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Boris Lurie

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Rücktritte aus der Findungskommission der documenta 16: Ranjit Hoskoté

Nov 23 | documenta, Kassel

Gleich zwei Pressemitteilungen zu Rücktritten aus Findungskommission der documenta 16 erreichen die Redaktion. Anbei veröffentlichen wir die Rücktrittserklärung von ­Ranjit Hoskoté, in einer weiteren Meldung folgt die Rücktrittserklärung von ­Bracha Lichtenberg Ettinger:

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­Ranjit Hoskoté legt Amt in der Findungskommission der documenta 16 nieder

Am gestrigen Sonntag trat der Schriftsteller, Kulturtheoretiker, Kunstkritiker und Kurator Ranjit Hoskoté aus der ursprünglich sechsköpfigen Kommission zurück, die mit der Auswahl der Künstlerischen Leitung der 16. Ausgabe der documenta (2027) betraut ist. Ranjit Hoskoté war in den vergangenen Tagen aufgrund seiner Unterschrift unter dem Statement against consulate general of Israel, Mumbai’s event on Hindutva and Zionism (vom 26. August 2019) und dessen BDS-Bezug und antisemitischem Gehalt in die Kritik geraten.

Ranjit Hoskoté hatte in der Folge gegenüber der documenta und Museum Fridericianum gGmbH in intensiven Gesprächen deutlich gemacht, dass er die Ziele des BDS ablehne und die Bewegung nicht unterstütze. Die documenta und Museum Fridericianum gGmbH hatte ihn darüber hinaus um Stellungnahme zu den seitens der gGmbH als eindeutig antisemitisch bewerteten Inhalten des Statements und seine Haltung hierzu gebeten, wobei die Erwartung einer unmissverständlichen Distanzierung von seiner Unterschrift bzw. den antisemitischen Inhalten des Statements bestand. Hierauf folgte das Schreiben Ranjit Hoskotés, mit dem er seinen Rücktritt erklärte.

Andreas Hoffmann Geschäftsführer der documenta und Museum Fridericianum gGmbH betont: „Ich danke Ranjit Hoskoté für seine bisherige Bereitschaft, uns in diesen schwierigen Zeiten zur Seite zu stehen und halte seine folgerichtige und in der Konsequenz respektable Rücktrittsentscheidung für richtig. Die aktuellen Entwicklungen rund um die Findungskommission der documenta 16 zeigen einmal mehr, wie lang der Weg zu einer konsequenten Aufarbeitung der documenta 15 noch ist. Es bedarf einer konsequenten Distanzierung von jeglicher Form von Antisemitismus. Die Ereignisse des Sommer 2022 dürfen sich nicht wiederholen. Nur so kann nach den Geschehnissen der documenta fifteen ein echter Neuanfang gelingen.“

Was diese Entwicklung für den weiteren Prozess bzgl. Zeitplan und Zusammensetzung der Findungskommission bedeutet, wird derzeit intensiv zwischen den Gesellschaftern, dem Aufsichtsrat, der gemeinnützigen GmbH und den Beteiligten der Findungskommission erörtert.

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Ranjit Hoskotés Rücktrittschreiben (Sonntag, 12. November 2023)

Lieber Andreas,

die letzten Tage gehörten zu den zutiefst erschütterndsten Tagen in meinem Leben. Der ungeheuerliche Vorwurf des Antisemitismus wurde gegen meinen Namen erhoben, und zwar in Deutschland, einem Land, das ich mit Liebe und Bewunderung betrachte und zu dessen kulturellen Einrichtungen und intellektuellem Leben ich seit mehreren Jahrzehnten als Schriftsteller, Kurator und Kulturtheoretiker beigetragen habe. Deutsche Berichterstatter*innen, die mein Leben und meine Arbeit nicht kennen, haben mich aufgrund einer einzigen Unterschrift auf einer Petition, die aus dem Zusammenhang gerissen und nicht im Geiste der Vernunft angegangen wurde, verurteilt, denunziert und stigmatisiert. Über mich wurde mit Härte und Herablassung geschrieben, und keiner meiner Verleumder*innen hat es für wichtig gehalten, mich nach meinem Standpunkt zu fragen. Ich habe das starke Gefühl, dass ich einem Scheingericht unterworfen worden bin.

