Zur Vorgeschichte der suprematistischen Malerei: Kasimir Malewitschs künstlerische Entwicklung im Vorfeld des Suprematismus (bis 1915) läßt sich in drei Hauptphasen gliedern: Primitivismus, Kubofuturismus und Alogismus.
Im Primitivismus von 1910 bis etwa 1912 entwickelte der Künstler einen Stil, dessen Charakteristika stark vereinfachte, flächige Formenelemente und eine expressive Farbgebung waren. Die Figuren weisen häufig schwarz geschwungene Linien zur Begrenzung ihrer äußeren Kontur auf; die Gesichter bleiben ohne individuellen Ausdruck. Kräftige Farben wie rot, blau, gelb und Mischfarben wie ocker oder grau-blau sind vorherrschend. Dabei bleiben die Einflüsse Cézannes, der Impressionisten und der Fauves spürbar. Die planimetrische Behandlung von Figur und Gegenstand bedingte, als weiteres typisches Merkmal dieser Phase, die Abkehr von der perspektivischen Raum- und Körperillusion. Inhaltlich bestimmten Alltagsszenen das Geschehen auf der Leinwand. Es entstanden Bilder wie z.B. "Badender"(1911), "Der Gärtner"(1911) oder "Pediküre"(1911).
Die Beziehung zwischen Farbe, Form und Inhalt sollte in den genannten Phasen immer wieder bewußt, mit jeweils verschiedenen Schwerpunkten, thematisiert werden.
Der Kubofuturismus (eine russische Abwandlung von französischen Kubismus und italienischen Futurismus) verstärkte im Gegensatz zum Primitivismus die Rückbesinnung auf traditionelle Ausdrucksformen der russischen Volkskunst. Gleichzeitig wurde die sich ändernde Situation der Bauern in ihrer Arbeitswelt dargestellt wie bspw. auf dem Bild die "Schnitterin"(1912). Die Vermischung von Elementen aus der Volkskunst mit zeitgenössisch künstlerischen Tendenzen veranschaulicht den Versuch, akademische Werte zu überwinden und dabei Kunst und Leben wieder miteinander zu verbinden.
Formal verwandte Malewitsch einfache, kubistisch orientierte Grundformen wie Kugel, Kegel und Zylinder zur Darstellung seiner Figuren und ihrer Umgebung. Die Farbe, jetzt häufig erdfarbene Töne, trat leicht zurück und diente verstärkt zur Hervorhebung der Plastizität. Auf vielen Bildern dieser Zeit zerlegte er die Fläche in ein facettenartiges Gebilde, in dem sich die Vielfalt der Erscheinungsformen summarisch charakterisiert spiegelte. Gleichzeitig greift Malewitsch auf andern Bildern dieser Zeit, z.B. "Schleifer", offensichtlich futuristisches Formenvokabular auf. Dabei nimmt er jedoch den futuristischen Anspruch auf Simultanität und Durchdringung der zu einem Motiv gehörenden Fragmente durch das alles umfassende Prinzip der Dynamik zugunsten einer Vereinfachung und Geometrisierung der Formen zurück.
Besonders in den Bühnenbild- und Kostümentwürfen, die der Künstler 1913 für die futuristische Oper "Sieg über die Sonne", entwickelte, wird deutlich, dass das Experimentieren im Hinblick auf die Geometrisierung der Formen in der Komposition, aber auch in der Darstellung des menschlichen Körpers, das Interesse des Künstlers immer stärker in seinen Bann zogen. 1915 schrieb er über die Phase des Kubofuturismus:
"..., im Kubofuturismus ist die Ganzheit der Dinge zerstört, sie wurde zerschlagen und zerstückelt;"
Dennoch folgte vor Malewitschs Hinwendung zum Suprematismus zunächst noch eine erneute Auseinandersetzung mit traditionellen Bildinhalten: die Phase der sogenannten alogischen Bilder. Hier stand das Aufbrechen tradierter Bildbedeutungen durch die alogische Gegenüberstellung von Zahlen, Buchstaben, Wortfragmenten und mimetisch wiedergegebenen Figuren und Dingen im Vordergrund. Bilder wie "Kuh und Violine" (1913) oder "Ein Engländer in Moskau"(1914) zeigen zudem einen äußerst ironischen und witzigen Umgang mit der abbildhaften Darstellung von Figur und Gegenstand. Es scheint fast als wolle der Künstler nochmals darauf hinweisen, dass es keinen Sinn mehr macht, sich der Realität durch Abbildung anzunähern.
Letztendlich läßt sich zur Vorgeschichte des Suprematismus sagen, dass die Verwerfung bekannter Kompositionsprinzipien, veranschaulicht durch das Nebeneinander und die kurze Abfolge verschiedener Stile sowie der Bruch mit der Logik des Bildinhaltes, Malewitsch den Weg zu einem radikalen Erkenntnisschritt eröffnete, der ihn die gegenstandslose Welt des Suprematismus finden ließ.
ch
Kataloge/Medien zum Thema:
Kasimir Malewitsch
Galerie HOTO
Schloss Biesdorf
Galerie Alte Schule im Kulturzentrum Adlershof
Haus am Kleistpark | Projektraum
Galerie im Körnerpark