Das Kunsthistorische Museum Wien zeigt erstmals in Österreich eine Ausstellung mit Werken des britischen Malers Lucian Freud (1922-2011). Der Enkel des Psychoanalytikers Sigmund Freud gilt als einer der bedeutendsten figurativen Maler des 20. und 21. Jahrhunderts.
Mit 43 seiner wichtigsten Werke gibt die Ausstellung einen prägnanten Einblick in Freuds beinahe 70-jährige Schaffenszeit: von einem Selbstporträt aus dem Jahre 1943 bis hin zu seinem letzten, unvollendeten Gemälde, das sich zum Zeitpunkt seines Todes im Juli 2011 in seinem Atelier befand. Die Ausstellung umfasst eine Reihe unterschiedlicher Genres: Porträts von Mitgliedern seiner Familie, engen Freundinnen und Freunden, Ehefrauen und Geliebten, Nachbarinnen und Nachbarn, Künstlerkolleginnen und -kollegen, Aristokratinnen und Aristokraten, aber auch von Angehörigen der Arbeiterklasse, ferner Stillleben und Landschaften. Freuds nachhaltigste und bemerkenswerteste Errungenschaft sind jedoch sicherlich seine Selbstporträts.
Die Auswahl der Gemälde für die Ausstellung wurde in den Monaten vor Freuds Tod im Juli 2011 in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler und mit dessen langjährigem Assistenten David Dawson getroffen. Anhand der Präsentation kann die stilistische Entwicklung von Freuds Malerei über mehrere Jahrzehnte hinweg nachvollzogen werden: von den frühen Arbeiten, die er in akribischer Kleinarbeit und mit feinen Zobelhaar-Pinseln malte, über die Werke der 1950er Jahre,in denen er begann, stehend und mit gröberen Schweineborsten-Pinseln in einem viel lockereren Stil zu malen, und seine ersten völlig nackten Porträts der 1960er Jahre bis hin zu den monumentalen Leinwänden der 1980er und 1990er Jahre, die im letzten Teil der Ausstellung zu sehen sind.
Wir haben uns in der Ausstellungskonzeption das ehrgeizige Ziel gesetzt, die wichtigsten Werke aus seiner gesamten Schaffenszeit zu zeigen, und sind außerordentlich dankbar für die Unterstützung durch so viele internationale Museen und private Leihgeber, die sich bereit erklärt haben, ihre Werke für diese Ausstellung zur Verfügung zu stellen.
Die Ausstellung im Kunsthistorischen Museum Wien, dessen Sammlungen sich über nahezu viertausend Jahre erstrecken – vom Alten Ägypten bis zu den großen Epochen des Mittelalters, der Renaissance und des Barock – eröffnet eine einzigartige Möglichkeit, sich mit Freuds Interesse an der Kunst der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Freuds tiefes Verständnis der Kunstgeschichte rahmt sein bemerkenswertes Leben wie Buchstützen. So war die Wohnung seiner Familie in Berlin, wo er in der Zwischenkriegszeit aufwuchs, mit Reproduktionen von Gemälden und Zeichnungen Dürers, Tizians und Pieter Bruegels des Älteren geschmückt. Darunter befanden sich auch zwei Jahreszeiten-Bilder aus dem Kunsthistorischen Museum, „Jäger im Schnee” und „Die Heimkehr der Herde”, ein Geschenk an den jungen Lucian von seinem Großvater Sigmund.
Freud kannte die Sammlungen des Kunsthistorischen Museums gut. Unter den Arbeiten seiner Lieblingskünstler – z. B. Frans Hals, Hans Holbein, Rembrandt, Peter Paul Rubens und Diego Velázquez sowie Bruegel, Dürer und Tizian – schätzte er besonders Giovanni Bellinis „Junge Frau bei der Toilette”, ein Werk, das der Künstler noch im Alter von mehr als achtzig Jahren gemalt hatte und das eine der von Freud bevorzugten Darstellungen eines weiblichen Aktes repräsentiert.