Es ist mir klar, dass in dieser vergifteten Atmosphäre kein Platz für eine differenzierte Diskussion der anstehenden Fragen ist. Und jetzt – was mir wie ein vergeblicher Versuch erscheint, eine Situation zu retten, die nicht mehr zu retten ist – wird von mir verlangt, eine pauschale und unhaltbare Definition von Antisemitismus zu akzeptieren, die das jüdische Volk mit dem israelischen Staat in einen Topf wirft und dementsprechend jede Sympathiebekundung für das palästinensische Volk als Unterstützung für die Hamas ausgibt.

Mein Gewissen erlaubt es mir nicht, diese pauschale Definition und diese Einschränkung der menschlichen Empathie zu akzeptieren. Einer solchen Definition und solchen Einschränkungen haben sich prominente jüdische Denker*innen wie der Philosoph Omri Boehm, der Historiker Moshe Zimmermann, der Kolumnist Gideon Levy, der Philosoph Michael Marder und viele, viele andere widersetzt, die die Gleichsetzung von Antizionismus mit Antisemitismus ablehnen. Ein System, das auf einer derartigen Definition und derartigen Einschränkungen besteht – und das sich entscheidet, sowohl Kritik als auch Mitgefühl zu ignorieren – ist ein System, das seinen moralischen Kompass verloren hat. Ich sage dies mit größter Traurigkeit.

Es schmerzt mich zu sagen, dass solche Hintergründe der historischen Offenheit der documenta für eine Vielfalt von Positionen und ihre Fähigkeit, das Leben der Fantasie in einer unterstützenden Umgebung zu erhalten, zuwiderlaufen. Ich befürchte sehr, dass diese Umstände die Großzügigkeit des Geistes und die Bereitschaft zum Dialog beeinträchtigen werden, die seit langem zu den herausragenden Merkmalen des deutschen Beitrags zur globalen Kulturpolitik gehören.

Daher sehe ich mich nicht in der Lage, meine Pflichten gegenüber der documenta zu erfüllen, einer Institution, für die ich eine große Zuneigung empfinde und die ich seit mehr als zwanzig Jahren gut kenne, seit Okwui Enwezor mich eingeladen hat, auf der Plattform der documenta 11 in Delhi im Mai 2001 ein Panel zu leiten. Es war mir eine Ehre, dem Findungskomitee für die documenta 16 anzugehören, und es war mir ein Vergnügen, Sie kennen zu lernen und mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Mit großem Bedauern muss ich Ihnen meinen Rücktritt anbieten und aus der Findungskommission ausscheiden.

*

Sie werden mir zustimmen, dass es nur fair ist, dass ich meine Sicht der Dinge zu Protokoll geben darf, wenn ich gehe. Ich möchte dies wie folgt tun:

1. Ich möchte noch einmal betonen, dass ich das jüdische Volk in höchstem Maße schätze und immer tiefstes Mitgefühl für seine historischen Leiden und Bewunderung für seine glorreichen kulturellen Errungenschaften empfunden habe. Dies zeigt sich in meinen Aufsätzen, meinen Vorträgen und meinen Büchern. Ich bin entsetzt über den Vorwurf, ich sei antisemitisch, und über die Unterstellung, ich müsse über dieses sensible Thema belehrt werden. Einfache biografische Faktoren führen diesen Vorwurf ad absurdum. Ich bin in einer pluralistischen Familie aufgewachsen, die stolz auf die Vielfalt Indiens war, einschließlich der jahrhundertelangen Anwesenheit von drei verschiedenen jüdischen Gemeinschaften unter uns – den Bene Israel, den Cochini-Juden und den Baghdadi-Juden. Mein erster Mentor und lieber Freund, der große indische Dichter und Kunstkritiker Nissim Ezekiel, war Mitglied der Bene Israel Gemeinde. Eine meiner Großtanten, Kitty Shiva Rao, wurde als Kitty Verständig in einer jüdischen Familie in Wien geboren; sie lebte im gerade unabhängig gewordenen Indien und setzte ihr Wissen über den Holocaust ein, um ein junges Land zu heilen, das inmitten der Schrecken der Teilung geboren worden war. Die Shoah ist für mich kein Fremdwort; sie ist einer der Stränge meiner eigenen Familiengeschichte.

