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Wir konnten nichts tun

Ceija Stojka

02.08.25 - 14.09.25 | Kunstmuseum, Wolfsburg
Eingabedatum: 30.07.2025

Wir konnten nichts tun

Ceija Stojka, Ohne Titel, 2006, Gouache und Acryl auf Karton, 52 x 70 cm , Courtesy Stiftung Kai Dikhas bilder


Wir konnten nichts tun – so lautet der Titel eines Bildes der Holocaust-Überlebenden, Künstlerin und Romni Ceija Stojka (1933–2013). Damit beschreibt sie die Situation in den Konzentrationslagern, wo sie als Kind Augenzeugin der rassenideologischen Vernichtung ihrer Familie und ihres Volkes wurde.
Anfang der 1990er-Jahre war für Ceija Stojka die Zeit gekommen, aktiv zu werden: Als Autodidaktin begann sie, ein umfangreiches künstlerisches und literarisches Œuvre zu schaffen. In ihren Gedichten und Bildern verlieh sie dem Unsagbaren Ausdruck und schuf für ihre Erinnerungen mit einer eigenen Formensprache ausdrucksstarke Bilder. Dabei gelang es ihr nicht nur, ihr Trauma zu bannen, sondern sie befreite sich auch aus seinen Fängen.
Aus dem „wir konnten nichts tun“ wurde ein kraftvoller, politischer und emanzipatorischer Akt. Ceija Stojkas Kunst ist heute anerkannt und wird weltweit ausgestellt. Sie gilt als eine der zentralen Pionierinnen der zeitgenössischen Kunst der Sinti und Roma.

Die Ausstellung im Kunstmuseum Wolfsburg umfasst einige der prägnantesten Werke ihres Schaffens aus der Sammlung Kai Dikhas, was ins Deutsche übersetzt etwa „Ort zum Sehen“ bedeutet. Die Befreiung vom Nationalsozialismus erlebte Ceija Stojka im Konzentrationslager Bergen-Belsen, nicht weit entfernt von Wolfsburg. Dieses Lager taucht immer wieder in ihrem Werk auf, sowohl in ihren Gedichten als auch in ihren Bildern. Im bundesdeutschen Bewusstsein waren Sinti und Roma als Häftlingsgruppe und als Opfer eines Genozids lange Zeit nicht präsent. Ihre Ausgrenzung und Stigmatisierung setzten sich nach 1945 fort. Erst nach langen Kämpfen ist ihr Leid anerkannt worden. Ceija Stojka war in diesem Kampf eine wichtige Stimme. Inzwischen ist der 2. August als Europäischer Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma etabliert: In der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944 wurden in Auschwitz-Birkenau die verbliebenen über 4.000 Sinti und Roma von den Nationalsozialisten ermordet. Anlässlich dieses Gedenkens findet diese Ausstellung statt.

Eröffnet wird die Ausstellung Ceija Stojka. Wir konnten nichts tun am Freitag, den 1. August 2025, um 18 Uhr. Nach einer Begrüßung durch den Direktor des Kunstmuseum Wolfsburg, Dr. Andreas Beitin, sowie einer Einführung durch Katrin Unger, stellvertretende Leiterin der Gedenkstätte Bergen-Belsen, erläutert ein Podiumsgespräch mit Santino Stojka, dem Enkel von Ceija Stojka, und Gabriela Stojka, ihrer Schwiegertochter, Hintergründe zum Werk und zur Person der Künstlerin. Gabriela Stojka hat ihr Leben an der Seite Ceijas verbracht und wird das Publikum teilhaben lassen an ihren Erinnerungen – an Ceijas Schilderungen, aber auch an ihrem künstlerischen Schaffen und ihrem Kampf um Anerkennung und gegen Ausgrenzung in der Bürgerrechtsbewegung der Sinti und Roma.

Santino Stojka ist heute politisch aktiv: Er organisiert das Gedenken in Wien und ist Vorsitzender der HÖR (Hochschüler*innenschaft österreichischer Roma und Romnja). Er gehört der nächsten Generation des langen Kampfes um Gleichberechtigung an, in Zeiten eines spürbaren gesellschaftlichen Rechtsrucks, in denen sich viele Menschen in Anlehnung an den Titel der Ausstellung fragen: Was können wir tun? Die Moderation übernimmt Andrea Wierich, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Kompetenzstelle gegen Antiziganismus der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten.
Kurator der Ausstellung: Moritz Pankok, Künstlerischer Leiter der Stiftung Kai Dikhas.
Die Ausstellung und die Eröffnungsveranstaltungen finden in Kooperation mit der Stiftung Kai Dikhas sowie der Kompetenzstelle gegen Antiziganismus der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten statt.

Kunstmuseum Wolfsburg
Hollerplatz 1
38440 Wolfsburg

www.kunstmuseum.de

Presse

Einordnung:
Ceija Stojkas Werk steht im Kontext der sogenannten "Witness Art", die die Erfahrung des Holocaust und anderer Genozide künstlerisch verarbeitet. Als Romni, die den Holocaust überlebte, gibt Stojka den lange marginalisierten Erfahrungen der Sinti und Roma eine Stimme. Ihre autodidaktische Arbeitsweise, geprägt von expressiver Malerei und Gouache, steht im Kontrast zur akademischen Kunsttradition und verleiht ihrer persönlichen Geschichte unmittelbare Authentizität. Die Ausstellung im Kunstmuseum Wolfsburg, die Werke aus der Sammlung Kai Dikhas zeigt, verknüpft die regionale Geschichte Bergen-Belsens mit dem europäischen Gedenken an den Völkermord an den Sinti und Roma. Stojkas Kunst, die sich mit Traumata und Erinnerung auseinandersetzt, findet im Kontext der zeitgenössischen Roma-Kunst eine besondere Bedeutung und trägt zur Sichtbarmachung und Aufarbeitung dieser Geschichte bei. Ihre kraftvollen Bilder sind nicht nur Zeugnis des Leids, sondern auch Ausdruck von Widerstand und Emanzipation.





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