Freud selbst wollte, dass seine Gemälde räumlich getrennt von den historischen Sammlungen des Museums gezeigt werden, damit die Besucherinnen und Besucher beim Betrachten dazu gebracht werden, eigene Assoziationen zu entwickeln.
Zu den Highlights der Ausstellung zählen „Girl with a White Dog” (1950-1951) aus der Tate; ein unvollendetes Selbstporträt aus der Zeit
um 1956 (das in den letzten 30 Jahren erst einmal gezeigt wurde); Freuds erster Akt in ganzer Figur („Naked Girl”, 1956, aus der Sammlung des Schauspielers Steve Martin); drei bemerkenswerte Porträts von Leigh Bowery aus dem Hirshhorn Museum in Washington, D.C., dem Metropolitan Museum of Art in New York sowie aus einer US-amerikanischen Privatsammlung; „Benefits Supervisor Sleeping”, ein Gemälde, das im Mai 2008 bei Christie’s, New York für 33,6 Millionen US-Dollar erworben wurde; und sein letztes Meisterwerk, „Portrait of the Hound” (2010-2011), das zum Zeitpunkt seines Todes noch unvollendet war.
Einige seiner Hauptwerke, die in der großen Freud-Retrospektive in der National Portrait Gallery in London 2011 nicht zu sehen waren,
werden nun ebenfalls in Wien präsentiert, darunter „Wasteground with Houses, Paddington” (1970-1972), Freuds bemerkenswertestes
Landschaftsbild, das Stillleben „Two Japanese Wrestlers by a Sink” (1983-1987) aus dem Art Institute of Chicago, „Naked Man, Back
View” (1991-1992) aus dem Metropolitan Museum of Art in New York und Freuds größtes und anspruchsvollstes Selbstporträt, der
ganzfigurige Akt „Painter Working, Reflection” (1993), aus einer amerikanischen Privatsammlung.
In der Ausstellung ist auch ein speziell in Auftrag gegebener 15 Minuten langer Film zu sehen, mit Bildmaterial, das hier zum ersten
Mal gezeigt wird. Der Film wurde von Freuds Assistenten David Dawson gedreht und gibt bewegende Einblicke in die letzten
Lebenswochen des Künstlers vor seinem Tod im Jahre 2011. Er zeigt Lucian Freud beim Malen, auch an jenem Tag, der sich als sein letzter
Arbeitstag erweisen sollte.
Die Ausstellung wird von Jasper Sharp kuratiert, Adjunct Curator für moderne und zeitgenössische Kunst am Kunsthistorischen Museum,
und sie wird nur in Wien zu sehen sein. Lucian Freuds Auseinandersetzung mit Alten Meistern wird vertiefend in Katalogbeiträgen von renommierten Kuratoren des Musée du Louvre in Paris, des Metropolitan Museum of Art in New York, des Victoria & Albert Museum in London, des Neuen Museums in Berlin, der Dulwich Picture Gallery in London, der Henry Moor Foundation und des Kunsthistorischen Museums Wien analysiert.
Lucian Freud, Enkel des Psychoanalytikers Sigmund Freud, wurde 1922 in Berlin geboren. 1933 übersiedelte die Familie nach London,
wo er bis zu seinem Tod lebte und arbeitete. Während des Zweiten Weltkriegs heuerte er in der britischen Handelsmarine an; nach
Kriegsende fasste er den Beschluss, sich ganz der Kunst zu widmen.
Freuds Bedeutung als einer der wichtigsten figurativen Maler des 20. und frühen 21. Jahrhunderts wurde rasch erkannt. Zahlreiche der
wichtigsten Museen der Welt, darunter die Londoner Tate, das Metropolitan Museum of Art in New York, das Centre Pompidou in
Paris und das Museo Correr in Venedig, widmeten Freuds Œuvre umfangreiche monographische Ausstellungen. Lucian Freud starb am
20. Juli 2011.
Kunsthistorisches Museum Wien
1010 Wien, Burgring 5
http://www.khm.at
PM
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