Julian Schnabel gilt als ein Multitalent und Shootingstar der Kunstszene. 1981 war er der jüngste Künstler, der seine Kunst neben Pablo Picasso, Francis Bacon, Gerhard Richter, Georg Baselitz, Sigmar Polke und Markus Lüpertz an der Royal Academy in London ausstellte. Als einer der gefragtesten Künstler in den USA, zählt Schnabel neben Jean-Michel Basquiat und Keith Haring zu den Hauptvertretern des amerikanischen Neo-Expressionismus´. Der Ausstellungstitel „Palimpsest“ verweist auf den Vorgang des Wiederbeschreibens von zuvor gereinigten Manuskriptseiten,
ein in der Antike übliches Verfahren. Julian Schnabel ist ein Visionär, der stetig überraschende Drucktechniken und Materialien ausprobiert. Wie auch bei seinen Gemälden, bei denen Kunststoff-Planen genauso zum Trägermaterial werden wie unebene Oberflächen von gebrochenem Glas oder Porzellan, finden sich seine Radierungen, Collagen und Lithographien auf den unterschiedlichsten Trägermaterialien gedruckt: auf Samtstoff genauso wie auf Weltkarten. Schnabel bearbeitet die Bilder mehrfach digital, zieht Ausschnitte groß auf, bemalt oder beschreibt sie wieder, verschiebt nochmal die Schichten und Schnipsel, ist am Schneidetisch gleichzeitig Maler und in gewisser Weise auch Regisseur. So sind die großformatigen, monumental wirkenden Papierarbeiten Teil eines künstlerischen Gesamtkonzeptes und gleichberechtigter Bestandteil seines künstlerischen OEuvres.
Ein riesiges, öffentlich zugängliches Gemälde von Julian Schnabel befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft Aschaffenburgs: Seit 2010 hängt im 17 m hohen Foyer des Opernturms in Frankfurt am Main sein Gemälde „Ahab“. Es ist auf einer zwölf Meter hohen und dreizehn Meter breiten Fläche aus gebrauchtem Segeltuch gemalt und zeigt einen blutbefleckten schwarzen Wal und einen stilisierten weißen Schwan, jeweils Umkehrungen von Fachbegriffen aus der Finanzwelt: weißer Wal und schwarzer Schwan. Der Titel „Ahab“ verweist auf den König des Nordreiches Israel (ca. 871 bis 852 v. Chr.), dessen Heirat mit der Tochter des phönizischen Königs wirtschaftliche Vorteile brachte. Aus einer jüdischen Familie stammend, oszilliert die Symbolik in Schnabels Bildwelt zwischen heidnischer, christlicher und jüdischer Ikonographie – bei diesem Werk gibt Schnabel dem Wirtschaftszentrum Frankfurt einen alttestamentarischen Bezug.
Als zweiter Station nach dem Ludwig Museum in Koblenz (2016) zeigt die Kunsthalle Jesuitenkirche die erste umfassende Retrospektive seines grafischen Werkes in Deutschland, erweitert für Aschaffenburg durch aktuelle Werke aus 2017. Julian Schnabel, der von sich sagt, „ja, ich mache gerne Kunst, ich arbeite, wo ich gerade bin und immer“, stellte bereits in den 80er Jahren mit Gerhard Richter und Georg Baselitz aus. 2004 widmete die Schirn Kunsthalle in Frankfurt eine Ausstellung seinen Gemälden („Malerei 1978-2003“). Auch die Zeitschrift „Die Welt“ hat ihn mit ihrer Ausgabe vom 10.12.2015 als einen der namhaftesten zeitgenössischen Künstler bestätigt.
Zum sechsten Mal gab sich die Zeitung ein künstlerisches Gewand, indem sie diese Ausgabe komplett von Julian Schnabel gestalten ließ. Erstmalig hatte Georg Baselitz 2010 den Auftrag zur Gestaltung der Ausgabe „20 Jahre Deutsche Einheit“ bekommen. Danach folgten zwischenzeitlich u. a. Kunstgrößen wie Neo Rauch und Gerhard Richter.
