Die Ausstellung „bauhaus | documenta. Vision und Marke“ reflektiert erstmals die beiden Institutionen Bauhaus und documenta im Vergleich. Das 100-jährige Bauhaus-Jubiläum 2019 bietet den Anlass, die Entwicklung beider zu Kulturmarken gewordenen Institutionen zu betrachten und damit zugleich kritisch zu hinterfragen: Wo bleiben sich die Marken treu als Verpflichtung zu Innovation und Fortschritt, wo sind sie Teil einer interessensgeleiteten Vereinnahmung? So bietet die Ausstellung zugleich den Blick auf die Rolle und Funktion, die Kunst und Kultur in einer Gesellschaft heute einnehmen können.
Das vor 100 Jahren in Weimar gegründete Bauhaus und die documenta: Beide stehen bis heute für eine Tradition der Moderne und Avantgarde in Deutschland, für visionäre Kulturmarken von internationaler Strahlkraft und den Glauben an künstlerische Innovation und ihre sozialreformatorische Kraft. Beide haben ihre eigenen ideellen Werte ausgebildet und eine fast populäre Bekanntheit erlangt.
Anhand von Installationen, markanten Originalkunstwerken, dokumentarischen Objekten und statistischem Material kreiert die Ausstellung einen Parcours über sieben Themenräume, der von der Entstehung und den ersten Visionen beider Kulturinstitutionen bis hin zur heutigen Rezeption reicht. Ausgestellte Künstler/innen sind u.a.: Marianne Brandt, Marcel Breuer, Bazon Brock, Hans Haacke, Wassily Kandinsky, Barbara Klemm, Aleksandr Ptuschko und Gilles Raynaldy.
Gegliedert in sieben Themenbereiche fragt die Ausstellung nach Vermittlungsstrategien und Medienrezeption, nach Macht und Einflüssen,
nach Idealen, Werten und Verwertbarkeiten:
Was motiviert Personen, Institutionen, ganze Städte zur Beschäftigung mit Kunst und Kultur? Welche Vermittlungsformen gibt es? Wer trifft die maßgeblichen Entscheidungen über Auswahl, Darstellung und Wirkung? Und was sind die Zielgruppen: Wer wird erreicht? Und wer nicht? Philipp Oswalt, einer der beiden Kuratoren der Ausstellung: „Die Parallelbetrachtung von Bauhaus und documenta ermöglicht völlig neue Einblicke in die beiden Kulturmarken. Zugleich hinterfragt sie kritisch das Versprechen, dass Kunst gesellschaftlich emanzipativ wirksam ist.“
Flankiert wird die Ausstellung von einer Virtuellen Ausstellung zum Thema „Wie viel Bauhaus steckt in der documenta? Eine Spurensuche“ (ab 15.8.2019) sowie einer Publikation, die alle Projektbestandteile umfasst und zur Eröffnung der Ausstellung bei Spector Books erscheint. Im Rahmen des Projektes wird das von Heinz Bude konzipierte Symposium der Frage nachgehen: „Sind wir wirklich nie modern gewesen? Bauhaus und documenta in Wahlverwandtschaft“(14.–15. Juni 2019, Kunsthochschule Kassel).
Die Virtuelle Ausstellung
„Wie viel Bauhaus steckt in der documenta? Eine Spurensuche“
Die Virtuelle Ausstellung geht der Frage nach, auf welche Weise sich Bauhaus-Konzepte in Künstlerauswahl und Gestaltung der seit 1955 stattfindenden documenta Ausstellungen eingeschrieben haben. So hat das Bauhaus Einfluss auf den documenta Gründer Arnold Bode und seine wichtigsten Mitstreiter, zu denen auch der Bauhausschüler Fritz Winter gehörte. Mit fast 300 Werken waren siebzehn Bauhäusler auf den ersten documenta Ausstellungen vertreten – das visuelle Erscheinungsbild der documenta weist in den ersten Jahrzehnten Parallelen zur Bauhausgrafik auf.
Die Virtuelle Ausstellung dokumentiert diese Bezüge und stellt sie anschaulich zur Diskussion.
