Thea Djordjadze wurde 1971 in Tiflis, Georgien, geboren. Sie studierte Bildhauerei in der Klasse von Rosemarie Trockel an der Kunstakademie Düsseldorf. Von 2004 bis 2007 war sie Atelierstipendiatin des Kœlnischen Kunstvereins. Nun präsentiert der Kunstverein ihre erste institutionelle Einzelausstellung in Deutschland seit 5 Jahren.
Wie häufig im Kunstverein handelt es sich um eine spezifische Neu-produktion, die unverwechselbar ist und in direkter Auseinandersetzung
mit dem Ort entsteht.
Ein Element in vielen Arbeiten von Thea Djordjadze sind schlanke Holz- oder Stahlprofilkonstruktionen. Die mehrfach Richtung und Länge wechselnden Verstrebungen erinnern an axonometrische Zeichnungen. Ihre Umrisse scheinen nicht zu Ende gedachte Flächen und Volumen anzudeuten. Sie vermitteln den Eindruck geometrischer Figuren, deren Geraden und Winkel aufgebrochen und verdreht wurden. Teilweise wirken sie wie seltsam verbogene oder gefaltete Umrisse diverser Einrichtungsgegenstände. Die Strukturen funktionieren im Zusammenspiel mit Objekten, die aus Holz, Ton, Papiermaché und anderen Materialien hergestellt wurden. Hinzu kommen Teppiche oder Teppichboden-stücke, Glasscheiben oder zugeschnittene Platten. Die kombinierten Fragmente sind durch lose Verfahren wie Stellen, Legen und Lehnen miteinander verbunden. Sie wirken spekulativ, wie temporäre Anordnungen. Die Bemalung ist andeutungs-weise ausgeführt und wirkt provisorisch. Zum Beispiel, wenn dünn angerührter Gips oder unverdünnte Wandfarbe auf weiches Material wie Schaumstoff oder Teppichboden aufgetragen sind.
Djordjadzes Skulpturen zitieren teilweise die Raumfaltungen der russischen Futuristen oder der De Stijl Gruppe, unterscheiden sich jedoch wieder deutlich von diesen durch biomorphe, manchmal surreal, manchmal folkloristisch wirkende Gestaltungselemente. Hinzu kommt ein teilweise fast erzählerischer Umgang mit dem Interieur als Motiv: Stuhl, Tisch, Bett, Paravent. Das visuelle Ausgangsmaterial für die Ensembles nimmt die Künstlerin im Design und der Architektur durchreister Umgebungen wahr. Dabei liefern vor allem der familiäre Zusammenhang in Georgien und die Reisetätigkeit als international ausgestellte Künstlerin die topografischen Koordinaten dieser Rezeption. Meist sind es heterogene Raumkonzepte, deren Erfahrung die Künstlerin interessiert: Situationen, in denen Gebrauch, Improvisation und das Aufeinandertreffen diverser, oft gegensätzlicher kultureller Praktiken eine Rolle spielen. Djordjadze transplantiert Bilder und Gegenstände aus dem Zusammenhang ihrer ursprünglichen Funktions- und Erscheinungsweise heraus und überträgt sie in die spekulative Umgebung ihrer eigenen künstlerischen Arbeit. Kulturelle Realität und Widersprüche - die im Ausgangsmaterial als Normalität repräsentiert sind - werden in diesem Prozess wieder aufgelöst und als formbar und relativ verhandelt.
Die Moderne erscheint in Thea Djordjadzes Werk als Konstruktion, deren universalistischer Anspruch schon immer durch die Pluralität kultureller und geografischer Austauschverhältnisse ersetzt wurde. In einem Kino zeigte die Künstlerin anlässlich ihrer Ausstellung in der Kunsthalle Basel (2009) den Film "Das Salz Swanetiens" von Michail Kalatosow. Der Film dokumentiert den Zusammenprall von Modernisierung und Archaik in der postrevolutionären Sowjetrepublik Georgien. Sowjetische Filmemacher wollten die sozialistische Perspektive —auch bildsprachlich— in die durch patriarchale Traditionen geprägten Südränder der jungen Räterepublik tragen. Umgekehrt wurde aber die Filmsprache der jungen Revolutionäre durch die vorgefundenen sozialen und geografischen Strukturen ebenfalls verändert. Ein ähnliches Verhältnis wird in Djordjadzes Arbeit reflektiert, wenn sie einen folkloristischen Fransenteppich über eine axonometrische Holzkonstruktion legt. Auch das Ornament des Teppichs wird relativiert. Dessen Schmuckseite ist nach innen gefaltet; die ungewollt modern wirkende - weil technischere - Rückseite bleibt dagegen sichtbar.
Soren Grammel, Kurator der Ausstellung
Koelnischer Kunstverein
Hahnenstraße 6
50667 Köln
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pm
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