Der etwas befremdlich klingende Ausstellungstitel ist der "Kana Sprak" entlehnt und bezieht sich auf die seltsamen Ausuferungen im Umgang mit Accessoire. Künstler wie Thomas Hirschhorn, Monica Bonvicini, Sherrie Levine, um nur einige zu nennen, zeigen in der Ausstellung ihre Auseinandersetzung mit dem Thema.
Pressemitteilung / Auszug: "Zu der Ausstellung Accessoiremaximalismus sind zwölf internationale Künstlerinnen und Künstler eingeladen, die Facetten ungefilterter moderner Lebensstile, kultureller Nischen und Klimazonen von Individuen, Gruppierungen oder Schichten in der westlichen Gesellschaft beleuchten.
Gegensätze, aber auch Konglomerate verschiedener Kulturkreise werden in ihren Beiträgen als typische Phänomene heutiger Massenkultur, wie sie sich in der urbanen Architektur, in Einrichtungsformen oder in der Kleidung niederschlägt, in den Blick genommen. Kiels Problematik als alte Arbeiterstadt, die gesamtdeutsche Situation von Subkulturen und Kleingruppen werden genauso thematisiert wie die weltweit durch Accessoires erzeugten Zugehörigkeitsgefühle bis hin zum Markenfetischismus.
Der Begriff "Accessoiremaximalismus" entstammt einem Gespräch mit dem Autor Feridun Zaimoglu, Erfinder der "Kanak Sprak". Seine Bücher handeln in erster Linie von (jungen) Türken, die ihre zum Teil hybride Identität am Rande der deutschen Gesellschaft entwickeln. ...
"Accessoiremaximalismus" deutet auf die Grenzenlosigkeit, die Übertreibung oder das Extreme im Umgang mit dem Accessoire.
Eine ganze Reihe von Künstlern hatte sich bereits in den 1980er und 1990er Jahren mit Accessoire-, Fetisch- und Kitschphänomenen auseinander gesetzt. Haim Steinbach verdeutlicht im Rahmen dieser Ausstellung die identitätsbildende Komponente von Massengegenständen anhand des Accessoires, das zum Adorationsobjekt wird. Sherrie Levine greift - gegenüber Steinbachs Alltagsrezeption - auf die Kunstgeschichte als ein Reservoir von accessoiregefüllten Readymades zurück. Die Ausstellung in der Kunsthalle schärft den Blick vor allem aber für eine neue Wirklichkeitsnähe der Kunst in den letzten Jahren. Das Accessoire ist vermehrt für jene Künstler bedeutend, die sich kritisch mit der Gesellschaft und ihren Geschmacksbildungsprozessen beschäftigen. Der Betrachter wird in das Werk miteinbezogen, Künstler und Nichtkünstler treten als Kultur-Komplizen auf.
Entsprechend sind verschiedene Beiträge der Ausstellung außerhalb der Kunsthalle lokalisiert. Feridun Zaimoglus Ausschmückung der Kunsthallen-Fassade mit türkischen Flaggen führt das Bedürfnis nach Nabelschau und Trophäensammlung auf Seiten der größten Migrantengruppe in Deutschland durchaus ambivalent vor Augen. Thomas Hirschhorns fünfzig Papierarbeiten "Utopia = One Dress, One Army, One War, One World" werden am Tag der Ausstellungseröffnung in Form eines 8-seitigen Beiblatts den "Kieler Nachrichten" in der Auflage von 55.000 Stück beigelegt. Seine apokalyptisch anmutenden Bilder treten zu den gestylten Gestaltungsformen einer Kulturindustrie, die die Welt mit "We are the World"-Accessoires überschüttet, in scharfen Kontrast. Jakob Kolding machte sich in Vorbereitung seines Beitrages für zwei Tage nach Kiel auf, um die urbane Struktur der Stadt und die Frage, welche soziale Konsequenzen damit verbunden sind, zu beleuchten. Hierzu gestaltet er ein Poster, das in Kiel plakatiert wird.
Neben diesen weithin sichtbaren Ausstellungsbeiträgen tragen die künstlerischen Positionen in der Kunsthalle nicht weniger Zeichen künstlerischer Kulturkämpfe. Atelier van Lieshout gibt in großformatigen Zeichnungen machtvoll posierend das Lebensgefühl von "Naughty by Nature"-Jugendlichen aus Rotterdamer Vororten wieder. Bei Claus Föttinger tritt das Publikum in das Arrangement einer Teestube wie in den Schutzraum eines Kulturghettos in Deutschland ein. Carlo Farsang, selbst "ground hopper", hält fotografisch den rauschartigen Aufstand der Fußballfans in den vergitterten Grenzen der von ihm weltweit bereisten Stadien fest. In Pia Lanzingers Video-Aufzeichnungen von Kieler Mädchen zwischen 11 und 19 Jahren verwandeln sich nicht nur beposterte Zimmerwände, sondern auch ausgesuchte Lieblingsgegenstände zu aufschlussreichen Dokumenten jugendlichen Selbstverständnisses, wohingegen die unaufdringlich fotografischen Bildwelten von Peter Loewy quasi-detektivischen Zeugnissen aus dem Kontext jüdischer Wohnungen in Frankfurt entsprechen.
Der Umgang mit "Mainstream"-Kulturen und vorgefertigten Lebensstilentwürfen wird in zwei weiteren Beiträgen behandelt. Monica Bonvicini zitiert Formen männlich geprägter Körperinszenierungen am Beispiel einer idealen Wohnsituation für männliche Singles, wie ihn die Zeitschrift "Playboy" in den 1960er und 1970er Jahren entworfen hat. Und Swetlana Heger wird in ihrem "work in progress" Projekt "Playtime" selbst zum exklusiven Accessoire eines von ihr anvisierten gehobenen Lebensstils."
Ausstellungsdauer: 29.8.-9.11.03
Öffnungszeiten: Täglich außer Mo 10.30-18.00 Uhr, Mi 10.30-20.00 Uhr
Kunsthalle zu Kiel | Düsternbrooker Weg 1 | D-24105 Kiel | Tel.: (0)431- 880 57 56
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