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Boris Lurie

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Romuald Hazoumè

Beninische Solidarität mit gefährdeten Westlern

21.09.2013-12.01.2014 | Universalmuseum Joanneum, Graz

Die vielschichtigen Migrationsverhältnisse fordern von den multikulturellen Gesellschaften Europas ein komplexeres Verständnis des Postkolonialen heraus. Die nachhaltige Prägung der weltweiten Situation durch Kolonialismus, Dekolonisierung und neokolonialistische Tendenzen lässt auf vielfältige Weise an eine „Liaison Dangereuse“ denken. Das Umschwenken des Begriffs „postkolonial“ hin zu einer grundsätzlichen Kritik an der modernen Wissensordnung und am universalisierenden Herrschaftsdiskurs des westlichen Rationalismus führt zu einer Relativierung der Moderne als bestimmendes Element. Gegenwärtig beobachten wir die
Entstehung einer Kunst, die den Anspruch auf globale Zeitgenossenschaft ohne Grenzen und Geschichte erhebt – „modern“ wird gegen „zeitgenössisch“ gleichsam ausgetauscht. Da zeitgenössische Kunst weltweit relevante Probleme berührt, muss sie grundsätzlich als global bezeichnet werden. Die Herkunft eines Künstlers relativiert sich und die Frage, wo ein Künstler sein Publikum findet, wird bestimmender.

Die Gründung einer NGO in Afrika durch den beninischen Künstler Romuald Hazoumè mit dem Ziel, verarmten Menschen in Europa zu helfen, bricht unvermittelt in dieses dichte Diskursnetz ein und eröffnet eine völlig neue Perspektive. Was wäre, wenn die Verhältnisse sich derart änderten, dass sich die Dynamik von Abhängigkeiten und Machverhältnissen umzukehren begänne? Der hegemoniale, eurozentristische Kulturanspruch wird damit genauso unterlaufen wie die damit einhergehenden politischen und sozialen Dynamiken. Dieser Gedanke der Umkehrung von Verhältnissen, wie ihn Romuald Hazoumè in seiner Ausstellung im Kunsthaus Graz zeigt, eröffnet ungewöhnliche Sichtweisen in Zusammenhang mit dem postkolonialen Diskurs.

„Beninische Solidarität mit gefährdeten Westlern“ ist nicht nur der übersetzte Name der genannten NGO, sondern auch der Untertitel der Ausstellung im Kunsthaus Graz. Sechs eigens für diese Ausstellung konzipierte und ausgeführte Installationen spielen auf sehr ironische bzw. sarkastische Art mit dem Gedanken der Umkehrung. Schon in seinen „Kanister-Masken“, die seit etwa 1990 entstehen und die den Künstler mit einem Schlag weltweit bekannt gemacht haben, wird eine Haltung sichtbar, die das dichte Netz an Voraussetzungen, Problemen und Sichtweisen in Zusammenhang mit afrikanischer Gegenwartskunst präzise auf den Punkt bringen. Dass diese Masken weltweit so gut funktionieren und aufgenommen werden, ist auf das westliche Klischee zurückzuführen, das Hazoumè mit ihnen bedient. Die äußere Form weist dabei auf die traditionellen Wurzeln hin, in deren Geist diese Objekte entstanden sind. Das Material und die Verwendungszusammenhänge machen klar, dass es sich dabei um völlig neu erfundene Gegenstände handelt, die nicht dem kulturellen Kontext der afrikanischen Masken entsprechen, sondern eher auf den Objektfetischismus der westlichen Konsumwelt abzielen. Erst unser europäischer Blick – wir haben keinen anderen – macht das Funktionieren dieser Kunstwerke aus.

In seiner Ausstellung im Kunsthaus Graz formuliert Hazoumè die Konfliktlage weiter aus und geht dabei weit über die vorherrschende Idee von Opfer und Täter hinaus. Dabei wird spürbar, dass im Globalisierungsprozess das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen nicht weiter vom Monopol des Westens abhängen kann. Gerade in Bezug auf Afrika spielt die Unterwerfung der eigenen Kultur unter den Zwang der Moderne – als Konstruktion des Westens – eine entscheidende Rolle. Inklusions- und Exklusionsmechanismen führen dabei zum Ausverkauf bzw. zur Verwerfung der eigenen Kultur. Man kann von einem afrikanischen Gegenwartskünstler nicht länger erwarten, dass er sich in seiner Kunstambition an die Maxime der abendländischen Moderne hält und dabei seine eigene kulturelle Tradition verleugnet.

