfen wolle. Die Bildungspolitik im Inland soll laut Union nicht mehr Aufgabe des Bundes, sondern der Länder sein. Einerseits eine gute Idee, da die Länder gezielter arbeiten können, andererseits wird es dann wahrscheinlich so laufen wie mit dem Abitur: Jedes Land hat andere Anforderungen, ein bayerisches Abitur ist schwerer zu erlangen als z.B. eines aus Schleswig-Holstein. Laut Olaf Zimmermann, dem Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, bleibt die Frage offen, "was CDU und CSU in der Kulturpolitik wollen". Allerdings freute man sich beim Deutschen Kulturrat, dass Herr Dr. Norbert Lammert, ein "unbestrittener Fachmann für Kulturpolitik" in Frau Merkels "Kompetenzteam" berufen worden sei. Damit werde deutlich, dass auch die Union viel Wert auf Kultur auf Bundesebene lege und nun hoffentlich den Widerstand gegen ein Bundeskulturministerium aufgebe.
Relativ radikal dagegen steuert die Linkspartei.PDS mit ihrem Wahlprogramm. Bei dem Thema "Künstlersozialversicherung" ist sie die einzige Partei, die sich für eine Anhebung des Bundeszuschusses auf 25% ausspricht. Während alle Parteien die Rechte der Urheber beschneiden wollen, um Bibliotheken und Verbraucher zu unterstützen, will die Linkspartei.PDS die Urheber schützen und ihre Rechte stärken. Einig ist man sich allerdings mit den anderen Parteien in den Punkten "Auswärtige Kulturpolitik", "kulturelle Bildung" und "Verankerung des Staatsziels Kultur" im Grundgesetz.
Es ist sehr zu begrüßen, dass die Parteien in ihren Programmen die Kunst und Kultur so stark berücksichtigen. Allerdings ist es überraschend, von einer sozial so engagierten Partei wie der SPD nichts über die Künstlersozialversicherung zu hören. Nicht so überraschend ist hingegen die Meinungsenthaltung der Union - schließlich will man keinen Wähler durch etwaige "Falsch-Aussagen" verprellen, soll man als Sieger in den Bundestag einziehen.
Logisch nachvollziehbar ist indes die Überlegung, dass sich die jeweiligen Koalitionspartner in ihren Eckpunkten vorher abgesprochen haben, damit der Wähler seine beiden Stimmen nicht nur einer Partei gibt, sondern diese verteilt. Das Ziel ist klar: Beschlussfähigkeit der Regierung. Das hierfür die Kultur herhalten muss, ist zwar traurig, aber legitim.
David Seinsche - kultur-kanal.de
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