Ausgelöst durch die Berufung von Johann Gottlieb Fichte an die Jenaer Universität fand hier nach 1794 ein Kreis von jungen Dichtern, Literaturkritikern, Philosophen und Naturwissenschaftlern zueinander, der Jena zum Fixpunkt einer vor allem geistig-ästhetischen Bewegung machte, die man heute als Frühromantik bezeichnet. Das geistige Klima im Großherzogtum war durch das Viergestirn von Weimar, zu dem neben Goethe und Schiller auch Johann Gottfried Herder und Christoph Martin Wieland gehörten, hinreichend vorbereitet. Die Romantiker waren sich zwar in der Verehrung für Goethe einigermaßen einig, jenseits davon suchten sie jedoch mit Ironie und Übermut nach Wegen, die jenseits der klassischen Pfade lagen.
Fichte war bereits berühmt, als er nach Jena kam und beeindruckte mit seiner leidenschaftlichen Art nicht nur die Studenten, sondern auch Goethe, den „Gott der Romantiker“. Innerhalb von nur wenigen Jahren kam neben August Wilhelm Schlegel, seiner Frau Caroline, dessen jüngerem Bruder Friedrich auch der Philosoph Friedrich Wilhelm Schelling nach Jena und trat hier seine Professur an der Jenaer Universität an. Neben den Naturwissenschaftlern Johann Wilhelm Ritter, Christoph Wilhelm Hufeland und Justus Christian Loder gehörten auch Hölderlin, Novalis, Clemens Brentano und Ludwig Tieck zu jenen, die hier lebten und aus dem intellektuell aufgeheizten Klima großen Gewinn für ihre Arbeit zogen. Mit Sophie Mereau, Dorothea Veit und Caroline Schlegel gesellten sich erstmals auch einige jener Frauen zum Kreis der Romantiker, deren Gedanken jenseits häuslicher Taten ausschweiften und die mit ihrer anderen Art „weltschaffender Beteiligung“ die Palette denkbarer Lebensentwürfe bereicherten. Ludwig Tieck beschreibt „jene schöne Zeit in Jena“ als „eine der glänzendsten und heitersten Perioden meines Lebens“ und er erinnert diese Jahre als ein „ununterbrochenes Fest von Witz, Laune und Philosophie“. Ein Zentrum bildete die legendäre Kommune am Löbdergraben, in der neben den Schlegel-Brüdern und Caroline später auch Schlegels Geliebte Dorothea Veit – aus Berlin kommend – wohnte. Man folgte den „Begierden und Launen der eigenen Einbildungskraft“ – so der Vorwurf Schillers an die Romantiker und missachtete jene Abgründe, die sich aus der Beschwörung des eigenen Ichs ergaben. Brentano verdichtete die Gefahren der Ich-Euphorie in dem Satz: „Wer mich zu sich selbst weist, tötet mich.“, Jean Paul sieht gar einen „Würgeengel“ am Werk.
Das Jenaer Romantikertreffen im November 1799 bildet einen letzten glanzvollen Höhepunkt dieser heiteren und zugleich scharfzüngigen Gemeinschaft. Fichte wird nach dem Jenaer Atheismusstreit aus dem Amt entlassen, andere finden feste Stellen und das Zusammenleben in der Kommune am Löbdergraben zerreibt sich schließlich an persönlichen Befindlichkeiten.
Auch wenn man die Epoche der „Romantik“ meist zwischen dem Ende des 18. Jahrhunderts und der Mitte des 19. Jahrhundert verortet, so bleibt die zeitliche Einordnung ebenso unscharf wie die stilistische. Das, was eine junge Generation von Künstlern umtreibt, ist kein Stil, sondern eine Haltung, deren Dynamik bis heute seine Wirkungen in immer anderer Weise entfaltet.
Die Sehnsucht nach Mysterium und Geheimnis sind Erscheinungsformen einer Suche nach Ganzheitlichkeit, die besonders dann, wenn sich gesellschaftliche Rahmenbedingungen verändern, immer neuen Aufwind erfährt. Nebelverhangene Täler, Klosterruinen oder endlose Landschaften sind Metaphern für das Unbewusste und Abgründige, für Bereiche also, die weder nützlich noch alltäglich sind und das Schöne und Erhabene nicht nur beschwören, sondern auch desavouieren.
Ausgehend von den mehr oder weniger bekannten Bildern der Meister der Romantik unternimmt die Ausstellung den Versuch, die sich wandelnden Positionen romantischen Denkens und Gestaltens in der zeitgenössischen Kunst aufzuzeigen. Es geht jedoch nicht allein um eine Spurensuche, sondern vielmehr um die Aktualität jener Fragestellungen, die einst, am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts, in einen enorm anregenden Diskurs geführt haben, der aus dem Kreis der Jenaer Philosophen und Literaten um Johann Gottlieb Fichte und August Wilhelm Schlegel entscheidend angeregt worden ist. Frei nach dem Satz von Rüdiger Safranski, dass der romantische Geist sich niemals in gleicher Weise gibt, sondern verwandelnd und widersprüchlich, sehnsüchtig und zynisch, ironisch und schwärmerisch, formbewusst und formauflösend wirkt, werden die Potenziale der Romantik an den Arbeiten der Künstlerinnen und Künstler unserer Tage diskutiert und in der Ausstellung beziehungsreich miteinander verschränkt. Im Raum steht nicht nur die Frage nach jenen Perspektiven, die durch die Romantiker entscheidende Impulse erfahren haben, sondern auch die nach einer neuen Inhaltlichkeit, die sich möglicherweise unter den Bedingungen des 21. Jahrhunderts eingestellt hat.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.
In der Ausstellung mit Werken vertretene Künstler: Oswald Achenbach, AES+F, Martin Assig, Carl Blechen, Micha Brendel, Carl Gustav Carus, Billy Childish, Björn Dahlem, Martin Eder, Keith Edmier, Klaus Elle, Max Ernst, Felix M. Furtwängler, Franz Gareis, Katrin Gassmann, Johann Theodor Goldstein, Moritz Götze, Harald Reiner Gratz, Kerstin Grimm, Jakob Philipp Hackert, Ludwig von Hofmann, Waldemar Knoll, Erich Kuithan, Kris Martin, Hiroyuki Masuyama, Volker Mehner, Friedrich Nerly, Johann Friedrich Overbeck, Robert und Shana ParkeHarrison, Wieland Payer, Friedrich Preller d. Ä., Oscar Prinsen, Claudia Rogge, Philipp Otto Runge, Sabine C. Sauermilch, Friedrich Wilhelm Schelling, August Ferdinand Schiertz, Johann Wilhelm Schirmer, Henrik Schrat, Louise Seidler, Sandra Senn, Wilhelm Steuerwaldt, Johann Alexander Thiele, Bertel Thorvaldsen, Christian Friedrich Tieck, Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, Peter Torp, Hans Unger, Adolf Gottlob Zimmermann, Ferdinand Zschäck.
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