Die 13-teilige Filminstallation Manifesto des Film- und Videokünstlers Julian Rosefeldt ist eine Hommage an die bewegte Tradition und literarische Schönheit von Künstlermanifesten und befragt nicht zuletzt die Rolle des Künstlers in der heutigen Gesellschaft. Mit großer Polemik wenden sich diese Texte gegen althergebrachte Konventionen und fordern eine Erneuerung der Kunst. Manifesto greift auf zahlreiche Originaltexte zurück, die von Vertretern des Futurismus, Dadaismus, Fluxus, Suprematismus, Situationismus bis hin zu Dogma 95 – von Künstlergruppen ebenso wie von einzelnen Künstlern, Architekten, Tänzern oder Filmemachern – verfasst wurden.
Durch Kürzung und Kombination der ursprünglichen Schriften von Claes Oldenburg, Yvonne Rainer, Kasimir Malewitsch, André Breton, Sturtevant, Sol LeWitt, Jim Jarmusch und anderen hat Rosefeldt 13 neue Textcollagen erstellt. Als gespielte und gesprochene Monologe werden die künstlerischen Weltentwürfe und Ideen des 20. und 21. Jahrhunderts in Manifesto zu einem »Manifest der Manifeste« verdichtet und in unerwarteten heutigen Kontexten angesiedelt: Sie sind in der Gegenwart verortet, um zu zeigen, dass ihre flammenden Proteste auch heute noch relevant sind. Hauptdarstellerin aller Episoden ist die australische Schauspielerin Cate Blanchett; sie spielt 13 Charaktere von der Börsenmaklerin über die Grundschullehrerin bis hin zur Punkerin und zum Clochard. Sie stellt nicht nur ihre enorme Wandlungsfähigkeit unter Beweis, sie verleiht zudem den Originalschriften eine eigene performative Kraft.
Hochkonzentriert wurden die Episoden mit der Schauspielerin in Berlin im Winter 2014 in nur zwölf Tagen gedreht. Eine große Herausforderung stellte allein die Textmenge dar, die zudem noch in zwölf verschiedenen Akzenten gesprochen werden sollte. »Beim Dreh fand ich es bemerkenswert, wie frisch die Sprache noch war und wie sehr in Einklang mit den scheinbar zufälligen Szenarien«, erklärt Cate
Blanchett in einem Interview: »Manche der damals radikalen Texte bekamen in den neuen Kontexten fast etwas Mainstreamhaftes, Populistisches.«
Rosefeldts Filminstallation führt uns die Kontinuität und Aktualität der politischen Aussagekraft dieser Künstlermanifeste vor Augen. Oft in jugendlicher Rage verfasst und hoffnungsvoll an die Kunst als
Mittel zur Weltverbesserung glaubend, vereinen sich die Texte zur Stimme ihrer Generation. Was ist heute von der Kraft dieser historischen Texte geblieben, die einst mit Leidenschaft und Überzeugung
geschrieben wurden? Haben die darin geäußerten Ansprüche und Ideen die Zeit überdauert? Besitzen sie gar universelle Gültigkeit? Wie hat sich das Zusammenspiel von Politik, Kunst und Leben bis heute verändert?
Mit dem Drehbuch für die Filminstallation wollte Julian Rosefeldt »eine Hommage an die Schönheit von Künstlermanifesten« schreiben. Auf das Thema war er durch die Arbeit an seinem Film Deep Gold gestoßen, den er im Rahmen des Ausstellungsprojekts Der Stachel des Skorpions 2014 im Museum Villa Stuck präsentierte. Dabei handelt es sich um eine Auseinandersetzung mit L’Âge d’Or – Das Goldene Zeitalter (1929/30) von Luis Buñuel, dem Skandalfilm des Surrealismus. In den gleichen Räumen zeigt das Museum Villa Stuck nun auch die monumentale Filminstallation Manifesto. 13 großformatige Projektionen verteilen sich über zwei Stockwerke sowie die Empore und sind über die gläserne Wendeltreppe optisch und akustisch miteinander verbunden.
Manifesto im Museum Villa Stuck
Die Ausstellung findet in Kooperation mit der Sammlung Goetz statt, die bereits die Entstehung der Filminstallation Manifesto durch einen frühen Ankauf gefördert hat.
Julian Rosefeldt, Manifesto, 2015, 13-Kanal-Film-Installation, HD, 16:9, Farbe, 2.1 Sound 12 x 10 Min. 30 Sek und 1 x 4 Min. (Prolog)
Manifesto ist eine gemeinsame Produktion des Australian Centre for the Moving Image Melbourne, der Art Gallery of New South Wales Sydney, der Nationalgalerie – Staatliche Museen zu Berlin und dem Sprengel Museum Hannover. Das Projekt wurde von der Ruhrtriennale und der Burger Collection Hongkong koproduziert. Es entstand dank der großzügigen Unterstützung des Medienboards BerlinBrandenburg und in Kooperation mit dem Bayerischen Rundfunk.
Zu Julian Rosefeldt
Der in Berlin arbeitende Künstler Julian Rosefeldt ist international für seine visuell opulenten und minutiös inszenierten Filmarbeiten bekannt, die zumeist als komplexe Mehrkanal-Installationen angelegt sind. Gleichermaßen inspiriert von der Geschichte des Films und der Populärkultur, bedient sich Rosefeldt vertrauter Filmklischees, um den Betrachter in surreale, inszenierte Situationen zu entführen, deren Protagonisten gänzlich in die Rituale des Alltags vertieft erscheinen. Mit Humor und Satire lockt Rosefeldt den Betrachter in vermeintlich vertraute, jedoch verfremdete Welten.
Julian Rosefeldt (geb. 1965 in München, lebt in Berlin) studierte Architektur in München und Barcelona. Seit 1994 arbeitet er als Künstler – bis 1999 im Duo mit Piero Steinle. Seine Werke waren unter anderem im MoMA P.S.1 in New York, auf der Biennale in São Paolo, im Kunstmuseum Bonn und in der Kunsthalle Wien zu sehen. Seit 2011 ist Rosefeldt Professor an der Akademie der Bildenden Künste in München.
Museum Villa Stuck,
Prinzregentenstraße 60,
81675 München
Presse
Kataloge/Medien zum Thema:
Julian Rosefeldt
Kommunale Galerie Berlin
Galerie Parterre
Freundeskreis Willy-Brandt-Haus e.V.
GalerieETAGE im Museum Reinickendorf
ifa-Galerie Berlin