Der Kunstverein Göttingen präsentiert mit „Empire Dye“ die erste umfassende Einzelausstellung von Monira al Qadiri in Deutschland. „Empire Dye" (dt.: „Farbe/Färbung des Imperiums“) betrachtet aus einer futuristischen Perspektive das unvermeidliche Ende der menschlichen Herrschaft über die materiellen Reichtümer der Erde und nutzt das Meer hierzu als metaphorische Umschreibung.
In der Ausstellung im Alten Rathaus in Göttingen werden Skulpturen und Videoarbeiten gezeigt, in denen al Qadiri, Motive aus der ozeanischen Welt mit der Geschichte des Erdöls ästhetisch und erzählerisch verbindet. Für viele Jahrhunderte basierte die Wirtschaft der Küstenregionen der Golfstaaten auf dekorativen Perlen; auch der eigene Großvater der Künstlerin arbeitete als Sänger auf einem Perlenfischer-Boot. Die durch die Perlen geprägte regionale kulturelle Identität geriet nach der Entdeckung des Erdöls, durch die nachfolgende abrupte wirtschaftliche Entwicklung im zwanzigsten Jahrhundert, nahezu in Vergessenheit. Die unermesslichen Auswirkungen, die das Erdöl auf das kulturelle Erbe, die Gesellschaft und die Erinnerungen in der Region hatte, vergleicht al Qadiri mit einer außerirdischen Invasion aus dem Weltraum. Die Künstlerin schafft ebenso fantastische wie kritische Bilder von einer besonderen Strahlkraft, in denen es ihr gelingt, aus den Widersprüchen alternative Lesarten der Realität zu gewinnen.
Die schillernden Farbspektren, die die Perlen und das Öl ästhetisch miteinander verbinden, dienen der Künstlerin dazu, die zwei historischen Denkweisen, geprägt durch die jeweils dominierende Wirtschaft, miteinander zu verbinden und darüber hinaus einen Blick in die Zukunft zu wagen. Eine besondere Rolle spielt dabei die Farbe Violett. Galt sie ursprünglich wegen der aufwendigen Gewinnung als besonders wertvolle und vor allem als königliche Farbe, ist es heute die Farbe des größten Unglücks in der Ölindustrie. Nach der höchsten Gefahrenstufe, die in Rot angezeigt wird, blinkt nämlich der violette Alarm auf: dann, wenn es eigentlich zu spät ist. Die Künstlerin nutzt diese Farbe als Bezeichnung des Zustands unseres Lebens auf der Welt – eines Alarmzustandes, in dem der Umgang der Menschen mit der Umwelt auf sie selbst zurückfällt.
Kuratorin: Tomke Braun
Monira Al Qadiri (geb. 1983) ist eine kuwaitische Künstlerin, die im Senegal geboren und in Japan ausgebildet wurde. Im Jahr 2010 promovierte sie an der Tokyo University of the Arts in intermedialer Kunst, wo sie sich mit der Ästhetik der Traurigkeit im Nahen Osten aus Poesie, Musik, Kunst und religiösen Praktiken beschäftigte. Ihre Arbeit beschäftigt sich mit unkonventionellen Geschlechteridentitäten, Petrokulturen und deren möglicher Zukunft sowie mit den Hinterlassenschaften der Korruption. Sie lebt derzeit in Berlin.
Monira al Qadiri hatte u.a. Einzelausstellungen im CIRCL Pavillon, Amsterdam (2018), Sursock Museum, Beirut (2017); Gasworks, London (2017); Stroom Den Haag, Den Haag (2017) und Tokyo Wonder Site, Japan (2009). Ihre Teilnahme an internationalen Gruppenausstellungen umfasst u.a. Forum Expanded der Berlinale, Berlin (2019), die 9. Asia Pacific Triennial, Brisbane (2018); 6. Athen-Biennale, Athen (2018); Lulea-Biennale, Schweden (2018); 20. Festival für zeitgenössische Kunst Sesc_Videobrasil, Sao Paulo (2017); Palazzo Franchetti San Marco, Venedig (2017); Sursock Museum, Beirut (2016); NYU Abu Dhabi (2016). Sie ist 2019 für den Future Generation Art Prize nominiert gewesen.
Publikationen zu ihrem Werk sind erschienen u.a. Frieze, Arts & Culture, The Quietus, SchirnMag, Sleek, Berlin Art Link
31.10.19, 18.30 Uhr
Donnerstag-Dialoge
Ob als Ausklang des Tages oder als Auftakt für den Feierabend, die „Donnerstag-Dialoge“ bieten die Möglichkeit die Ausstellung zusammen mit unseren KunstvermittlerInnen zu erkunden, und sich auszutauschen.
29.09.19, 15.00 Uhr
Sonntagsführung
Rundgang durch die Ausstellung mit dem Leiter der Kunstvermittlung Max Holicki.
Kunstverein Göttingen
Gotmarstraße 1
37073 Göttingen
www.kunstvereingoettingen.de
Presse
Kataloge/Medien zum Thema:
Monira al Qadiri
Rumänisches Kulturinstitut Berlin
a.i.p. project - artists in progress
Galerie im Saalbau
Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin
Art Laboratory Berlin