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Boris Lurie

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Tue Greenfort. ALGA

22.09.21 - 29.01.22 | ERES-Stiftung, München

Kunst

Seine Projekte verändern den Blick auf die vertraute Natur und schicken den Betrachter auf ungewohnte Entdeckungsreise: Mit ALGA rückt der dänische Konzeptkünstler und documenta-Teilnehmer Tue Greenfort (*1973) eine Organismengruppe in den Mittelpunkt, die sich eindeutiger biologischer Systematik und Zuordnung entzieht und der Eigenschaften zugeschrieben werden, die gegensätzlicher nicht sein könnten: Algen können giftig und lebensbedrohlich sein, sie gelten als Superfood und mögliches Heilmittel, ihre chemische Ähnlichkeit mit Erdölbestandteilen machen sie zu potenziellen Lieferanten von Biokerosin. Algen leben im Meer und im Süßwasser, aber auch in der Luft und sogar auf Schnee. Diese Vieldeutigkeit und Flexibilität einer natürlichen Lebensform liefern Tue Greenfort den Stoff für seine künstlerische Intervention, die im Ausstellungsraum beginnt, die Gewässer im Münchner Umland mit einbezieht und die Besucher zu Partizipation ermutigt.

ALGA ist die erste größere Einzelausstellung dieses unermüdlich zwischen lebendiger Natur und Kunstraum vermittelnden international gefragten Künstlers in München. Seine eigens für die ERES-Stiftung entwickelte Algen-Werkgruppe umfasst knackig-grüne Glasarbeiten, die von der Decke hängen, zarte Papiertondi, die aus Tegernsee, Chiemsee, Staffelsee oder Loisach gefilterte Algenspuren sichtbar machen. Zu sehen sind Cyanotypien (Eisenblaudrucke) von Algen – eine Hommage an die englische Botanikerin und Illustratorin Anna Atkins (1799-1871), die als eine der ersten mit diesem fotografischen Verfahren arbeitete. Mit Gipsabdrücken von Strandabschnitten, die Muscheln, Seetang und Kiesel enthalten, schlägt Greenfort eine Brücke vom Meer zu den Alpen, von seinem Geburtsland Dänemark zu seiner Ausstellung in München. In einem Algenlabor können mitgebrachte Gewässerproben mit dem Mikroskop untersucht, auf einem großen Monitor betrachtet, über eine spezielle Funktion als Handyfoto gespeichert und mit nach Hause genommen werden. So werden über das naturwissenschaftliche und künstlerische Bild Mikro- und Makrokosmos in der Ausstellung vereint.

Vor dem Hintergrund aktueller philosophischer Diskurse über den anthropozentrischen Blick auf die Pflanzenwelt, wie Timothy Mortons Buch »Ökologisch sein« oder Emanuele Coccias »Die Wurzeln der Welt«, zielen Tue Greenforts Projekte auf Veränderung und Infragestellung klischeehafter, dem Menschen dienender Naturbetrachtungen. Statt dekonstruktiver Zersetzung einer bis heute vorherrschenden romantischen Vorstellung von unberührter Umwelt und hierarchischer biologischer Klassifizierungen, weckt er mit seinem künstlerischen Werk Neugierde auf die Natur, wie sie ohne die vom Menschen erdachte Annäherung sein könnte. Dabei holt er die staunenswerten Eigenschaften und Erscheinungsformen einer eher vernachlässigten, oft kaum sichtbaren und teils sogar als abstoßend empfundenen Gruppe von Lebewesen ans Licht. So steht in seinen Arbeiten weder der Nützlichkeitsaspekt der Algen für den Menschen noch die Klage über Manipulation und Zerstörung der Umwelt im Anthropozän im Zentrum, sondern das Bemühen um die Herstellung einer neuen Beziehung und Kommunikationsform zum Pflanzenleben. »Wir können uns nicht den geringsten Begriff davon machen, was Natur eigentlich bedeutet«, hat Greenfort in einem Gespräch gesagt und weiter: »Natur steht für die komplexe Beziehung zwischen Zugehörigkeit und Unbekanntem.«[1] Algen, die wegen ihrer besonderen Vielfalt in der Evolution so viele verschiedene Wege gegangen sind und sich daher oft nicht mehr zu den Pflanzen zählen lassen, sind in ihrer Widersprüchlichkeit gegenüber starren Einordnungen für Greenfort der ideale Nährboden auf der Suche nach einer anderen Koexistenzform von Mensch und Natur. Sein durch und durch künstlerisches Werk regt zu direktem und spontanem Erleben der lebendigen Natur an. Glas als Material, handwerkliche Tradition, naturwissenschaftliche Bilder sowie das Naturverständnis von Öffentlichkeit und Medienlandschaft sind in Tue Greenforts Arbeiten eng miteinander verwoben und die Ingredienzien seiner künstlerischen Reflexion.