Somit wird in Hazoumès Kunst ein Prozess sichtbar, der die Globalisierung als Produkt der westlichen Moderne beschreibt. Dabei wird klar, dass sich die Globalisierung mehr und mehr gegen ihre Urheber zu wenden begonnen hat. Hazoumès Kunst zeigt auf, wie kulturelle bzw. ethnische, aber auch historische Eigenheiten durch globale Dynamiken aufgesogen werden. Als Botschafter seines Volkes möchte der Künstler den Kontakt zu seiner Kultur halten und sie gleichzeitig nach außen transportieren. Er geht dabei von einer Position des Selbstbewusstseins aus, das er auch von seinen Landsleuten einfordert. Das herkömmliche System von Geben und Nehmen hat Afrika in die Armut gebracht und lässt es nun in der Opferrolle verharren. Die eigenen politischen Eliten unterstützen diesen Zustand, auch weil dieser ihren Machterhalt gewährleistet. Es ist den afrikanischen Eliten scheinbar völlig egal, wenn ihre Staatsbürger in Massen die Flucht ergreifen und sich unter allen erdenklichen Mühen ins westliche Ausland absetzen wollen.
In der Installation „ONG-SBOP“ wird klar, dass sich das Thema Entwicklungshilfe vielfältig deuten lässt. Zum einen wird hier sichtbar, dass auch in den modernen westlichen Gesellschaften Armut ein wachsendes Problem ist und zum anderen vermag dieses Kunstwerk die Struktur von Geben und Nehmen umzudrehen. Der Geber ist immer in der mächtigeren Position – ein Faktum, das sich durch alle Werke in der Ausstellung hindurch zieht.

Romuald Hazoumè versucht seine Kunst vom Zwang der Moderne zu befreien und bringt im Gegenzug seine eigene kulturelle Tradition ein. Dieser Transfer von Kulturen kann als Geben betrachtet werden – ein Geben, das nicht angenommen wird, sondern seit jeher negativ besetzt wird. In seiner Installation Food for Europe geht es nicht nur um die Beschwerlichkeiten der afrikanischen Reisenden, denen in den westlichen Flughäfen zolltechnische Vorschriften zum Verhängnis werden, wenn ihnen die mitgebrachten Nahrungsmittel weggenommen werden. Die Textilobjekte aus wertvollen traditionellen Stoffen, die in der Installation die visuelle Attraktion sind, stehen für den kulturellen Transfer im Allgemeinen. Beides sind am Ende keine Geschenke, die angenommen werden. Die Nahrungsmittel werden entsorgt, die kulturellen Güter marginalisiert und die Arroganz dessen, der die Regeln aufstellt, wird im Kunstwerk drastisch sichtbar.

Die „Beninische Solidarität mit gefährdeten Westlern“ im Kunsthaus Graz spricht große Themen an, sie zeigt, wie im Rahmen der Kunst Mechanismen darstellbar und verständlich gemacht werden können, die allgemeine Entwicklungen wie durch ein Vergrößerungsglas sichtbar werden lassen. Romuald Hazoumès Kunst wird somit gleichsam zu einem Informationsmedium, das dem < Publikum letztlich eine Verständnishilfe ohne kämpferische Aggressivität und Konfliktverschärfung anbietet. Die Botschaft an den Westen: „Afrika ist reich, lasst uns unsere Ressourcen eigenständig nutzen und pumpt nicht noch mehr Mittel in die Entwicklungshilfe, die letztlich nur die korrupten Eliten stützt und die Selbsthilfe lähmt“, wird hier laut hörbar. Romuald Hazoumè war in Graz bereits in wesentlichen Ausstellungen vertreten, wie zum Beispiel 2007 in UN/FAIR TRADE – die Kunst der Gerechtigkeit in der Neuen Galerie Graz und 1996 in Inklusion: Exklusion – Kunst im Zeitalter von Postkolonialismus und globaler Migration im Rahmen des Festivals steirischer herbst.

Romuald Hazoumè ist zweifellos ein Modellfall eines Künstlers, der sehr präzise an den kulturellen Schnittstellen agiert und so zu einem der wesentlichsten Stimmen in der globalisierten Kunstentwicklung geworden ist.



Universalmuseum Joanneum
8020 Graz, Austria

museum-joanneum.at

PM Günther Holler-Schuster





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