Das Bauhaus in Dessau ist schon seit Jahrzehnten ein Wallfahrtsort für alle Architekturbegeisterten. Doch nun kann jeder Besuch etwas verlängert werden: Neben der eigentlichen Schule sind auch Teile der dazugehörigen Meisterhäuser zu besichtigen.
Im E.A. Seemann Verlag Leipzig ist zur Vertiefung des Gesehenen eine umfassende Abhandlung zum Meisterhaus Kandinsky-Klee erschienen.
Um es gleich vorweg zu nehmen: das Buch ist ausgesprochen lesenswert.
Auf drei verschiedenen Wegen wird an einer "Wiedergewinnung" (Hrsg. Norbert Michels im Vorwort) des Doppelhauses von 1926 gearbeitet: architektonisch, farblich und mit kunsthistorischem Schwerpunkt.
Die Meisterhäuser in Dessau
Woher kommt der Begriff "Neues Bauen"? Wie ist er entstanden? An den Anfang der ersten Untersuchung stellen die beiden Autoren G. Lupfer und P. Sigel die Begriffsfindung. In Abgrenzung (oder auch als Wegbereiter) zur"de Stijl" Gruppe in Holland oder dem "International Style" in Amerika, ermöglichen sie kurz und übersichtlich eine Einordnung der Meisterhäuser in die damalige Architekturszene. Im weiteren Verlauf werden detaillierte Kenntnisse über Einzelaspekte der Architektur vermittelt. Das breite Spektrum reicht vom Einzelhaus als typische Bauaufgabe bis zur Soda-Geschirrdusche in der Küche.
Farbigkeit der Innenräume
Im Laufe der Restaurierung ist eine Farbigkeit zu Tage getreten, die vorher selbst Experten nicht für möglich gehalten hätten. Ein Teil der von außen kubisch weiß wirkenden Häuser im Sinne Walter Gropius waren von innen bunt. Allein im Kandinsky-Treppenhaus sind Farben von weiß, gelb, rot, blau bis schwarz verwendet worden. Farbnuancen nicht mitgezählt.
N. Michels befasst sich im zweiten Beitrag aber nicht nur mit der Rekonstruktion der ursprünglichen Farbgestaltung. Er untersucht auch die allgemeine Auffassung bezüglich farbiger Gestaltung von Architektur in den 20er Jahren, oder noch aussagekräftiger, die Rollenverteilung der beiden Bereiche untereinander: Diente Farbe der Architektur oder hat sie damals ihre Autonomie wiedererlangt? Den Antworten ermangelt es nicht an aktuellen Bezügen.
Klee und Kandinsky in Dessau
Diese kunsthistorische Betrachtung von R. Prange spiegelt eine dezidierte Auseinandersetzung mit den beiden Ikonen der Modernen Kunst wieder. Sie reicht von der "romantischen Innerlichkeit" der Akteure bis zur ikonografischen Einordnung ihrer Bildelemente. Untersucht wird unter anderem auch die Beziehung von Kandinsky und Klee zueinander, immer in Zusammenhang mit ihrem unterschiedlichen künstlerischen Werk.
Die zum Teil etwas kompliziert erscheinende thematische Auseinandersetzung wird auf angenehme Weise durch Fotografien und andere Abbildungen aufgelockert. Der Anhang rundet die Publikation durch eine Baumonographie, die Farbdokumentation und Lebensdaten von Gropius, Kandinsky und Klee konzeptionell schlüssig ab.
Architektur und Kunst
Das Meisterhaus Kandinsky-Klee in Dessau
E.A. Seemann-Verlag, Leipzig / Anhaltische Gemäldegalerie Dessau (Band 8)
2000, 4. Auflage 2002
Broschiert 112 Seiten ISBN 3363007418, 19,90 EUR
Architektur und Kunst (bei Amazon bestellen):
Architektur und Kunst
Stella Hoepner-Fillies
Kataloge/Medien zum Thema:
Wassily Kandinsky
neurotitan
Galerie im Körnerpark
Schloss Biesdorf
Haus am Kleistpark
VILLA HEIKE