Den irritierenden Titel zu seiner Ausstellung hat Matt Mullican programmatisch gewählt: „Nothing Should Exist“. Dieses Motto ist zugleich Ausgangspunkt eines Werks, das um die Frage kreist, was Realität jenseits unseres (subjektiven) Empfindens ist und wie sich Wirklichkeit fassen lässt: „Das Leben existiert in unserer subjektiven Erfahrung, in den Sinnen. Deshalb ist die abgebildete Realität dasselbe wie die [eigentliche] Realität. Das Erdachte entspricht dem Realen. Das war zumindest meine Prämisse.“ (Matt Mullican)
Matt Mullican verknüpft die Frage nach der Realität eng mit seinem (künstlerischen) Umfeld: Er machte an standardisierten Farbkarten Mitte der 1970-er Jahre die Beobachtung, dass sie je nach Beleuchtung ihre Erscheinung wechseln. Anschließend entwickelte er in der populären Bildform der Cartoons eine fiktive Welt und erkundete diese auf ihren Realitätsgehalt. Der Prozess, Dinge zu unterscheiden sowie Wahrnehmungs- oder Reflexionsprozesse zu erklären, erforderte eine Systematisierung und Ordnung, was den Künstler zu Mappenwerken (wie Organizational Legend, 1988) und Modellen (wie Models for the Cosmology, 2002) führte.
Das eröffnete ihm das Denken in Möglichkeiten.
Letztlich verdichtet „Mullican unsere Aneignung und Orientierung in der Wirklichkeit auf fünf existenzielle Bereiche von Wahrnehmung und Erkenntnis, denen Zeichen und Farben zugeordnet sind.“ (Ulrich Wilmes 2011) Dabei spielen Grundformen wie der Kreis und das Quadrat eine ebenso wichtige Rolle wie die (Grund-)Farben, die verschiedene Welten repräsentieren. So steht Gelb für die sogenannte Gerahmte Welt (World Framed) und den Bereich der Gedanken und Ideen, die in der Kunst und Wissenschaft zu Hause sind.
Nicht nur der Modellcharakter macht das Werk von Matt Mullican unverwechselbar, sondern auch die Bandbreite seiner künstlerischen Mittel. Er arbeitet mit Zeichnung und Tusche auf Papier ebenso wie mit Performance, Computeranimation und Bildern aus dem Internet. So entstehen unverwechselbare Darstellungen, Gegenstände und Aktionen von hohem Symbolwert und subjektiver Codierung. Sie repräsentieren zugleich klassische Gestaltungsprinzipien wie etwa Harmonie, Balance und Ornament und sollen über die visuelle Anziehungskraft und Elementarität einen Reflexionsprozess beim Betrachter auslösen.
Der 1951 in Kalifornien geborene und heute in Berlin lebende Matt Mullican war u.a. auf der documenta VII, IX und X vertreten und hatte Einzelausstellungen im Museum Ludwig Köln (2005) und im Haus der Kunst München (2012). Seit 2009 ist er Professor an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. Die in Kooperation mit dem Künstler und dem Kunstmuseum Winterthur konzipierte Ausstellung in der Kunsthalle Vogelmann Heilbronn ist die erste monografische Präsentation von Matt Mullican im deutschen Südwesten. Sie setzt mit Arbeiten aus den 1970er-Jahren ein und vermittelt anhand wichtiger Werkgruppen (wie Models after the Ludwig, 2008; The Meaning of Things, 2015) aus Museums- und Privatbesitz einen repräsentativen Einblick in seine komplexe Denk- und Kunstwelt.
Städtischen Museen Heilbronn in der Kunsthalle Vogelmann
74072 Heilbronn
Allee 28
museen-heilbronn.de/kunsthalle/ausstellung/
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