Das Waldmoos im Marburger Kunstverein hört auf zu leuchten, die nächste Ausstellung wirft ihre Schatten voraus: „FLANSCH“. Mit Thomas Bayrle ist ein Künstler zu Gast, dessen Bildgestaltung als wegweisend gilt. Er bringt einerseits eigene Werke aus der Zeit rund um das berühmte Jahr 1968 mit, andererseits zeigen wir in einer Gegenüberstellung auch Arbeiten von renommierten Künstlerinnen und Künstlern aus der Generation seiner Schüler. Die Ausstellung ist ein Beitrag zum städtischen Themenjahr 50 Jahre `68 und wird von der Hessischen Kulturstiftung und der Deutschen Vermögensberatung AG unterstützt.
Thomas Bayrle wurde 1937 als Sohn des Künstlers Alf Bayrle in Berlin geboren und wuchs in Hessen auf. Bis heute lebt und arbeitet er in Frankfurt – eine Stadt, die er zerstört durch den Krieg und als Hauptquartier der US-amerikanischen Militärregierung erlebte, als Jazz-Metropole, als Stadt voller Widersprüche und in ihrem Wandel zum Finanzzentrum, wie er in einem Interview anlässlich seiner Ausstellung im New Yorker „New Museum“ in diesem Jahr erzählte. In den 1950er Jahren ging er nach Göppingen, um sich zum Weber und Textilveredler ausbilden zu lassen, von 1958 bis 1961 studierte er an der Werkkunstschule Offenbach. In Sachen Kunst war er ein Autodidakt – und anfangs unsicher, ob er selbst tatsächlich ein Künstler sei: „Ich war lange Zeit ein großer Zweifler“, so Bayrle.
1963 fanden die ersten Ausstellungen statt, 1964 ist erstmals bei der documenta in Kassel vertreten. Er wurde berühmt für computergenerierte, animierte Kunstwerke und seine serielle rasterartige Bildgestaltung, die er ab dem Ende der 1960er Jahre entwickelte. „art – Das Kunstmagazin“ betitelte ihn im Jahr 2016 als den „Raster-Mann“. Aus Bildern von Soldaten setzt er einen Tiger zusammen, aus kleinen Käfern einen „VW“ und in einer „Ajax“-Flasche tanzen Miniatur-Putzfrauen. 2009 wurden auf der Biennale in Venedig seine Autobahnskulpturen ausgestellt, 2012 zeigte er auf der documenta ein Riesenflugzeug. Seriell gereiht erhalten Dinge bei ihm eine komplett neue Bedeutung: „Alles kann zum Element eines All-Over-Konstrukts werden, das die Wiederholung des Einzelnen so weit treibt, bis sich etwas anderes, Größeres daraus ergibt“ schreibt Silke Hohmann 2009 in einem Portrait von Thomas Bayrle im Monopol Magazin.
Es entstanden im Lauf seines künstlerischen Schaffens sowohl Malerei und Objekte wie auch Collagen und Filme. In Marburg werden zwei Tapeten und sechs Siebdrucke von ihm zu sehen sein. Aktuell läuft außerdem eine Ausstellung zu „Film Video Materialien 1988 – 1989“ von Thomas Bayrle in der Züricher Galerie Francesca Pia und die große „Playtime“-Ausstellung in New York. Von 1975 bis 2002 war Bayrle Professor an der Städelschule Frankfurt – und Wegbereiter für eine neue Generation von Künstlerinnen und Künstlern. Einige von ihnen stellen nun gemeinsam mit ihm in Marburg aus: Sandra Kranich, Marko Lehanka, Sebastian Stöhrer, Silke Wagner, Stefan Wieland und Phillip Zaiser.
Sandra Kranich, 1971 in Ludwigsburg geboren, studierte an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach und danach an der Städelschule bei Thomas Bayrle. Außerdem ist sie ausgebildete Pyrotechnikerin für Großfeuerwerke. Marko Lehanka, geboren 1961 im mittelhessischen Herborn,
absolvierte sein Studium an der Städelschule von 1985 bis 1990. Seit 2006 ist er selbst Professor, nämlich für Bildende Kunst und Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg. Sebastian Stöhrer, geboren 1968 in Freiburg, studierte von 1992 bis 1999 bei Bayrle in Frankfurt. Er verbindet in seinen keramischen Objekten Malerei und Plastik.
Silke Wagner, 1968 in Göppingen geboren, war von 1995 bis 2001 Studentin an der Städelschule. Auch sie widmet sich – in konzeptionellen Arbeiten – gesellschaftspolitischen Themen. Stefan Wieland, geboren 1970 in Marburg, studierte von 1994 bis 1999 bei Thomas Bayrle und war Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes. 2002 erhielt er den Paul-Strecker-Preis für Malerei. Phillip Zaiser, geboren 1969 in Hannover, absolvierte zunächst eine Lehre zum Kunstschmied, bevor er von 1993 bis 1999 an der Städelschule bei Thomas Bayrle und Georg Herold studierte.
Die Ausstellung beginnt am 19. Oktober und endet am 6. Dezember 2018. Die Vernissage findet am Freitag, den 19. Oktober mit einem Indoor-Feuerwerk von Sandra Kranich um 18 Uhr im Kunstverein statt. Die Einführung übernimmt Christoph Schütte aus Frankfurt. Zum Pressegespräch vorab dürfen wir Sie wie immer für den Mittwoch vor Ausstellungsbeginn, also für den 17. Oktober um 11 Uhr in die Räume des Kunstvereins einladen, zu dem ein Teil der beteiligten Künstlerinnen und Künstler anwesend sein wird.
Wie immer gibt es im Ausstellungszeitraum jeden Samstag um 16 Uhr kostenlose Führungen mit Friederike Hagel; bitte weisen Sie auch gern auf die Kooperation mit der KunstWerkStatt Marburg hin, die auf Anfrage spezielle Führungen für Kinder anbietet. Am 1. November und am 15. November wird es jeweils die Möglichkeit zum „Zeichnen am Abend“ geben, jeweils ab 18 Uhr.
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