Der kometenhafte Aufstieg Amelie von Wulffens
Spricht man von Amelie von Wulffen, ist man immer wieder erstaunt, wie schnell es denn mit dem Aufstieg in die höheren Kunstsphären gehen kann. Dabei hatte die 38-jährige Künstlerin nach ihrem Abschluss an der Münchner Akademie erst mal gar nicht so viel Lust auf Malen - Politische Filme mit Knetfiguren waren interessanter, angesichts des plötzlich einsetzenden Erfolgs jedoch schnell wieder ad acta gelegt.
Die endgültige Adelung - nachdem man sich auf dem internationalen Kunstmarkt seit gut zwei Jahren um ihre Bilder reißt - kommt jetzt von oberster Stelle: Das Centre Pompidou widmet der gebürtigen Oberpfälzerin eine Einzelausstellung und unterstreicht ihre Bedeutung mit dem Zusatz, Wulffen sei "eine der bemerkenswerten Figuren der jungen deutschen Kunstszene". Was das Centre Pompidou damit meint: Wulffen ist eine der wenigen kompletten und innovativen Protagonisten des deutschen Kunstbetriebs.
Was uns die Künstlerin vor Augen führt, spreizt sich zuallererst wohltuend vom zeitgenössischen Einheitsbrei ab. Wulffen schuf durch ihre Melange aus Foto, Collage und Malerei ihre eigene Ästhetik; in der Bilder- und Motivsuppe rings um das figurative Leipzig und dessen Nachahmer zeigt uns Wulffen wie herrlich erfrischend und verblüffend Kunst doch sein kann.
Die grundsätzliche Interpretation ihrer Werke fußt dabei auf den denkbar einfachen - weil schon vor 80 Jahren gehegten - Gedanken, Zeit und Raum bildnerisch umzudeuten. Neu ist dieser Ansatz beileibe nicht, die Umsetzung dafür umso faszinierender.
Auch Wulffen entkommt nicht dem Grundgedanken des synthetischen Kubismus’ und verwendet das Prinzip der Collage in ihren Werken. Von der rein malerischen Zergliederung der Perspektive sieht sie jedoch ab.
Im Mittelpunkt ihrer Werke steht das Foto, das bei Wulffen zumeist mit der Erinnerung gleichgesetzt werden kann. Ob es nun Elvis, ihre Großmutter oder eine Gründerzeitvitrine abbildet, das Foto dient zur Stimulation des Gedächtnis’, dem Eintauchen in Wulffens Erinnerungsspeicher. Anders verhält es sich mit ihren Architekturfotografien, bei denen der malerische Aspekt mehr Bedeutung besitzt.
Dieser dient meist - auch bei den auf Erinnerung intendierten Werken - der Verzerrung. Die Interieurs werden zerrissen, perspektivisch verfremdet. Der Pinsel findet seine Funktion im Hinzufügen eines psychologischen Zusatzes, nicht selten auch der negativen Umkehrung des Fotomotivs. In groben, zumeist "dreckig" gehaltenen Farbtönen führt Wulffen die Perspektiven fort. Oder zerstört diese.
Die wahre Kunst ihrer Werke liegt jedoch im geradezu poetischen Talent Wulffens, verschiedene bildnerische Elemente ineinander überfließen zu lassen und damit eine eigene Ästhetik zu kreieren.
Ansätze, die dem Großteil aufstrebender Künstler im Wirken noch fehlen. Wulffens Malvorgänge sind zwar zum Großteil sehr analytisch, durch die charakteristische Darstellung jedoch eben einzigartig. Insofern nur verständlich, dass mit der Einzelausstellung in Paris Pompidou-Kurator Jonas Storsve zum endgültigen Ritterschlag ausholt: "Für mich war die (Wulffen-)Ausstellung die beste, die ich in letzter Zeit in einer New Yorker Galerie gesehen habe." Und wahrscheinlich nicht nur dort!
M.M.
kultur-kanal.de
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