Gerhard Richter, einer der bedeutendsten Künstler der Gegenwart, ist in der Sammlung Böckmann mit einer herausragenden Werkgruppe vertreten. Eine Auswahl von zwanzig zum Teil monumentalen Arbeiten aus den Jahren 1960 bis 2003 bildet fortan einen neuen Schwerpunkt im Neuen Museum Weserburg Bremen.
Schon auf den ersten Blick wird klar, dass wir es bei Richter mit einem Maler zu tun haben, dessen formale Vielfalt immer wieder aufs Neue überrascht. Ständig wechseln in seinem Oeuvre "gegenständliche", "abstrakte" und "monochrome" Bildauffassungen. Dieses Nebeneinander verschiedener malerischer Vorgehensweisen steht für eine einzigartige künstlerische Haltung, welche sich gerade in der Werkauswahl der Sammlung Böckmann gut wieder finden lässt.
Zum Beispiel scheinen mehrere, an unscharfe Fotos erinnernde Werke auf den ersten Blick traditionellen Bildgattungen wie "Landschaftsmalerei" oder "Portrait" zu entsprechen. Andere von Anfang an ungegenständlich angelegte Arbeiten bestechen wiederum durch ihre reliefartigen Strukturen, brillanten farblichen Schichtungen und ihren beinahe atmosphärischen Charakter. Sie verführen uns geradezu, angestammten Sehgewohnheiten nachzugeben, lassen räumliche Tiefe, Licht, Schatten und beinahe körperlich zu nennende schwebende Formationen in perfekt angelegten Illusionsräumen entdecken, wo sich faktisch nur gerakelte, gespachtelte oder lasierend vermalte Farbmaterie befindet.
Richters Weigerung, sich auf eine eindeutig erkennbare Handschrift festzulegen, sein "Stilbruch als Stilprinzip" ist bezeichnend für einen äußerst differenzierten Wirklichkeitsbezug. Wenn er sich einerseits malerisch auf Fotografien bezieht und andererseits im nächsten Bild wiederum ohne einen konkreten gegenständlichen Bezug arbeitet, ermöglicht und reflektiert er Malerei immer wieder neu als Ort des Zweifels an der Funktion von Bildern in unserer Kultur.
"Vielleicht gibt es keinen wesentlichen Unterschied zwischen gegenständlichen und ungegenständlichen Bildern. […] Beides sind Bilder, d.h. egal was sie darstellen, sie tun es mit den gleichen Methoden: Sie scheinen; sie sind nicht das Dargestellte, sondern der Anschein davon. Das ist zwar nicht Neues, aber für mich etwas Wichtiges, weshalb ich auch den Illusionismus in der Malerei bejahe, nicht nur weil wir ihn gar nicht umgehen können, sondern weil er der Anschein ist und nicht die Täuschung, genau wie uns auch die Realität vorwiegend erscheint." (Gerhard Richter)
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Der in Rheydt bei Mönchengladbach lebende Gregor Schneider und Thomas Demand aus Berlin sind in der Sammlung Olbricht mit wichtigen Werken vertreten. Demand arbeitet zwar mit dem Medium Fotografie, versteht sich aber nicht in erster Linie als Fotograf. Er rekonstruiert Räume und Situationen, welche schon einmal als Bilder durch Zeitungen oder durch das Fernsehen verbreitet wurden, zu präzisen Szenarien aus Karton und Papier, um sie schließlich noch einmal abzulichten. Erst bei genauem Hinsehen werden diese perfekten Modellwelten als solche erkannt. Auf ihre besondere Art tragen sie zu einer ästhetischen Reflexion unserer durch und durch mediatisierten, also meist über Fotos und Filme vermittelten Erfahrung von Wirklichkeit bei.
Diese Fotos haben mit den Skulpturen und Räumen Gregor Schneiders insofern etwas gemeinsam, als sich in ihnen gleichermaßen etwas andeutet, das nicht - oder noch nicht - sichtbar wird. Etwas, das sich in diesen Räumen und Szenarien ereignet hat oder noch ereignen wird: Auf diese Weise werden die Arbeiten beider Künstler zu Verortungen von Ahnungen, Erinnerungen und Vermutungen. Man erinnere sich an Schneiders Biennale Beitrag in Venedig im Jahr 2001, in dem er einen Teil seines Rheydter Hauses ur 1:1 in den deutschen Pavillon der Lagunenstadt übertrug, durch den sich die Besucher mit teilweise gemischten Gefühlen bewegten. Sie wurden dabei nicht nur von Treppenläufen, Gängen und Türen geleitet, sondern auch von den subtilen Mechanismen ihrer eigenen Wahrnehmungen, zu denen eben auch das Vorgewusste und Unbewusste gehört.
Ganz in diesem Sinne stellt Gregor Schneider in einem eigens dafür geschaffenen, vollständig in Schwarz gehaltenen Raum Werke aus der Sammlung Olbricht in einen neuen Zusammenhang. Dazu zählt auch die große Arbeit "Müllsack mit Wichsecke, Bremerhaven" aus dem Jahr 1996, eine Verdopplung des Kabinetts für Aktuelle Kunst in Bremerhaven. Ergänzt durch einen Korridor am Eingang, durch die monumentale Parallelprojektion zweier Nacht-Videos und verschiedener anderer Werke des Essener Sammlers wird diese vom Künstler selbst vorgenommene Präsentation zu einem raumbezogenen, anderswo nicht denkbaren Gesamtwerk.(Presse NMWB)
Abbildung: Gerhard Richter, Schädel und Kerze, 1983
Neues Museum Weserburg Bremen
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