Florian Pumhösl, Untitled (Feline Faces with Raised Arms), 2004, Präkolumbianische Chancay-Gaze auf Loden, 91,5 x 121 cm, Courtesy Galerie Daniel Buchholz, Köln/Berlin
Wie kaum einem anderen österreichischen Künstler seiner Generation ist es dem 41-jährigen, in Wien lebenden Florian Pumhösl gelungen, derart stringent und überzeugend eine eigenständige abstrakte Formen- und Bildsprache zu entwickeln. Diese besitzt bei aller Strenge ihrer Ausdrucksform eine beeindruckende Vielfalt an aktuellen Referenzen sowie ein ungeheures visuelles Potenzial. Seine internationale Karriere begann schon in jungem Alter, denn als Florian Pumhösl 1993 an der legendären Gruppenausstellung Backstage im Hamburger Kunstverein zusammen mit Dorit Margreiter und Mathias Poledna teilnahm, war er gerade einmal 22 Jahre alt. Der von weiteren Freunden symbolisch unterstützte Beitrag des Künstlertrios sah vor, dass für die Laufzeit der Ausstellung alle Türschlösser der Institution ausgebaut werden sollten und somit das Ausstellungshaus im realen wie im metaphorischen Sinn seine Zugänglichkeit öffnete. Wenngleich heute, fast 20 Jahre später, die hier noch sehr deutlich ausformulierte Reflexion über die Mechanismen des Kunstsystems und seiner Institutionen im Werk von Pumhösl verborgener erscheinen, besitzt die Auseinandersetzung mit dem konkreten Ausstellungsraum sowie seinen institutionellen Gegebenheiten nach wie vor eine außerordentlich große Bedeutung für ihn. Davon konnte man sich zuletzt in seiner großen Einzelausstellung im mumok — Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien Anfang 2011 überzeugen, in der Pumhösl durch einen architektonischen Parcours exemplarisch den strahlend hellen Galerieraum, den sogenannten White Cube, in einen Dialog zur Blackbox der Filmvorführung setzte. Zusätzlich zu einer Vielzahl von Solopräsentationen in öffentlichen Museen und Kunsthallen, unter anderem in Köln, Genf und Amsterdam, wurde er in den letzten zehn Jahren zu vielen wichtigen Großveranstaltungen der Kunst, wie beispielsweise den Biennalen von São Paulo und Venedig sowie 2007 zur Teilnahme an der documenta 12, eingeladen.
Bekannt ist Florian Pumhösl für seine breit gefächerte Arbeit, die Filme, Installationen, Objekte und Glasmalerei umfasst, in denen er eine äußerste Reduzierung in der Wahl seines künstlerischen Ausdrucks walten lässt und dennoch in dieser Kargheit eine nachhaltige Präsenz erzeugt. In den letzten Jahren entstanden in diesem Zusammenhang häufig Serien, wie beispielsweise Bewegliche Bühne, für die er Glasplatten in verschiedene Formen schneiden ließ und diese, einer Aufführung ähnlich, auf jeweils vier Trägerplatten in variierenden Konstellationen präsentierte.
Ein weiterer Bilderzyklus trägt den Titel Diminution und besteht aus dünnen, rückseitig bemalten Glasplatten von neun jeweils 2- bis 6-teiligen Elementen, mit denen Pumhösl sich unter anderem auf die Dada-Köpfe von Hans Richter (1918) bezieht.
Diese vorrangige Beschäftigung mit historischem Formenvokabular und spezifischen inhaltlichen Fragestellungen der Moderne ist charakteristisch für Florian Pumhösl. Häufig interessiert ihn in dem Zusammenhang nicht nur die genealogische Herleitung einer Form, sondern auch deren soziale und politische Verortung. Seinen Projekten gehen in der Regel lange und aufwendige Recherchen voraus, die ihn in Länder wie Japan, Tansania oder, wie jüngst, in die finnisch-russische Landschaft Karelien führen.
Im Kunsthaus Bregenz wird Florian Pumhösl ausschließlich eine neue, speziell für diesen Anlass entstandene Serie vorstellen, die er dem Ausstellungstitel gemäß als Räumliche Sequenz präsentiert. Hierbei handelt es sich um Gipstafeln in drei unterschiedlichen Größen, die jeweils zu Trios zusammengefasst werden. Die Anordnung innerhalb jeder Dreiergruppe beginnt mit dem kleinsten und endet mit dem größten Format. Die insgesamt aus 15 Sujets bestehende 45-teilige Serie mit dem Untertitel Cliché orientiert sich in ihrer Progression an den legendären Emaille-Bildern des Bauhaus-Künstlers László Moholy-Nagy. Im Gegensatz zu den sogenannten Telefonbildern von Moholy-Nagy, die er von einer darauf spezialisierten Firma realisieren ließ, delegiert Pumhösl die formalen Setzungen auf seinen Tafeln nicht, sondern führt sie selbst mit einem Cliché-Stempel aus.
Das verwendete Stempelverfahren lässt sich bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen, als erstmals industrielle Druckformen entwickelt wurden, die ähnlich einem Stempel funktionierten. Ein besonderes Merkmal dieser speziellen Formen, die im Französischen »cliché« — auf Deutsch Schablone oder Nachbildung — genannt werden, war ihre mehrfache Verwendungsmöglichkeit. Zu seiner speziell für Bregenz entstandenen Serie äußert Pumhösl: »Für diese Arbeiten habe ich Tafeln aus Gips, einem mineralischen, homogenen Material herstellen lassen, auf die ich Farbe mit einem Cliché stemple. Das transparente Cliché ermöglicht es, den Bildträger auf der Sichtseite zu gestalten. Mir erscheint die Vorstellung wichtig, dass ein abstraktes Bild von vornherein eine Reproduktion (durchaus auch von etwas Ideellem) ist und dass seine Eigenschaften das auch nachvollziehen lassen.«
Nicht weniger von Bedeutung als ihr Herstellungsverfahren mithilfe von Clichés sind die formalen Setzungen der indigoblauen Farbe, die die Gipsplatten rhythmisieren. Mit dem Wissen um das Interesse Pumhösls an frühen Webmustern, beispielsweise aus Lateinamerika, und deren Rezeption durch Künstlerinnen und Künstler der Moderne eröffnen sie ein diskursives Feld, das sowohl außereuropäische Einflüsse, die Bedeutung von Design als auch Bezüge zur Serialität in der Kunst vereint. Letzteres wird auch durch die Wiederholung einzelner Linienmuster innerhalb einer Dreiergruppe und deren weiterer potenzieller Vervielfältigung unter Verwendung des Cliché-Stempels deutlich.
Darüber hinaus verweisen die Linienkonstellationen auf den einzelnen Tafeln mit ihren musikalischen Deutungsmöglichkeiten auf einen zentralen Aspekt der historischen Abstraktion. Und auch die Positionierung der Tafeln im Raum, ihre von Pumhösl festgelegten Abstände zueinander und die Freiflächen zwischen ihnen sind vergleichbar mit einer zeitbezogenen Sequenz und lassen in diesem Sinne an eine Partitur denken.
Parallel ist in der KUB Arena die Ausstellung Nairobi - A State of Mind, Kooperation Goethe-Institut Nairobi, Kenia zu sehen.
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