Olga Lewicka präsentiert ein Künstlerzimmer als wilde und chaotische Daseinsform. An den Wänden stehen diverse Sprüche und Gedanken zum Thema Kunst "je gewaltsamer, desto besser...". Das Zimmer als Durcheinander verkörpert ein aufgewühltes künstlerisches Ich. Stringenz und Ordnung sind abwesend.
Die verschiedenen Formen der künstlerischen Selbstdarstellung explorieren die Hamburger Kuratoren. Der Schwerpunkt liegt auf zeitgenössischen Künstlern. Zusätzlich ist man bemüht, ein breites Spektrum zu geben: Fotografie, Malerei, Performances etc. Marginal werden auch Selbstportraits vergangener Jahrhunderte gezeigt. Bildnisse von Rembrandt oder auch von Franz Xaver Messerschmidt sind zu sehen, die Spuren aus der Vergangenheit in die Gegenwartsinszenierung legen.
Die Palette reicht von subtil bis radikal. Die Darstellungen der Body- und Performance-Art markieren die derzeitigen Grenzen des Ich-Abbildes. Der eigene Körper wird zum Kunstwerk. Chris Burden lässt sich in den eigenen Arm schießen und dokumentiert das ganze als Kurzfilm. So ist mal die eigene leibliche Gestalt Experimentierfeld, ein anderes Mal das simple Abbild wie bei Sigmar Polke. Nahezu verspielt wirkt demgegenüber die Selbstinszenierung von Andy Warhol als Frau. Als androgynes Wesen mit nüchterner und ironischer Ausstrahlung erscheint Warhol dem Betrachter. Und auch Jeff Koons ist vertreten: In den 80ern sorgten seine pornographisch anmutenden Selbstbildnisse mit seiner damaligen Frau Illona Staller, einem Erotikstar aus Italien, für Aufsehen.
Das Ich wird in allen Selbstdarstellungen mannigfach gespiegelt, verweist aber immer darauf, dass es verschiedene Rollen gibt. Das Ich setzt sich aus verschiedenen Facetten zusammen. Die Postmoderne hat uns gelehrt, dass es nicht den einen Sinn gibt, so ist auch das eigene Ich nicht als eine feste Konstante zu fassen, sondern setzt sich aus der Interpretation und der Wahrnehmung der Umwelt zusammen. Ob Abbild und Eigenwahrnehmung identisch sind, ist nicht zu erkennen.
Begleitet wird die Schau von zwei parallel laufenden Ausstellung "Ich. Lovis Corinth" und "Horst Janssen. Selbst." Zahlreiche Vorträge, Rundgänge und Themenvorführungen runden das Thema ab.
Andy Warhol, Self Portrait “in Drag”, 1981, Polaroid Photo, 10,8 x 8,6, cm, © 2004 The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts/ARS, N.Y.
Geschenk der Brtitish American Tobacco,
Photo: Christoph Irrgang
"gegenwärtig: Selbst, inszeniert" vom 28. November 2004 bis 27. Februar 2005 in der Galerie der Gegenwart (Hamburger Kunsthalle)
Ich, Lovis Corinth. Die Selbstbildnisse vom 19. Februar 2004 bis 6. Februar 2005 im Hubertus-Wald-Forum (Hamburger Kunsthalle)
Horst Janssen. Selbst vom 17. September 2004 bis 30. Januar 2005 im Janssen-Kabinett (Hamburger Kunsthalle)
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr | Donnerstag 10 bis 21 Uhr | Montag geschlossen
Hamburger Kunsthalle | Stiftung öffentlichen Rechts | Glockengießerwall | 20095 Hamburg | Telefon ++49 (0) 40 428 131 200
Dr. Tanja Hemme
Kataloge/Medien zum Thema:
Jeff Koons
Freundeskreis Willy-Brandt-Haus e.V.
Kunstbrücke am Wildenbruch
Verein Berliner Künstler
neurotitan
Rumänisches Kulturinstitut Berlin