Die Ausstellung Spieglein, Spieglein… untersucht am Beispiel von rund 45 Arbeiten von 20 Künstlerinnen, Künstlern und Künstlergruppen das breite Spektrum reflektierender Materialien als Werkstoff in der Kunst.
Das Kunstmuseum möchte mit der Auswahl dem Reiz von Spiegeln nachspüren. Spiegel ermöglichen die optische Vervielfachung realer Objekte. Sie erweitern und kommentieren den Ausstellungsraum, können das Publikum zum Teil eines Werks werden lassen, mit ihm in einen Dialog treten oder auch zum soziokulturellen Kommentar werden.
Thematisch kreist die Ausstellung um drei zentrale Blöcke. Am Anfang steht der Spiegel als optisches Phänomen. Es folgen Arbeiten, in denen es um die Selbstreflexion geht. Im letzten Teil schließlich fungieren spiegelglatte Oberflächen als politischer Kommentar.
In der Malerei haben Spiegeldarstellungen eine lange Tradition. Berühmte Darstellungen wie Jan van Eycks „Hochzeit des Giovanni Arnolfini“ oder Caravaggios Gemälde des „Narziss“ zeugen davon, mit welchem Können Maler spiegelnde Oberflächen in ihre Werke integrierten. Die Geschichte des Spiegels als bildnerischen Materials ist hingegen deutlich kürzer.
Hier sind es vor allem die Künstler*innen der ZERO-Gruppe sowie deren Umkreis, die mit Glas, Spiegeln und Licht optischen Phänomenen nachspürten. Neben Heinz Mack, der mit Spiegeln in der Wüste Lichtereignisse der besonderen Art inszenierte, war es Adolf Luther, der Spiegel und Glas als Medien nutzte, um völlig neue Raumeindrücke zu schaffen. Vor allem durch den Einsatz von gebogenen Scheiben (Hohlspiegeln) machte er sich optische Phänomene zu Nutze und schaffte es gleichzeitig, eine völlig neue Interaktion mit dem Publikum zu erreichen, das sich vorm Werk verzerrt und vervielfältigt.
Auch der im ZERO-Umfeld sowie bei den Neuen Tendenzen tätige Uli Pohl hat für seine konkreten Skulpturen Spiegel und Plexiglas genutzt, um faszinierende Bildwirkungen zu erreichen. Das Interesse am optischen Phänomen wurde in der zeitgenössischen Kunst weitergeführt und noch verschärft, etwa bei Brigitte Kowanz, LELLO//ARNELL, Timo Nasseri und Germaine Kruip.
Dadurch dass man sich selbst im Spiegel sieht, ist er ein ideales Motiv für Werke, die sich mit dem Selbst auseinandersetzen. Sali Muller etwa verhandelt mit spiegelnden Werken eine aktuelle Orientierungslosigkeit des Menschen. Zerbrechlichkeit ist im Werk von Till Schilling ein wichtiges Thema. Hier treffen Stoffeigenschaften und Sinnbildhaftigkeit aufeinander. Sich Zeit zu nehmen, um sich mit sich selbst zu beschäftigen, wurde für den Künstler Jeppe Hein zu einem zentralen Aspekt seines Arbeitens. Seine Spiegelwerke stellen Fragen nach der Konstitution des Seins, ebenso wie eine Arbeit von Claudia Mann.
Spiegel sind in der Ausstellung jedoch nicht nur künstlerisches Ausgangsmaterial, sondern auch Bedeutungsträger. Immerhin sind sie Sinnbilder kapitalistischer Strukturen der Gegenwart. Bankenhochhäuser, Displays in Modegeschäften und im Einzelhandel sind makellos, erlauben häufig den Blick nach draußen, aber nicht ins Innere und verbergen Prozesse, die im Hintergrund laufen. Josephine Meckseper und Sylvie Fleury nehmen diese Aspekte zum Anlass für subtil kritische Werke. Slavs and Tatars zeigen am Beispiel von sich in der Geschichte mehrfach geänderte Städtenamen die Auswirkungen von Glaubens- und Machtkämpfen. Lukas Glinkowski lässt sich von Schmierereien und Graffiti auf öffentlichen Toiletten oder anderen Nicht-Orten zu Malereien auf Spiegel inspirieren.
In der Gesamtschau möchte „Spieglein, Spieglein…“ das bildnerische Potenzial von Spiegeln erkunden und dabei festhalten, wie der besondere Werkstoff mit inhaltlichen Fragestellungen verknüpft wird und wie sich beide Aspekte bedingen.
Mit Werken von:
Robert Barry / Sylvie Fleury / Lukas Glinkowski / Germaine Kruip / Brigitte Kowanz / Jeppe Hein / Camill Leberer / LELLO//ARNELL / Adolf Luther / László Moholy-Nagy / Josephine Meckseper / Heinz Mack / Claudia Mann / Sali Muller / Timo Nasseri / Uli Pohl / Till Schilling / Slavs and Tatars
Kunstmuseum Heidenheim
www.heidenheim.de
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