2. Abgesehen von biografischen Faktoren möchte ich auch zu Protokoll geben, dass ich mich öffentlich gegen den intellektuellen und kulturellen Boykott Israels ausgesprochen habe ­– mit der Begründung, dass dies unsere liberalen, progressiven, kritischen und integrativen Kolleg*innen in Israel weiter schwächen und isolieren wird. Ich teile die BDS-Position nicht und unterstütze die Bewegung nicht. Mein Mitgefühl gilt sowohl dem jüdischen als auch dem palästinensischen Volk, das in Westasien seit mehr als sieben Jahrzehnten ununterbrochene Kämpfe erdulden muss.

Ich verurteile unmissverständlich den Terror, den die Hamas am 7. Oktober 2023 gegen Israel entfesselt hat, und das schreckliche Massaker, das Hamas-Kämpfer*innen an israelischen Männern, Frauen und Kindern sowie an Palästinenser*innen, Thailänder*innen, Filipinos und Filipinas, Nepales*innen und anderen Personen verübt haben. Ich trauere um den Tod dieser unschuldigen Menschen. Gleichzeitig kann ich das brutale Vernichtungsprogramm, das die israelische Regierung als Vergeltung gegen die palästinensische Zivilbevölkerung eingeleitet hat, nicht ignorieren. Ich kann nicht wegsehen von dieser humanitären Katastrophe, die das Leben unschuldiger Männer, Frauen und Kinder kostet. Jetzt ist es mehr denn je notwendig, die Gemeinschaften Israels und Palästinas zusammenzubringen, auf den Exzeptionalismus des Leidens auf beiden Seiten zu verzichten und eine Solidarität der Trauer, eine Gemeinschaft der gemeinsamen Verwundbarkeit und einen Prozess der Heilung und Erneuerung zu schaffen.

3. Betrachten wir nun die sogenannten Beweise, die gegen mich vorgelegt wurden: meine Unterschrift unter eine Petition des Indischen Kulturforums vom 26. August 2019, mit der gegen eine vom israelischen Generalkonsulat in Mumbai veranstaltete Diskussion zum Thema Leaders' Idea of Nations: Zionismus und Hindutva. Auf der Einladung zu dieser Veranstaltung war ein Porträt von Theodor Herzl, der Gründerfigur des Zionismus, neben einem Porträt von V. D. Savarkar, einer Gründerfigur der Hindutva, abgebildet.

Ich habe diese Petition unterschrieben, weil die Veranstaltung eindeutig eine Gleichsetzung von Herzl und Savarkar vorsah und eine Allianz zwischen Zionismus und Hindutva intellektuell salonfähig machen sollte. Ich fand dies höchst ironisch, da Savarkar als Bewunderer Hitlers bekannt war und offen seine Bewunderung für die Nazi-Ideologie und -Methoden zum Ausdruck brachte, die er als Modell für ein Hindu-majoritäres Indien vorschlug, dem es folgen sollte, insbesondere im Hinblick auf die Behandlung der religiösen Minderheiten. Keiner der deutschen Kommentator*innen, die mich anprangerten, hat sich gefragt, warum das israelische Generalkonsulat es überhaupt für angebracht hielt, Zionismus mit Hindutva gleichzusetzen.

Ich habe mein Leben dem Widerstand gegen autoritäre Kräfte und diskriminierende Ideologien gewidmet, und meine Unterschrift war getragen von meinem Engagement für Dialog, Einbeziehung, Gegenseitigkeit und die unaufhörliche Suche nach einer gemeinsamen Basis. Diese Verpflichtung bleibt für mich der Eckpfeiler meines Lebens.

Mit herzlichen guten Wünschen
Ranjit
­


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