Geboren in Brooklyn in New York City 1951, wurde Julian Schnabel bekannt mit seiner ersten Einzelausstellung im Contemporary Arts Museum Houston 1976, gefolgt von einer Solo-Schau in der Mary
Boone Gallery in New York City im Jahr 1979. Hier stellte Julian Schnabel seine „Plate Paintings“, Bilder aus zerbrochenen Tellern und Gefäßen, zum ersten Mal aus. Er nahm an der Biennale in Venedig 1980 teil und war bereits Mitte der 1980er Jahre eine entscheidende Gestalt des Neo-Expressionismus´. „Andy Warhol ließ sich von ihm porträtieren, er porträtierte ihn auch. Bernard Picasso tauschte ein Bild seines Großvaters gegen studiofrische Ware“, schildert Beate Reifenscheid in unserem Begleitkatalog zur Ausstellung und bringt es auf den Punkt: „Warum auch nicht? 1981 war er der jüngste Künstler, der seine Kunst neben Pablo Picasso, Francis Bacon, Gerhard Richter, Georg Baselitz, Sigmar Polke und Markus Lüpertz auf einer „A New Spirit in Painting“ Show an der Royal Academy [of Arts in London; C.L.] ausstellte. Er erhielt eine eigene Ausstellung im Stedelijk Museum in Amsterdam und im selben Jahr auch in der Tate Gallery in London.
Damals war er 30 Jahre alt. Mit 35 zeigte er seine Werke im Centre Pompidou in Paris, kuratiert von Nicolas Serota und dem kürzlich verstorbenen Dominique Bozo.“
In den Folgejahren erweiterte Julian Schnabel sein künstlerisches Betätigungsfeld konstant: Der Allrounder Schnabel hat nicht nur 1995 ein eigenes Musik-Album veröffentlicht („Every Silver
Lining Has A Cloud“ unter Beteiligung der Musiker Bill Laswell, Buckethead, Bernie Worrell und Nicky Skopelitis), sondern hat u. a. auch die Cover der Alben „The Raven“ von Lou Reed und „By the Way“ der Band Red Hot Chili Peppers gestaltet.
Letzteres zeigt seine Tochter Stella, die damals mit dem Gitarristen der Band, John Frusciante, liiert war. Seit Mitte der 1990er Jahren tritt Julian Schnabel auch als Regisseur von Kinofilmen hervor, die prominente Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts thematisieren, u. a. das „Enfant terrible“ der New Yorker Kunst der 1980er Jahre, Jean-Michel Basquiat („Basquiat“, 1996), den kubanischen Schriftsteller und Dissidenten Reinaldo Arenas in „Before Night Falls“ (2000) und Jean-Dominique Bauby, den einstigen Herausgeber der französischen „Elle“, mit „Schmetterling und Taucherglocke“ (2007), für den Schnabel auf den 60. Filmfestspielen von Cannes mit dem Regiepreis ausgezeichnet wurde und 2008 für die beste Regie und den besten
fremdsprachigen Film den Golden Globe Award erhielt. Auch sein nächstes Filmprojekt steht schon fest: „Van Gogh“. 2006 dann die Hinwendung zur künstlerischen Gestaltung von Gebäuden: Er
malte sowohl acht riesige Surf-Gemälde (je 6 x 4,5 m) für das MetLife Building an der Park Avenue in Manhattan in Nähe der Grand Central Station in New York, gestaltete für das New Yorker Gramercy Park Hotel Möbel, die Lobby sowie alle öffentlich zugänglichen Bereiche im Neo-Renaissance-Stil und als im wahrsten Sinne des Wortes „krönendes“ Projekt setzte er auf eine ehemalige New Yorker Parfüm-Fabrik (West 11th Street), die er umgestaltete, auf das bestehende Gebäude noch einen Palast im venezianischen Stil.
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