Launch, 15.8.2019, 18.30 Uhr, Fridericianum, Friedrichsplatz 18, 34117 Kassel
Die Publikation
Die Publikation „bauhaus | documenta. Vision und Marke“ (hrsg. von Birgit Jooss, Philipp Oswalt und Daniel Tyradellis) verbindet die thematischen Ausrichtungen der Ausstellung mit den kunsthistorischen Perspektiven der Virtuellen Ausstellung.
Sie enthält Aufsätze von Gerda Breuer, Kathryn W. Floyd, Walter Grasskamp, Annette Tietenberg, Fred Turner, Wolfgang Ullrich u.v.m. sowie Auszüge historischer Quellentexte von Bauhaus und documenta. Thematisiert werden die Ursprünge und Visionen beider Kulturmarken, ihren Identitäten, Formen der Übertragung sowie ihre Rezeption. Das Buch erscheint als Klappenbroschur mit ca. 300 Seiten zum Preis von € 32 bei Spector Books.
Das Symposium
„Sind wir wirklich nie modern gewesen? Bauhaus und documenta in Wahlverwandtschaft“
Das öffentliche Symposium beschäftigt sich mit den impliziten Modernitätsnarrativen des Bauhauses und der documenta Ausstellungen. Es wird die Ursprungskonstellation in Weimar und Kassel erörtert und die Metamorphosen im Durchgang durch Neu-Delhi, St. Lucia, Lagos (alle documenta 11), Kabul (documenta 13) oder Athen (documenta 14) erkundet. Woher kommen die beiden miteinander verwobenen Narrative, welche Entwicklungen, welche Beanspruchungen und Dynamiken haben sie erfahren, mit welchen anderen haben sie sich verbunden und welche Fäden sind von hier aus gesponnen worden?
Mit Beiträgen u. a. von Beatrice von Bismarck, Eckhart Gillen, Walter Grasskamp, Astrid Mania, Nina Tessa Zahner.
14.–15. Juni 2019, Hörsaal Kunsthochschule Kassel, Menzelstraße 13–15, 34121 Kassel
Zum theoretischen Diskurs
Zwei Kulturmarken und ihre Entwicklung. Die konzeptionellen Überlegungen zur Ausstellung und ihren Inhalten
Bauhaus und documenta sind zwei global erfolgreiche kulturelle Marken, die für ein weltoffenes, innovatives und modernes Deutschland stehen. Entstanden sind beide vor dem Hintergrund von Zivilisationsbrüchen – beide stehen exemplarisch für die Idee der emanzipativen Kraft von Kunst und Kultur, die das Leben des Einzelnen bereichern, das soziale Zusammenleben reflektieren und den gesellschaftlichen Fortschritt befördern.
Während das Bauhaus der Krise der Industrialisierung und den Versehrungen des Ersten Weltkrieges durch angewandte Gestaltung von Dingen, Räumen und Gebäuden begegnen wollte, knüpfte die documenta an die romantische Idee der Auseinandersetzung mit der freien Kunst an, durch die die Menschen wieder zu verantwortlichen Bürgern werden sollten. Während das Bauhaus neben wie auch als Ergebnis der künstlerischen Auseinandersetzung mit Produkten in die Zukunft unserer öffentlichen wie privaten Lebenswelten „eingreifen“ wollte und schnell sich selbst als Marke mit vielen Untermarken ausbildete, musste sich die documenta immer wieder aufs Neue und bis heute an ihrer Bedeutung als Marke – an der Schnittstelle zur Vermarktung und den Ansprüchen einer erfolgreichen eigenen „Wirtschaftlichkeit“ „abarbeiten“ und ihre eigene Autonomie schützen. Obschon beide Institutionen in ihren unterschiedlichen Entwicklungen vielfältigem Wandel unterworfen waren und sind, haben sich ihre Ansprüche erhalten und prägen bis heute die Wahrnehmung und das Selbstverständnis beider Marken – in ihren Motiven, ihren Strategien und ihren Erfolgen.
Ein Projekt des documenta archivs und der Universität Kassel in Kooperation mit der Museumslandschaft Hessen Kassel.
documenta und Museum Fridericianum gGmbH
www.documenta-archiv.de/bauhaus-documenta
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