Wer seinen Algenexpeditionen folgt, kommt nach einem verregneten Sommertag an einem oberbayerischen See vergnügt mit anderem Blick zurück, vergisst Instagram-Bilder von sonniger Voralpenlandschaft und dass regnerisches Wetter »schlechtes« Wetter ist. Und so ermuntert auch die Betrachtung seiner künstlerischen Arbeiten, sich aus statischen Systemen zu bewegen, sich zu verändern und neu anzupassen. So wie Algen es als eine der ältesten Lebensformen der Erde seit Jahrmillionen überaus erfolgreich getan haben.
Sabine Adler

Naturwissenschaft

Meersalat, Zierliche Seefeder, Schwebesternchen – dass sich hinter diesen Namen Arten von Grün-, Rot- und Kieselalgen verbergen, lässt die staunenswerte Vielfalt von »Algen« bereits erahnen. Seit über drei Milliarden Jahren besiedeln diese Photosynthese betreibenden Lebewesen mit Zellkern (Eukaryoten) die Erde. Zusammen mit den Cyanobakterien (früher: Blaualgen) waren sie wahrscheinlich die ersten Organismen, die Sauerstoff in nennenswerter Weise in die giftige Ur-Atmosphäre abgegeben und somit Leben auf unserem Planeten ermöglicht haben. Heute gehören die geschätzten 400.000 Arten zu den wichtigsten Sauerstoffproduzenten und tragen damit signifikant zur Stabilisierung des Weltklimas bei.

Im Lauf der Evolution hat sich eine überwältigende phylogenetische Vielfalt herausgebildet, die sich durch unterschiedlichste Formen, Farben und Größen auszeichnet. Ob einzellige, mit bloßem Auge nicht sichtbare Mikroalgen (z.B. die grüne, kugelförmige Chlorella) oder vielzellige Makroalgen (z.B. der zu den Braunalgen zählende bis zu 45 Meter lange Riesentang) – sie alle sind Überlebenskünstler. Zwar kommen sie überwiegend in aquatischen Ökosystemen wie Ozeanen, Flüssen und Seen vor, wo sie als schwebendes Phytoplankton oder am Ufer festgewachsenes Phytobenthos an der Basis der Nahrungsketten stehen. Algen haben sich aber auch weitere Lebensräume erschlossen. Als terrestrische Varianten überziehen sie Oberflächen wie Felsen oder Bäume mit Filmen oder Krusten, teils leben sie direkt im Boden. Kryophile Arten sind auf die Schneefelder der Polarregionen spezialisiert, während Epibionten pflanzliche oder tierische Wirte bevorzugen. Die Phykologie (Algenkunde) hat bereits erstaunliche Erkenntnisse zur Evolution, Systematik und Biodiversität von Algen gesammelt. Und revolutionär ist ihr Potenzial für die Zukunft: Geforscht wird aktuell an ihrer Nutzung für neue Medikamente, nachhaltige Energiegewinnung, Ernährung, Kosmetik oder Abwasserfilterung.

So vielversprechend die positiven Eigenschaften von Algen auch sind, die weltweit immer wieder auftauchenden Algenblüten können auch zur mitunter tödlichen Gefahr für Mensch und Tier werden. Ursache sind der menschengemachte Klimawandel und die exzessive Überdüngung der Gewässer infolge intensiver Landwirtschaft. Dies lässt Algenpopulationen explodieren, die daraufhin Toxine und giftige Gase freisetzen. Wenn Algen als Primärproduzenten aus dem Gleichgewicht geraten, können ganze Ökosysteme kippen.
Tobias Gingele

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ERES-Stiftung
Kunst + Naturwissenschaft
Römerstr. 15
D–80801 München
eres-stiftung.de

Presse





Kataloge/Medien zum Thema: Tue Greenfort



Tue Greenfort:


- 3rd edition of the Project Biennial of Contemporary Art, 2015

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