Der Ausgangspunkt der Filme, Fotografien und Zeichnungen von Bani Abidi liegt in der Frage nach Mechanismen von Ausgrenzung und Teilhabe, Repräsentation und Macht sowie Gemeinschaft und Kommunikation. Selbst in Pakistan aufgewachsen, hat Abidi längere Zeit in Indien, den USA und zuletzt in Deutschland gelebt. So ist ihre eigene Sozialisation von weitreichenden Erfahrungen mit Migration im globalen Gefüge geprägt. Die Stärke ihrer Arbeit liegt in der Fähigkeit komplexe gesellschaftliche Fragen von Einschluss und Ausschluss mit erzählerischer Leichtigkeit zum Ausdruck zu bringen und sie trotzdem in ihrer profunden Tragweite für das Individuum nachvollziehbar zu machen.
In ihren Kurzfilmen und Bildserien thematisiert Bani Abidi Ordnungs- und Abgrenzungssysteme, die in Zusammenhang mit gesellschaftlichen Macht- und Identitätsansprüchen stehen. Die Logik einer eindimensionalen kulturellen und nationalen Identität stellt sie in Frage und macht gleichzeitig deutlich, wie das individuelle und gesellschaftliche Selbstbild durch Normen und repressive Setzungen gelenkt wird.
Bani Abidi rückt in ihren Filmen meist jene Orte und Bilder in den Mittelpunkt, die abseits des eigentlichen Geschehens liegen. Sie zeichnet mit Sorgfalt jenen Moment nach, in welchem die Zeit scheinbar still steht, in dem sich aber auch die demonstrative Inanspruchnahme von Macht am deutlichsten zeigt. In ihrem Film Reserved (2006) wird in Erwartung eines staatlichen Würdenträgers nicht nur der Verkehr einer Großstadt zum Erliegen gebracht, vielmehr sind die Bewohner in ihrem „disziplinierten Enthusiasmus“ (Adnan Madani) dem kollektiven Stillstand ausgeliefert. Das Repräsentationsritual der Fähnchen schwenkenden Kinder wird zum Placebo für die Autorität der Macht, die im gesellschaftlichen Alltag als Paradox erscheint.
Der Film The Distance from Here (2010) knüpft daran an und macht deutlich, wie unabdingbar unzählige Menschen (vornehmlich jene des ,globalen Südens’) der Macht einer Legitimationspolitik ausgesetzt sind. Für den Film inszeniert Abidi eine anonyme Menschenmenge ähnlich einem absurden Theater an einem nicht definierten Ort. Personen aller Altersgruppen warten auf die Beglaubigung von Papieren, sie stehen in der Schlange oder schlagen die Zeit in einem Wartesaal tot. Routiniert wird jeder mit dem Metalldetektor gescannt und bekommt für das Passbild eine Krawatte angeheftet. Wie auf dem Weg zu einem anderen oder fremden Ort steht ihnen die Unsicherheit gepaart mit Erwartungen ins Gesicht geschrieben. Die ritualisierten Formalitäten werden im filmischen Bild zu Repressalien der ,Willkür’ eines hegemonial gesetzten Willens. Scheinbar nur einer Formalie folgend erlangt das Warten für das Individuum eine existentielle Dimension.
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